Diskussion über Arbeitszeiten

  • Was mir noch eingefallen ist: es gibt ja hier auch das Prinzip des unselbstständigen Freelancers - Die meisten Firmen drücken sich allerdings davor solche zu beschäftigen, weil der administrative Aufwand zu hoch ist. Ich könnte mir allerdings vorstellen dass die ein oder andere Handagentur auf der Basis arbeitet. Von den Jungs sehen auch nicht immer alle topfit aus...:rolleyes: Allerdings gibt es auch ein paar, die immer erst mal von der anderen Seite der Grenze anreisen und nicht selten danach auch wieder heim müssen.


    Im übrigen hatte ich in meiner Welt bis jetzt noch nie den Eindruck ich würde jemanden nerven indem ich einen Auftrag nicht annehme. Meistens kommt die Anfrage ja sowieso einfach zu spät. Was eher u.U. passiert ist ein dämliches Timing, wenn die Anfrage/Buchung zuerst recht undefiniert war und man 3 Tage vorher erst in der Crewinfo die Zeiten erfährt. In dem Fall habe ich tatsächlich auch schon den einen oder anderen Job kurzfristig an einen Kollegen abgeben können oder zumindest Stunden einsparen, also früher gehen oder später anfangen. Man muss nur darüber reden und es darf natürlich kein Dauerzustand sein.

    Freelancer für Audio Beschallung/Recording seit 2003 - Alle Beiträge spiegeln meine persönliche Meinung/Erfahrung als von Herstellern & Vertrieben unabhängiger Tonmensch wieder

  • Ganz genau das ist ja mein Argument! Er weiss es nicht und hat keine Verantwortung.

    Hmm.... ich habe jetzt kein entsprechendes Urteil zur Hand, vermute jedoch, dass im Ernstfall die Juristen das anders sehen werden, und zwar "er weiß es nicht und muss es daher erfragen".


    Für "Sicherheits in der Veranstaltungstechnik" gibt es die Checkliste "Fremdpersonal", und da wird bezüglich der Arbeitszeiten erfasst:

    Zitat

    Mein Arbeitsbeginn heute war ________________________


    Die davor liegende Ruhezeit in Stunden ________________________


    Anzahl der Sonntage, die ich dieses Jahr bereits gearbeitet habe ________________________


    o Es liegt eine Bewilligung für längere Arbeitszeiten nach § 15 ArbZG vor


    Und das ist nicht nur die Verantwortung des Auftraggebers, sondern ggf. auch des baurechtlichen Betreibers, wenn wir uns im Anwendungsbereich der Versammlungsstättenverordnung befinden.

    Bitte keine fachlichen Fragen per PM - Inhaber von dBmess

  • Zu meiner Zeit gab es das nicht. Finde ich aber gut wenn sowas gemacht wird.

    Gibt es denn zum Beispiel auch den Fall das man einen Job nicht antreten darf weil man nicht genug Pause hatte? Wenn es nur gefragt wird und dann nichts passiert ist es ja auch doof.

    Es soll ja darum gehen das nichts passiert und nicht wer schuld hat.

    Practice, Practice, Practice

  • Ich hab mal ein bisschen Text gesammelt... wie üblich gehen Zeiten und zahlungen irgendwie hand in Hand, insofern möge man mir verzeihen wenn das nicht rein auf die Arbeoitszeiten beschränkt ist.



    audiobo schrieb:

    Hat denn noch jemand hier echte Ideen wie man zu lange Arbeitszeiten mit hohem Gefährdungspotenzial, unabhängig davon auf welcher Basis abgerechnet wird, vermeiden kann?


    Denke es gibt mindestens zwei Hebel:


    Extern:

    Effektiver Ansatzpunkt ist sicher den gute Ruf des Kunden an die große Glocke zu hängen. "Wollen SIe wirklich namentlich in der Zeitung erwähnt werden, weil ein Techniker auf Ihrem Messestand schwer verunfallt ist?" - "Ach nein, dann ist das ja mit der Personalkalkulation geklärt..." Das muss man aber dem Kunden so verklickern. Ist natürlich schwer, weil bei den großen Baustellen der Standleiter und die Einkaufsabteilung u.U. in ganz anderen Bundesländern sitzen und lieber Zahlen statt Menschen sprechen lassen.


    Intern:

    auf der höheren Ebene:

    Leute gehen lassen wenn sie nix mehr zu tun haben, statt nochmal eine Stunde Kisten von a nach b schieben lassen, drüber zu philosophoeren was man alles in den nächsten Tagen vielleicht machen könnte, statt morgen zu gucken was denn der Messebau in der Nachtschicht wirklich geschafft hat. Warten in voller Mannstärke auf den Kunden der noch die gefürchtete Abnahme macht, bei der dann doch nix ist. Warten auf die Kollegen die nur noch schnell eine LED-Wand bauen müssen, oder weil die Rennleitung nochmal das Wort zum Sonntag vor versammelter Mannschaft breittreten muss.

    Bin auch gerade mal drei Tage vom Job heimgefahren, weil einfach nix sinnvoll zu tun ist. Steht man dem Kunden nicht auffallend unbeschäftigt im Weg herum, kann seinen privaten Krempel erledigen und wird nicht durch den Krach auf den Fluren des Hotels vom Schlafen abgehalten sondern sägt in die eigene Matratze.


    Mehr Eier und weniger Pipi im Auge bei Standbyzeiten vor einer VA. Was soll das Crews um halb sieben morgens antanzen zu lassen wenn um zehn die Show losgeht. Gerade im Automotive-Sektor drehen einige Agenturen regelmäßig komplett am Riesenrad... Da ist die Crew schon wieder unkonzentriert bevor es überhaupt losgeht - das macht das Ergebnis am Ende nicht besser.


    Öfter den großen Quittungsblock zücken. Ich habe es schon erlebt dass man in zwei aufeinanderfolgenden Nachtschichten einen großen Messestand mit dreistelliger Lampenzahl auf ca. 40 Fahrzeuge jeweils(!) komplett neu leuchten musste. Heute Autos parallel zur Standkante gestellt, morgen Karren um 45° gedreht, zu Messebeginn dann doch lieber wieder alle Autos gerade stehend. Also zwanzig Manntage mit hoch riskanter Höhenarbeit in Nachtschichten völligst für die Katz anmoderiert. Und das nur weil keiner den Arsch in der Hose hat zu sagen: Für Euch Agenturschluffis machen wir das natürlich gerne, kostet aber nachträglich massiv Geld (Mehr Crew, Nachtschicht, Höhearbeit etc).

    Und dazu direkt unterschreiben lassen dass die Person die diese Zusatzarbeiten ansagt auch voll in der Haftung mit drinhängt. Dann sieht das sicherlich meistens auch ohne "alles neu" so toll aus wie noch nie vorher...


    Aufhören sich für jeden Scheiß verantwortlich zu fühlen und dies und das noch schnell mitmachen. Der Elektriker baut auch nicht die Küche mit auf, obwohl der Herd einen Stecker dran hat. Noch schnell ein Banner hier aufgehängt, dort noch den Strom für den Caterer gelegt und dem Kunden geholfen den Abfluss für die Kaffeemaschine noch irgendwie hinzufrickeln. Das kostet dann die Zeit, die man eigentlich zum regenerieren und sicher nach Hause fahren benötigen würde. Und kostet indirekt Geld, denn diese Dienstleistung benötigt eigentlich einen persönlichen Babysitter, den man auch verrechnen könnte.


    Dem Kunden die eigene Sichtweise schmackhaft machen. Was soll der Blödsinn am Sonntag nachts eine komplette Crew antanzen zu lassen um noch die Bühne vom Marktplatz zu kloppen, statt einen Wachmann für ein paar Stunden zu bezahlen und die Bühne bei Tag und mit ausgeschlafenen Leuten wegzubauen. Schont die Nachbarn und das Personal - und würde der Kunde selbst sicher auch lieber so machen wenn er mit anpacken müsste.

    auf persönlicher Ebene:

    Einfach mal "Nein" sagen und notfalls ohne Kohle und Folgejob für die Firma direkt von der Baustelle gehen bevor die Gesundheit leidet. (Bzw. wenn absehbar ist dass die Nummer eh chaotisch wird den Job gar nicht erst zusagen - man kann ja im Vorfeld interessehalber Fragen wer die Projektleitung macht, man kennt seine Pappenheimer ja oft.)

    "Nein" sagen wenn man früh um sechs ins Auto steigen soll um zwei Stunden zum Job und abends wieder zurück fahren soll. Ob man nun 1,5 Tage für eine halsbrecherische Nachtfahrt oder für die Heimfahrt am nächsten Vormittag mit Frühstück im Bauch berechnet kommt doch unten rechts aufs gleiche raus. Dafür bleibt das Auto heile und die Mitfahrer auch. Muss der Kunden eben ein Hotelzimmer buchen, steht dafür aber nicht mit einem Bein im Knast.

    BTW: man hat mir neulich gesteckt dass scheinbar sogar Crewtransporte strenggenommen für Fahrer ohne Personenbeförderungsschein nicht rechtens sind, da gewerblich gefahren wird. Noch ein Grund mehr lieber keine Unfälle zu produzieren.


    Auch wenn es immer pauschal zu wenig Kohle gibt: Überstunden wenigstens mit 1/8 statt 1/10 Tagessatz abrechnen, oder gleich in 1/4 oder halben Tagessätzen nachberechnen. Es muss darum gehen ein Bewusstsein zu wecken, dass es bei Überstunden darum geht eine Leistung abzufordern die deutlich außerhalb des regulären Pensums liegt.

    Wer nach Ladenschluss noch eine Tüte Nudeln braucht zahlt ja auch mehr an der Tanke als tagsüber im Supermarkt - der macht nämlich keine Ausnahme wenn die offiziellen Öffnungszeiten rum sind.

    Auch nicht wenn man eine ganze Palette Nudeln kaufen möchte.


    Außerdem darf die Summe der Überstunden nicht weniger kosten als zusätzliches Personal - sonst wird das ein immerwährendes Perpetuum mobile bleiben.

    Die Planungsgrundlagen "Ihr seid ja eh schon da" und "Wir zahlen das ja auch" zählen nicht. F*ckt Euch - plant Personal passend! Wenn man eine Crew regelmäßig nur auf 90% laufen lässt kann man auch mal wenn etwas verrutscht auf 115% Leistung hochschrauben - da ziehen am Ende alle an einem Strang.

    Wer aber immer auf 110% laufen muss knickt irgendwann auf 80% ein - und da passiert es dann.


    Bei den gern geführten Diskussionen um "Mischkalkulationen" ist es natürlich ein Geben und nehmen. Trotzdem verweise ich gerne auf die Juniortüte bei McDonalds. Da würde nie jemand auf die Idee kommen eine kostenlose zweite Tüte Pommes oder noch ein Spielzeug haben zu wollen. Und den Burger zurückgeben und auszahlen lassen fällt auch flach falls man sich beim Hunger verkalkuliert hat. Und Rabattkarten gibt es dort auch nicht wenn man vier Wochen am Stück regelmäßig dort speist. Also was solls... Weg von zu Hause ist weg von zu Hause und damit läuft die Uhr, ist nicht wirklich mein Problem wenn Bereitschaft gefordert aber nicht abgerufen wird.


    GAAANZ WICHTIG:

    Sich selber nicht anlügen.

    Gibt zwei Fälle:

    a) Ich bin gut, dann habe ich einen Preis, und es gibt definitiv mehr Bedarf an guten Leuten als Personal am Markt ist.

    b) ich bin nicht so gut, dann entweder ganz schnell gut werden, oder aufhören. Aber nicht irgendwie mitschwimmen und den anderen die Suppe versalzen.

    Die Einstufung wird leider oft aus persönlicher und externer Sicht sehr unterschiedlich ausfallen...



    ThoSchu: je nach Ausformulierung der Rechnung geht das im einen oder anderen Fall mit der echten Freiberuflerschiene bei mir so durch :)


    Zu meiner Zeit gab es das nicht. Finde ich aber gut wenn sowas gemacht wird.

    Gibt es denn zum Beispiel auch den Fall das man einen Job nicht antreten darf weil man nicht genug Pause hatte? Wenn es nur gefragt wird und dann nichts passiert ist es ja auch doof.

    Es soll ja darum gehen das nichts passiert und nicht wer schuld hat.


    Quelle: https://www.bmas.de/SharedDocs…df?__blob=publicationFile

    Tägliche Arbeits- und Ruhezeiten
    Grundsätzlich haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
    ihren bewährten Acht
    ­Stunden­
    Tag. Nach Feierabend besteht
    Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden.
    Und: Niemand darf länger als sechs Stunden ohne Ruhepause
    arbeiten.


    Gilt gemäß Definition für Angestellte, wird das jeder BG-Gutachter und Versicherer im Schadensfall aber erstmal als Stand der Technik bzw. geltendes Recht heranziehen. Bezweifle aber sehr stark dass bei Personalbuchungen da wirklich drauf geachtet wird, es wollen ja alle "selbständig" sein...

    Ich kenne bisher nur einen einzigen Kollegen der eine Klausel in seinen AGBs hat, dass er bei unzureichenden Pausenzeiten zwischen zwei Schichten direkt einen Betrag X mit auf die Rechnung setzt.

    Das beseitigt die Ursache von zu kurzen Pausenzeiten zwar nicht, weist aber zumindet auf den Misstand hin.


    Also: Augen auf, und nicht verheizen lassen!

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    Nächste Messe: PLASA Leeds am 14. und 15. Mai, Stand R-C10

  • "Mehr Eier und weniger Pipi im Auge bei Standbyzeiten vor einer VA."


    You talking me out the soul.


    Btw.: Ich hab heute mittag auch mal den Helfer nach 4 Stunden (geplant waren 10, davon über 50% warten auf nix) nach Hause ausschlafen geschickt, als ich hörte dass er um 1 wieder auf der Matte stehen soll. Dazu noch einer der gerade scheinbar zum ersten Mal eine VA von hinten sieht.

    War zwar ungünstig dass ich doch noch mal was umhängen musste, dank des bevorstehenden Abbaus der dazugehörigen VA nebenan aber auch kein Problem kurz Hilfe zu bekommen. Es geht schon, wenn man will.

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  • Wie habe ich es gehasst:


    Crewcall um 06:00 Uhr, alle Gewerke gleichzeitig (weil ja so viel Zeug zu bewegen ist)

    Um 06:02 Uhr ein paar Kreuze auf den Boden gemalt mit Gewicht daneben.

    07:00 Uhr Ton Truck entladen.

    07:02 Uhr völliges Chaos in der Halle, weil sich alle Trucks gleichzeitig ergossen haben.

    07:03 Uhr Helfer werden meistbietend versteigert, Tetris ist angesagt

    07:05 Uhr ich resigniere

    Catering ab 11:00 Uhr, da ja lokale Crew

    14:00 Uhr der erste Tonpunkt hängt, aber die Motorsteuerung ist noch in Benutzung

    16:00 Uhr Ich könnte jetzt arbeiten, aber unser Motorstrom ist um verlegt.

    18:00 Uhr Bühne steht

    19:00 Uhr alle Kisten vom Ton wieder gefunden

    20:00 Uhr PA hängt und Bühne ist halbwegs bestückt

    21:00 Uhr zwei pulte reden miteinander und PA ist online

    22:00 Uhr Messmikrofone verteilt, erstes Signal aus der PA

    22:01 Uhr Cholerischer Anfall bei Regie und Video wegen dem Lärm

    22:02 Uhr Toncrew geht nach Hause, wir sollen doch morgen früh vor 09:00 Uhr endlich unseren Kram an den Start bringen, denn ab da sind Proben bis Show Start um 20:00 Uhr inklusive Stand by für Stand by


    07:00 Uhr Warum verdammt noch einmal haben wir keinen Strom?

    09:00 Uhr Proben, Show wird 2 mal umgestellt

    13:00 Uhr Mittagspause fällt aus, weil die Einspieler editiert werden müssen

    20:00 Uhr Show läuft

    21:00 Uhr Agenturchef kommt, weil er etwas vergessen hat. Was spielen wir eigendlich für Musik in den Pausen? Hat jemand eine coole Playlist?

    21:01 Uhr coole Techno Musik bei der LKW Präsentation

    21:02 Uhr Kunde wünscht sich Truck-stop

    23:00 Uhr Offizieller Teil vorbei, also Abbau

    23:01 Uhr Kunde ist besoffen und wir waren alle so unglaublich Geil, wir haben Geschichte geschrieben. Der nächste Auftrag ist schon klar. Aber jetzt müssen wir das feiern!

    23:02 Uhr Crew baut um den Kunden herum ab, Catering ist verschwunden, letzte Gäste bepöbeln die Crew, wie man so unsensibel sein kann.

    01:00 Uhr Nachdem wir von Alu erschlagen wurden und die Videocrew nicht da ist, hat Abteilung Rigging unsere Motoren Fahrbereit gemacht.


    ...Den Rest könnt Ihr Euch denken


    Das war meine letzte VA als Techniker

  • Ich glaube ich mach mal eine Kolumne auf zu meinen Geschichten.


    Klar hatten wir Helfer und was man so Catering nennt (Vegetarier? Nimm doch die Wurst aus der Suppe. Zu Helfern: Helfer kommt von helfen, wenn die aber auch sehen, das die Produktion völlig fehl geplant ist, ist die Hilfsbereitschaft schnell weg).


    Außer in Russland, da wird das XL4 gerne mal getragen anstatt es zu rollen.

  • Wusste gar nicht dass wir mal auf dem selben Job waren - ach ne warte, die sind ja alle so?

    und naturgemäss ist das Truss in den letzten LKWs ganz hinten


    Ne Stop, da sind ja die Motoren ?

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  • "Welches ist denn die Videokiste?" - "Na eine von den (200) grauen da - musst du mal auf's Tourlabel schauen."

    "Hast du mal die Ladelisten da, damit ich meine Sachen finde?" - "hmm..jiaaa... ich hatte eine ausgedruckt - lag auch eben noch hier..."

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  • Mir ist eben noch ein älterer Beitrag von Quarks&Co zu dem Thema Schafmangel eingefallen - auch und vor allem darum geht es ja bei den Arbeitszeiten:


    http://dokustreams.de/quarks-co-risiko-schlafmangel/


    Ob man den Stil der Sendung mag oder nicht, es ist auf jeden Fall sehenswert, möchte man sich mit dem Thema auseinandersetzen. Dauert übrigens knapp 40 Minuten, die Zeit sollte man sich aber mal nehmen.


    Es gibt auch noch ein pdf dazu:

    http://www.wdr.de/tv/applicati…ks/pdf/Q_Schlafmangel.pdf

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  • Zitat

    Das war meine letzte VA als Techniker

    Das war meine (bisher) letzte VA als Techniker:


    12:00 Get in Hauscrew. Ein knappes Stündchen eher da, weil Frühstück ab elf. Anschließend eine Viertelstunde FOH für Gastpult einrichten.

    13:00 Load in Band. "Wir brauchen von euch 5x Galgen groß, 3x Galgen klein, Bühnenstrom je 1x SR, SL, Bühnenvorderkante L + R; Rest haben wir selbst dabei." Okay, das klingt machbar. Zum Glück gibt's Helfer.

    14:00 Versteht sich das Gastpult mit dem Haus CAT? Jepp, läuft.

    14:10 Süppchen.

    14:30 -17:30 Sitzplatz Treppe schräg hinterm FOH. Boah, ist das Internet heute wieder langsam. Zum Glück sind's nur 10m Fußweg zum Catering. Warmer Käsekuchen! Sensationell!!

    18:00 Abendessen ist fertig. Puh, jetzt schon?

    18:50 Einlassmusik Start.

    19:20 Opening Act. Kurz mal durch den fast ausverkauften Laden wandern und überprüfen, ob auch in den Nebenarealen tonmäßig alles passt.

    19:50 Changeover. Hauspult für den Opener wegrollen und Plane drüber.

    20:00 Showstart Hauptact. Alles okay für euch? Super, Zeit für's erste Feierabendbier.

    22:00 Curfew und Changeover auf Teenie- Disco.

    22:30 Der FOH ist weg, das letzte Stativ ist im Case. Feierabend! Zeit für zweites Feierabendbier. Ich muss noch Auto fahren; eiserne Regel: NIE mehr als 2 kleine Bier. Schade.

    23:30 Ich lieg im Bett und kann nicht einschlafen. Verdammt, das viele Essen.


    Mir hat vor längerer Zeit mal ein richtig wichtiger Tonler erklärt, dass bei 'Industrie' alles super schick und cool geregelt ist, man es dort ausschließlich mit echtem Hightech und echten Profis zu tun hat, und alle sich dort über die müffelnden, ausgezehrten, täglich 18 Stunden malochenden Rockenroller lustig machen würden. Da habe ich mich ein bisschen geschämt. Ich glaube auch mich erinnern zu können, in diesem Zusammenhang zum letzten Mal das Wort 'amtlich' gehört zu haben.

    Ist jetzt ein paar Jahre her. Kann es sein, dass ich diesbezüglich nicht mehr so richtig auf dem Laufenden bin?


    Mit freundlichem Gruß

    BillBo

    "Okay. Wir machen das mit den Fähnchen."

  • mein heutiger job:

    15:00 ankommen

    15:10 Anlage einschalten

    15:15 4 Mikros mit neuen Akkus füttern

    15:20 Mikros mit der iPad fernsteuerung auf der anlage testen

    - dann mit den Kollegen über dies und das reden.

    - material für einen kommenden job vorplanen

    17:00 abendessen, ich bestelle mir was von der kneipe gegenüber - es wird angeliefert.

    18:00 ankunft der redner

    18:10 jetzt wollen sie also doch mikros am rednerpult haben... also nochmal hoch in die regie, um die inputs zu patchen

    18:20 erfahren, dass auch der tisch für den redner verstellt werden soll. also laptop-ton neu verlegen

    18:25 wieder hoch in die regie zum patchen... aufregen über den völlig unnötigen stress... "wenn man das vorher gewusst hätte, hätte mans nicht doppelt machen müssen" ... "einmal mit profis arbeiten"... usw...

    18:30 rednerpult mikros und laptop ton mit iPad fernbedienung testen. alles prima

    18:45 erfahren, dass heute gar kein laptop-ton benötigt wird (himmelherrgottusw.)

    19:00 einlass

    19:30 einführungsrede am rednerpult

    19:40 eingentlicher redner startet (1x headset)

    ein guter vortrag eines psychologen über ablenkungen durch modernen kommunikationsterror - und wie man sich ein bisschen davor schützen kann.

    20:45 rückfragen aus dem publikum: ich bin also total gefordert, die beiden zusätzlichen saalmikros entsprechend auf- und zu zu machen...

    21:00 buffet für die gäste

    21:00 tonanlage aus

    24:00 alle gäste weg, catering hat abgebaut

    00:10 haus abschliessen


    was´n stressiger arbeitstag. aber wenns bezahlt wird... ;)

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

    Einmal editiert, zuletzt von wora ()

  • 12:00 Uhr Soundchecks für ein Festival der elektronischen Musik beginnt.


    12:01 Uhr Bands treffen ein, Koordination der Gewerke beginnt. Ich ziehe mich als Stagemanager zurück alles zu besprechen. 8 Helfer werden mir von der Produktion zur Seite gestellt. Nur "unerhebliche Größen" sollen spielen.


    Ich bin halt mal für die Bühnen Crew für ein paar Minuten verschwunden. Entsetzen mach sich breit, weil keiner auf der Bühne weiß was zu tun ist.


    Ja nun, solche Umbauten wollen besprochen sein. Und das wirklich gut! Da kommen Antworten nicht im 12:15 Uhr Meeting.


    Video Wall auf und abbauen, extra Licht rein und raus. Alles nicht so einfach.

    Local Matadoren mit 6 eigenen Lichttürmen, rollbar.


    Aber es kann gelingen, alle Bedürfnisse an Crew und Band zu erfüllen, inklusive würdevolle Betreuung im Backstage. Danke an Richy Hecke.


    Klar summieren sich die Stunden, aber als Stagemanager ist die Verantwortung eine andere als bei Technikern und Riggern. Das sind auch mal 18h ok. Trotzdem darf man in der Position nicht übermütig werden. Crew first.


    Wie viele Riser benötige ich und wann oder warum, kann ich diese doppelt belegen? Wer baut die um?


    Wie bekomme ich die um die Videowall und ab wann ist die im Festival Ablauf im weg. Welche Ladesituation finde ich vor, wie kann ich diese Verbesserern (Licht und Kompetenz). Sind alle Wege sicher?


    Und was, wenn ein Gewitter aufzieht?


    Fragen über Fragen. Aber nicht zu Lasten der Crew.

  • ähmmm...


    die einen haben das Glück/die Genugtuung dank Job in der Heimatvenue und 35 Jahren Vorarbeit gelegentlich mit echten Luxusproblemen gesegnet zu sein,

    die andere Seite bestätigt gerade dass man als Produktionsleiter eben auch mal 18 Stunden am Tag auf die Uhr bekommt, damit wenigstens die Crew nicht komplett am Zahnfleisch geht.


    Ja was denn jetzt???


    Klar hat jeder mal seine Sternstunden, ich hatte auch schon Tage an denen man für drei Stunden Anwesenheit einen ganzen Satz aufrufen konnte, aber eben auch genügend andere.

    Mit etwas Blick über die Meterbridge wird sicher klar, dass der Großteil der Tagewerke in unserer Branche nicht als "Kofferjob" erledigt ist, sondern ganz klassisch mit echter Muskelarbeit.

    Und nicht jeder hat mit Livesound zu tun, das ist imho eher der kleinere Teil der Branche. Industrie und Messe sind da ganz andere Geschütze mit teils vierstelligen Manntagen auf einer einzigen Produktion, da ist das klassische "Truck laden" irgendwo im unteren einstelligen Bereich des Arbeitsumfanges, der Rest orientiert sich an mehr oder weniger präzise aausgearbeiteten Bauzeitenplänen. Da ist dann nix mit um 11 zum ersten Kaffe ins Catering schlurchen, sondern eher früh um acht antreten und solange machen bis man soweit vor/hinter dem Messebauer hergearbeitet hat, dass der nächste Tag nicht völlig eskaliert.


    Insofern finde ich obige Berichte zwar durchaus unterhaltsam, meiner Meinung nach auf einen großen Teil der Veranstaltungsbranche aber nicht anwendbar. Alleine schon was auf großen Messen beim Rigging passiert - das ist eine ganz andere Liga als Kofferjob.


    Auch nicht auf den Festivals - da kommt ja doch bei den größeren Geschichten bei Licht&Rigging die Spätschicht gerne mal um 20 Uhr. Erst den Mainact auf die Bühne bringen, danach das Tourgerümpel wieder rausmontieren, dann bleiben ein bis zwei Stunden um das Festivalsetup zu restaurieren und für den nächsten Mainact vorzubereiten bevor um drei die nächste Produktion mit den Hufen scharrt. Je nach Aufwand schleicht man dann früh zwischen vier und sieben von der Bühne, so echte Romantik ist das nicht für mich.

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  • 35 Jahre Vorarbeit ist ein gutes Stichwort. Denn es beschreibt eine ganz natürliche (und notwendige!) Entwicklung.


    Wer jung ist nimmt sich normalerweise viel vor, übernimmt sich dabei hin und wieder auch, und lernt dadurch letztendlich seine Grenzen kennen. Wer seinen Beruf dabei tatsächlich seinem Wortstamm gemäß als 'Berufung' erlebt/ empfindet, denkt über so etwas wie Arbeitszeiten nicht einmal nach. Ich habe mit 17 teilweise die Schule geschwänzt, um im Bandproberaum an Spanplattenboxen rumschrauben zu können. Und wenig später waren 24Std./ Tag für Jahre völlig normal – ausladen, aufbauen, Show, abbauen, zum nächsten Gig fahren, aufbauen, usw. usw.; geschlafen wurde im Sitzen neben dem, der den überladenen Siebenhalber fahren musste. Aus heutiger Sicht haarsträubend, und sicherlich das eine oder andere Mal dabei auch Glück gehabt, dass nichts Schlimmes passiert ist. So weit, so schlecht – so ist die Jugend nun mal; andere suchen und machen ihre Grenzerfahrungen in Komasaufen, Dauerparty oder Extremsport.


    ABER: wer daraus nicht irgendwann lernt und 30 oder 35 Jahre später immer noch regelmäßig 18Std.- Keulerschichten schiebt (schieben muss?), der muss sich definitiv fragen lassen, ob bzw. warum er es in all den Jahren nicht geschafft hat, Anspruch und Wirklichkeit des beruflichen Wirkens in halbwegs schlüssig zueinander passende Bahnen zu lenken. Wenn ich als Kistenschieber mit Schein für einfache Elektroarbeiten den Lebensstandard des Hochschulprofessors (Einstiegsgehalt regional unterschiedlich ab ca. EUR 3500 brutto) erwarte, werde ich das über längere Arbeitszeiten kaum bzw. überhaupt nicht auf die Reihe kriegen - falsche Erwartungshaltung; der private PKW wird wohl oder übel ein paar Nummern kleiner ausfallen müssen. Und wenn ich nicht lerne, bei 'unmoralischen' Arbeits(zeit)angeboten auch mal entschieden Nein zu sagen, habe ich am Ende überhaupt keine Zeit, mich mit offenen Augen hin und wieder nach weniger kraftzehrenden Einsatzgebieten umzuschauen. Das kann durchaus auch mal schief gehen und/ oder Geld kosten. Aber in 30 Jahren wird diesbezüglich sicherlich nicht alles schief gehen, sondern sich auch immer wieder mal die eine oder andere Gelegenheit bieten, seine persönliche Arbeitswelt in eine ruhigere/ angenehmer Richtung zu lenken. Und die weiß ich erst dann gebührend zu schätzen, wenn ich auch weniger angenehme Erfahrungen gemacht habe.

    Amen. :saint:


    Heutiger Arbeitsbeginn: 16:00 (Set Call eine Stunde vor Drehbeginn). Man hat mich vorgewarnt, dass es sich dafür voraussichtlich ausnahmsweise bis weit in die Abendstunden ziehen wird. Ich denke, das ist zu stemmen.


    Mit freundlichem Gruß

    BillBo

    "Okay. Wir machen das mit den Fähnchen."

  • @skyper:

    natürlich sind die oben genannten beispiele nur ein winziger auszug aus der erlebniswelt des veranstaltungstechnikers. ich denke es ging gar nicht darum, eine für alle passende stellenbeschreibung zu finden. eigentlich finde ich, das solche gigbeschreibungen vor allem eines sind: amüsant.

    vielleicht lässt sich aber auch etwas daraus ableiten:

    -->kann ich meine erlebnisse mit anderen vergleichen?

    -->wie nah oder wie weit liegt meine erlebniswelt von den kollegen entfernt?

    das wäre ja eventuell schonmal ein ansatzpunkt, die eigene situation besser einschätzen zu können.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang