Latenz in kleinen Räumen

  • Hatte vergangenes Wochenende das Vergnügen eine Band zu mischen die sehr "tight" also
    Drum und E-Bass auf den Punkt genau.


    Ort: Sehr kleiner Club, höchstens 10 Meter tief (ab Bühnenvorderkante).
    Equipment: Analog Mischer mit Native-Plugins, digitaler Summen-EQ, digitaler Speakercontroller.
    In der Summe ca. 10 ms Latenz von Analog In zu Analog Out.
    Hatte mit diesem Setup die gleiche Band bereits zweimal bei Openairs gemischt und dabei
    keine Propleme mit den 10 ms gehabt. Die Band selber übrigens auch nicht.


    In dem kleinen Raum allerdings stellte sich nach wenigen Minuten Soundcheck heraus, dass
    die 10 ms hier nicht funktionieren. Bass-Drum, Snare, allen perkusiven Instrumenten fehlte
    es an direktheit. Hier vermischte sich einfach Direktsignal von den Instrumenten mit dem
    verzögertem Signal der PA was zwar nicht zu einem Delayeffekt führte, aber eben zu Auslöschungen.


    Habe dann die Plugins in den betroffenen Kanälen deaktiviert und dafür in Kauf genommen
    die Show ohne Gates und Compressor zu mischen.


    Wer hat ähnliche Erfahrungen gemacht, bis zu welcher Raumgröße (oder soll man Raumkleine)
    sagen, geht welche maximale Latenz?


    Gruß


    Soundbuster

  • Eigentlich ist es ganz einfach auszurechnen, wenn die Latenz kleiner ist als der akustische Versatz zwischen Bühnenquellen und PA, kann man sich zurücklehnen und die PA weiter verzögern, bis es passt. Ganz grob würde man laute Quellen, wie die Snare und die Amps zur Berechnung heranziehen.


    Beispiel: Die Backline und das Drumset stehen akustisch 2 Meter hinter der PA -> Versatz ca. 6ms

  • Ja rechnen kann man das schon. Wobei sich die Frage stellt: Rechne ich z.B von der Snare
    die Mittig auf der Bühne steht im rechten Winkel bis zur gedachten PA-Linie oder diagonal
    bis zu einem PA-Stack. Da kommen dann gleich ein paar Meter mehr heraus.
    In dem Fall wäre ich nämlich mit meinen 10 ms noch im grünen Bereich gewesen.


    Soundbuster

  • Zitat von "Sound-Buster"

    Ja rechnen kann man das schon. Wobei sich die Frage stellt: Rechne ich z.B von der Snare
    die Mittig auf der Bühne steht im rechten Winkel bis zur gedachten PA-Linie oder diagonal
    bis zu einem PA-Stack. Da kommen dann gleich ein paar Meter mehr heraus.
    In dem Fall wäre ich nämlich mit meinen 10 ms noch im grünen Bereich gewesen.


    Soundbuster


    Der Ansatz ist anders, und zwar an der Hörposition, nicht von der Quelle ausgehend.


    Ganz wissenschaftlich wäre das so:
    Der Laufzeitunterschied am Punkt gleichen Schalldrucks zählt.


    Über den Daumen ist das ein Punkt in etwa mittig vor der Bühne am inneren Rand der Lautsprecher-Coverage. Und da kommen wir im kleinen Club wahrscheinlich seltenst auf die 2 Meter. Bei ganz wenig tiefen, dafür aber recht breiten Bühnen kommt man je nach PA-Setup teilweise sogar auf negative Werte.

  • Ich habe das mal nach Praxis geholt, weil sich aufsummierende Latenzen allgemein ein Problem digitalen Equipments sind und kein spezifisches 'Audio on PC' Problem und es hier um die Auswirkung in einer realen Beschallungssituation geht.


    Das Problem entsteht primär nicht dadurch, dass die PA "zu spät" ist, sondern dadurch, dass Du zu viele Anteile gleicher Lautstärke mit unterschiedlicher Laufzeit hast. Das ist das Hauptproblem von "Clubsound". Ferner gibt es immer das Latenzproblem Backline-PA durch unterschiedliche Laufzeiten zum Zuhörerohr, auch wenn in der PA alles analog = 0 ist. Die fehlende Direktheit entsteht nicht nur durch das Interferenzproblem zwischen gleich lauten Anteilen von der Bühne und aus der PA im Publikum sondern mehr noch durch reflektierte Anteile aus der Bühne ( immer vorausgesetzt, der Club hat ein vernünftiges Beschallungskonzept ) die auf den kurzen Wegen zum Publikum kaum an Pegel verlieren.


    Du hast also meiner Meinung nach weniger ein PA-Latenzproblem als ein 'zu laute Backline' Problem.


    Lösungsansätze:
    1. backline viel leiser -> es gibt weniger Anteile gleicher Lautstärke und weniger reflektierte Anteile und damit weniger Interferenz.
    Wenn das Musikerinkompatibel ist ->
    2. PA viel lauter -> ändert ebenfalls das Lautstärkeverhältnis und ( immer voraus gesetzt, die PA hat eine geeignete Direktivität ) einen höheren Direktschallanteil mit weniger Reflektion und Interferenz
    Wenn das Publikumsinkompatibel ist ->
    3. Das Lautstärkeverhältnis als gegeben hinnehmen und einen Referenzpunkt im Publikum suchen, an dem Du die größte Summe gleich lauter Anteile aus PA und Backline erwartest, dort messen und dann die Laufzeit korrigieren. ( siehe Christians Beschreibung ). Das macht Sinn, wenn es ein echtes "Frontalverhältnis" zwischen Bühnenraum und Publikum gibt, kann aber je nach Clubgeometrie, Bühnen- und Lautsprecheranordnung schwierig bis unmöglich sein. Dabei kommen nach meiner Erfahrung in Clubs Laufzeitkorrekturen heraus, die zwischen 0 und 12ms liegen, also oft nicht weit von deinen "Zwangs-10ms" weg.
    4. Einen Versuch mit einer noch größeren Laufzeit in der PA-Summe machen. ( Bitte ich will jetzt keine "Präzedenz-Diskussion" lostreten aber manchmal hört sich das wirklich weniger schrecklich an, wenn die Laufzeitdifferenz schon relativ groß ist ( z.B. 30 ms ) weil das Hirn zwei Quellen ortet. Natürlich ändert das prinzipiell nichts am Interferenzproblem.
    Wenn das nichts bringt ->
    5. Du änderst es im Mix. ( Jetzt bitte niiiieeeemals über Inputdelays nachdenken :roll: :D ) Du bist in der Lage herauszuhören, welche Anteile im Mix besonders problematisch sind und änderst deutlich die Lautstärkeverhältnisse ( der Klassiker: mach ma nur Vocals und Kick auf PA ) und/oder versuchst, die "im Club gleich laut auf PA und backline Klassiker" zu vermeiden ( z.B. Snare oder Gitarren )


    Wenn das nicht hilft, musst Du da leider durch, denn wie Du selbst bemerkt hast

    Zitat von "Sound-Buster"

    In dem Fall wäre ich nämlich mit meinen 10 ms noch im grünen Bereich gewesen.

    Deine 10ms sind nicht das eigentliche Problem. :wink:

  • Soundbuster[/quote]
    Der Ansatz ist anders, und zwar an der Hörposition, nicht von der Quelle ausgehend.


    Ganz wissenschaftlich wäre das so:
    Der Laufzeitunterschied am Punkt gleichen Schalldrucks zählt.


    Über den Daumen ist das ein Punkt in etwa mittig vor der Bühne am inneren Rand der Lautsprecher-Coverage. Und da kommen wir im kleinen Club wahrscheinlich seltenst auf die 2 Meter. Bei ganz wenig tiefen, dafür aber recht breiten Bühnen kommt man je nach PA-Setup teilweise sogar auf negative Werte.[/quote]


    Das mit den negativen Werten bei breiten Bühnen leuchtet ein. Aber bitte hilf mir mal kurz
    auf die Sprünge: Die Hörpostion ist doch immer verschieden, die Quelle aber immer gleich weit
    von der PA entfernt.?

  • Hi Guma,


    danke für Deine Lösungsansätze:
    Punkt 1 bis 3 leuchten ein.
    Punkt 4 erfordert wohl etwas Risikobereitschaft, werde es bei Gelegenheit mal probieren.
    Punkt 5: Logisch, Inputdelays würden das ganze eher verschlechtern. Es sei denn es gibt irgendwann "vorausschauende-negativwertige Inputdelays" :wink:


    Soundbuster

  • Zitat von "Sound-Buster"

    Das mit den negativen Werten bei breiten Bühnen leuchtet ein. Aber bitte hilf mir mal kurz
    auf die Sprünge: Die Hörpostion ist doch immer verschieden, die Quelle aber immer gleich weit
    von der PA entfernt.?


    1. Die Entfernung der Quelle zur PA ist irrelevant.
    Wichtig ist der Laufzeitunterschied der beiden Quellen (Backline und PA) an der Hörposition. Versuch einfach vom Ohr aus "rückwärts" zu denken.


    2. Eine Position auf Achse der PA könnte z.B. dazu führen, daß die Backline nicht so laut ist, wie die PA. Sie sollte sogar dazu führen. An dieser Hörposition ist die Latenz egal. Außerhalb der PA-Coverage wird es spannend. Also bei einer normalen R/L-PA nach innen zur Bühnenmitte. Die Backline wird im Verhältnis lauter, die PA leiser. Irgendwann kommt der Punkt, an dem beide gleich laut sind (hoffentlich relativ spät, im Idealfall kommt er gar nicht oder genau an der Bühnenmitte). Dieser Punkt ist relevant. In der Realität können eine Timbales oder die Amps von Chuck Berry auch im 1200er Club einfach zu laut sein und konsequenterweise aus der PA verschwinden. (guma #5)

  • Seltsam nur, dass dieser Effekt in meinem Fall sowohl außerhalb als auch innerhalb
    der PA Coverage (eigentlich im ganzen Raum) zu hören war. Hier spielten wohl die
    Reflexionen vom noch leeren Raum eine weitere Rolle.
    Da fällt mir gerade ein: Ich hätte nach dem sich der Raum mit Puplikum gefüllt hatte,
    probehalber die Plugins wieder aktivieren können um zu testen ob sich das beschriebene
    Problem nicht von selbst erledigt hätte! :idea:
    Na ja, wehr zu spät kommt, den ....


    Soundbuster

  • Jetzt wurde hier ellenlang spekuliert, wo das "10ms-Problem" liegen könnte ... und am Ende die schlichte Erkenntnis, dass es indoor nun mal anders klingt als outdoor. :roll:

    Ich denke, also bin ich hier falsch.

  • Zitat von "Kai Pirinja"

    Jetzt wurde hier ellenlang spekuliert, wo das "10ms-Problem" liegen könnte ... und am Ende die schlichte Erkenntnis, dass es indoor nun mal anders klingt als outdoor. :roll:


    Der Unterschied Indoor / Outdoor stand nicht zur Frage. Die Überschrift lautet ja auch " in kleinen Räumen". Ich hatte mit dem gleichem Setup z.B Indoor in größeren Räumen (Hallen ab
    30 Meter) bisher keine Probleme. Daher war also meine Frage ob Kollegen mit kleinen Räumen
    ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Die bisherigen Meldungen empfand ich jetzt nicht als Spekulationen, sondern eher als konstruktive Beiträge.


    Soundbuster

  • Ja, die bisherigen Beiträge waren durchaus konstrukitv und (seit langer Zeit mal wieder) wirklich interessant.
    Ich hatte ein wenig den Verdacht, dass du hier das "normale" Verhalten von Raumakustik nicht richtig einschätzt und ein ungewöhnliches Problem vermutest, wo gar keines ist.

    Ich denke, also bin ich hier falsch.

  • 10ms sollten eigentlich kein Problem sein.


    Ich delaye sehr gern meine Anlage passend zur lautesten Quelle - zzgl. Pi x Daumen ca. 1/2 Haase :lol: .


    Meist vergleiche ich das von mir eingestellte Delay nochmal mit geschlossenen Augen.
    Ich drücke den Softkey dann so oft, bis ich nicht mehr weis, ob es an oder aus ist.
    Bis jetzt konnte ich es immer heraushören -
    der Gesammtklang wirkt nochmal deutlich aufgeräumter.


    Wobei ich es bei meinen VAs sehr oft so ist,
    das Bühne und PA ähnliche Pegel haben,
    da die Gesammtlautstärke moderat werden soll.

  • Mir ist bis dato auch noch kein Audiogerät untergekommen, dass in der Lage ist Signale zu bearbeiten, noch bevor diese überhaupt endstanden sind.
    Bei Handrecordern liest man ab und zu die Funktion "pre recording" gemeint ist dabei eine Aufnahme noch bevor man den Recordbutton gedrückt hat. Aber auch das ist nicht unbedingt
    wörtlich zu nehmen und eine andere Geschichte.


    Soundbuster

  • Das muss ein Fake sein. Seit wann bietet BSS ungefragt und ohne Aufpreis/ Adapter-/ Nachrüstkit symmetrierte Ein- und Ausgänge an? :shock:
    Sooo einfach lassen sich gestandene Tonler hier nicht hinters Licht führen!


    Mit freundlichem Gruß
    BillBo

    "Okay. Wir machen das mit den Fähnchen."

  • Zitat von "Sound-Buster"

    ...
    Bei Handrecordern liest man ab und zu die Funktion "pre recording" gemeint ist dabei eine Aufnahme noch bevor man den Recordbutton gedrückt hat. Aber auch das ist nicht unbedingt
    wörtlich zu nehmen und eine andere Geschichte...


    stimmt, das ist eine andere geschichte.
    trotzdem kann man das wörtlich nehmen, denn das funktioniert hier tatsächlich.
    in diesem falle ist es nämlich so, dass die audiospur immer über einen zwischenspeicher aufgenommen wird. sobald man die record-taste drückt, wird dieser zwischenspeicher auf das medium geschrieben, danach folgt dann die laufende aufnahme in echtzeit direkt auf das medium.
    mit diesem trick wir also auch die zeit vor dem drücken der taste aufgenommen.
    eine durchaus clevere idee! :wink:


    aber auch dieses system kann kein signal aufnehmen, bevor es überhaupt passiert ist 8)

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang