Warum Studiomischtechniken nicht Bühnenkompatibel sind

  • Ja, der Exciter und seine Obertöne :D


    Aus den 70ern ranken sich ja diverse Mythen von sündhaft teueren, stundenweise zu mietenden Geräten :D noch bis in die Gegenwart.


    In den späten 80ern hatte dann fast jede Band mit eigener PA (davon gab's früher eine ganze Menge mehr als heute), die was auf sich hielt, ihren Aphex im Rack. Gepatcht wurde der oft in die Summe. Da klang es dann bisweilen auch mal gerne schrill und hart, wenn im Laufe des Abends vom "Wundereffekt" mehr und mehr zudosiert wurde. Und Hochtöner waren gefragte Ersatzteile.


    Mein einziger wirklich sinnvoller Live-Einsatz eines Exciters datiert aus den 90er Jahren, in denen ich einer Top40-Kapelle bzw. deren durchschnittlicher "Musiker-P.A." mit einem Behringer Ultrafex3200 (imho der bessere Aphex :D ) immer wieder ganz nett auf die Sprünge geholfen habe. Das klang "mit Oberwelle" in der Summe deutlich besser als ohne. Die waren aber damals schon sehr fortschrittlich in Sachen DI (bzw. waren faul und wollten nicht viel schleppen) und haben kaum Bühnenpegel produziert, so dass ich am Pult beinahe 100%ige Soundkontrolle hatte. Da hat das wirklich was gebracht, bei anderen Jobs hingegen weniger bis kontraproduktiv.


    Mit anderen Worten: Auf Standard-Jobs wie Clubbühnen mit Bands, die viel Direktschall (um nicht zu sagen: Krach) produzieren, so dass die PA nurmehr als "Gesangsstütze" dient, ist der Exciter in der Summe nicht der Rede wert. Und - wie im Video zu sehen - alleine auf ein Einzelsignal wie den Leadgesang bezogen, drehe ich in einer quick&dirty-Livesituation da eher obere Mitten und Höhen bei, als dass ich einen verzerrten Parallelkanal zumische.


    Auf größeren Bühnen mit besserer Soundkontrolle seitens des F.o.H. als im Club mag das anders aussehen. Und es ist mit heutigen Digitalpulten kein Problem, sich solche Exciter-Settings zu basteln, diese als File mitzunehmen, als Option an den Start zu bringen und sie zu benutzen, wenn es damit besser klingt. Habe ich aber - ehrlich gesagt - noch nie gemacht.


    Langer Rede, kurzer Sinn: Ich halte diesen Studiotipp live nur begrenzt sinnvoll einsetzbar, eben nur dann, wenn ich am Pult nahezu völlige Soundkontrolle habe und nicht, wie so häufig, um eine laute Bühne "drumherum mixen" muss.


    es grüßt,


    derautor

    Immer schön vorm Soundcheck herverkabeln.....

  • ja, an Bass und Konsorten hatte ich eben gar nicht gedacht, da es in dem "Mix-Tipp" explizit um Vocalpräsenz geht... Ich freue mich diesbezüglich schon auf das Digico-Update, dann kann ich ein wenig mit den Digitubes herumexperimentieren. Das war ansonsten auch immer noch so ein zusätzlicher Aufwand und bei den Digipulten dann noch die Wandler-Latenzen berücksichtigen usw. ... dass es "kein Problem" ist, ist leider nur begrenzt richtig, wenn es mir bei der M7 oder SD9 einen wertvollen Rackslot beansprucht, lasse ich es lieber weg. Oder ich nähere mich dem Effekt, indem ich einen Kompressor mit extrem kurzen Regelzeiten verwende - es bleibt aber immer noch ein Kompressor.


    Was den Exciter angeht war das u.a. ja auch die "Waffe" gegen dumpfe Mikros die einfach keine Höhen hatten - und so mancher Akustikgitarre hat ebenfalls es zu mehr "Leben" verholfen...

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  • in der iLive gibt es seit dem letzten (oder vorletzten?) update in den kompressoren die möglichkeit, das originalsignal mit dem komprimierten signal in frei wählbaren verhältnissen zu mischen. also eine möglichkeit der parallelkompression direkt in jedem kanal oder jedem mixbus.
    ich nutze das tatsächlich öfter in der schlagzeuggruppe, um dort den punch ein bisschen zu verdicken. das sind aber nur nuancen, die man auf schlechten anlagen und in schlechter akustik leider gar nicht hört. und wenn die band zu laut ist, kann man das sowieso abschalten ;)
    ich weiss aber noch nicht, was man sonst so damit machen kann. die gesänge würde ich ebenfalls nicht so bearbeiten, das wär mir zu heikel.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Wobei der Gedanke hier eher umgekehrter Natur ist - einem komprimierten Signal kann man so nach Wunsch wieder die Dynamikspitzen hinzufügen wenn einem die Kompression zwar an sich so gefällt, aber etwas zu platt macht.

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  • Heute 19.1. In den 'Tips for a better mix' ein absolut live tauglicher alter Bekannter, der Kompressor mit den Vocals im Key/side chain um hier Gitarren ( oder auch Keyboards oder... ) sehr unnauffällig ein wenig wegzudrängen, den ich seit Jahren gerne live benutze und nein, es ist kein Ducker, auch wenn es hier immer mal wieder Stimmen gibt, die behaupten, es müsste ein Ducker sein.

  • Yes Sirs. :D
    Ein ducker ist eine side chain Betriebsart eines Gates, das bedeutet der Zielwert ist statisch also ein fester Betrag. z.B. - 10 dB, wenn die side chain Quelle den Schwellenwert im Gegensatz zum normalen Gate-Betrieb überschreitet, wobei der Regelvorgang durch regelbare attack und release Zeiten ein bisschen unauffälliger gemacht werden kann.
    Die side chain Betreibsart eines Kompressors hat als Zielwert eine Verhältnisgröße z.B. 4:1 und ist daher dynamisch, also je lauter die side chain Quelle oberhalb des eingestellten Schwellenwerts, um so größer ist der Betrag der Absenkung. Das nennt man strenggenommen nicht 'ducker'.

  • Das schafft Dynamik, selbst wenn man am Ende wieder alles platt bügelt... ;)

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  • @ guma: dann sind wir ja gleicher Meinung.
    http://www.paforum.de/phpBB/viewtopic.php?f=25&t=81911&start=75
    Wenn Du um die Arbeitsweise des "gesidechaineten" Kompressors weisst, verstehe ich aber nicht, dass Du ihn gerade in dieser Anwendung benutzt.
    Das bedeutet ja, wenn Dein Gesang lauter wird, werden die Begleitinstrumente mehr abgeregelt als wenn er leiser ist.


    Zitat

    Das schafft Dynamik, selbst wenn man am Ende wieder alles platt bügelt...


    Das Gegenteil ist der Fall. Im Ausganssignal reduziert das die Dynamik.
    Ist der Sänger leise, wird die Band lauter - schreit der Sänger, wird die Band leiser.
    Das ergibt für mich keinen Sinn.
    Ich würde in der Anwendung den "richtigen" Ducker vorziehen.
    Ich hatte mich kürzlich mit wora über dieses Thema unterhalten, und wir kamen eigentlich nur für die Overheads auf eine sinnvolle Verwendung mit der Snare im Sidechain.

  • Ja, ich mag das dynamische Runterregln des gesidechainten Kompressors lieber, weil ich den Eindruck habe, dass das unauffälliger, musikalischer arbeitet. Ich verstehe natürlich die Bedenken, dass sich das auf den ersten Blich ein bisschen widersinnig anhört.
    Folgende Vorausetzungen sollten dafür gegeben sein:


    1. Du hast einen routinierten "pegelstabilen" Sänger. Dann passt es sogar, wenn er an lauten Gesangsstellen ein bisschen "belohnt" wird.
    2. Du hast einen weiteren Kompressor nach dem Abgriff für den side chain auf dem Gesang ( der also den side chain nicht beeinflußt ), der die Situation 'Gesang zu laut' und 'Melodieinstrumente in die Knie' verhindert.
    3. Du legst nicht zu viele Quellen also z.B. keine 'Rhythmussignale' auf die Summe mit dem side chain Kompressor.
    4. Du wählst die attack Zeit nicht zu schnell.


    Diese Variante eignet besonders gut für kleine bis mittlere locations, bei denen das direkte unkomprimierte Bühnensignal einen nicht ganz unwesentlichen Beitrag zum z.B. Gitarrensignal leistet. In der Clubsituation hat man ja unfreiwillig immer sozusagen "passive" 'parallel compression' wenn man komprimiert, da man immer von der Bühne einen unkomprimierten Anteil hat....auch ein Grund warum 'parallel compression' live meist Quatsch ist.

  • .. und was mir noch dazu einfällt: für einem klassischen Ducker muß man, um damit dem Gesang ein bisschen Platz zu machen, den Schwellenwert auf einer lauten Bühne ziemlich hochregeln, damit andere "Lärmquellen" den Ducker nicht auslösen. Bleibt dann der undisziplinierte Sänger unter der Schwelle, fehlt das ducking der "Begleitung" genau dann, wenn der Sänger es eigentlich am nötigsten bräuchte...will sagen auch damit gehts natürlich nicht ohne ein bisschen Disziplin auf der Bühne. :wink:

  • jetzt bin ich ein bisschen irritiert.
    für mich bedeutete "ducker" bislang immer, das ein signal ein anders wegdrückt.
    also:
    - wenn signal A ansteht, wird B unterdrückt.


    wenn ich das mit einem gate mache, dann ist die funktion aber genau anders herum:
    - wenn signal A ansteht, wird B durchgelassen.


    wie nennt man denn dann die erste version?
    de-ducker?? ;)


    und ja: ein allheilmittel für bessere durchsetzung ist auch das hier nicht.
    aber manchmal funktioniert es toll.


    die sache mit dem sidechain kompressor mache ich seit vielen jahren so, schon zu meinen analogzeiten.
    allerdings dachte ich, dass bislang nur ich auf diese idee gekommen wäre ;)
    gegen das stärkere komprimieren des zu dämpfenden signals bei höherem pegel des sidechainsignals setze ich in meinem speziellen fall übrigens einen Eq in den sidechain des sidechains... singt der sänger hoch und laut, wird weniger komprimiert, singt er tief und (dadurch so gut wie immer) leise, wird mehr komprimiert ;)
    so komme ich meinem ideal am nächsten.


    leider kann ich in der iLive den sidechain abgriff nicht frei wählen, da gibt es nur pre- oder post EQ, nicht post kompressor... so muss ich also diesen kleinen EQ-trick anwenden.
    kann man das in anderen pulten frei wählen?

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang


  • nunja, Ducken bedeutet ein anderes Signal wegdrücken. Entweder man macht das mit einen Compressor oder mit einem Gate (auf INVerse). Siehe Diskussion im Vi Thread.


    Der klassische Ducker geht mit INV Gate, um ein Signal um einen _festen_ Wert herunterzuregeln wenn ein anderes signal einen _festen_ Wert überschreitet. Klassische Anwendung: Radiomoderator oder Karussellansager grüllt über die Musik.


    Mit Kompressor wird das alles "weicher" und musikalischer, erfüllt aber nicht die Anforderung für Radiomoderator und Karussell ;)

  • @ wora
    Das ist auch okay so. Es gibt dafür, glaube ich, keine Vorschrift von der AES. :wink: , allerdings meinen die meisten Tonmenschen damit wirklich das gate mit der inversen, also der Regelung über dem Schwellenwert im side chain, also sollten wir uns an diese "Gewohnheits-Konvention" halten.

  • 20.1. und 21.1. ... Grahams Tipps zu Vocal Delays sind beide livetauglich und sollten sowohl mit analogen als auch mit digitalen Pulten machbar sein, wenn man das möchte. Manche hardware FXe hatten schon früher eine 'dynamic' Funktion, mit der man die Hall- oder Delayfahne zumindest in Textpausen verbannen konnte. Die Compressor side chain Variante erlaubt natürlich noch andere Steuermöglichkeiten.

  • Ohne es gesehen zu haben - geht es um "Dirt-Mics"? :D


    Edit: naja, fast... ;)

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