(Kein) Öl ins Feuer? Digital vs. Analog

  • Öl ins Feuer? Digital vs. Analog


    Nachdem ich im Jahr 2009 sowohl als Musiker wie auch als Tech ein paar eher traumatische Erlebnisse mit dem Yamaha 01v96 hatte und auch anderweitig mitbekam, war das Thema Digitalpulte für mich eigentlich fürs erste abgehakt: "Bucht mich, wenn Ihr einen Analogtisch da stehen habt," sagte ich meinen Auftraggebern in der Folgezeit immer. Da kenne ich mich aus, weiss, was ich hab, und selbst, wenn ich ein Pult nicht kenne, finde ich mich mehr oder weniger sofort darauf zurecht. Eine sichere Sache also.


    Anfang Mai war ich für den Gig einer Cover- und Showband gebucht, für eine hessische Variante des Münchner Oktoberfestes. Bei der Band bin ich fester Ersatzmann des Stamm-Tontechnikers, der sich immer um die Organisation bzw. Abstimmung von Technik und Technical Rider kümmert und mich nach Bedarf bucht. Jedenfalls war eine lange Anreise (von München bis hinter Frankfurt, quasi in die alte Heimat von Eurem M4M), sechs Stunden Fahrzeit mit dem Bus, der für die Band gechartert wurde, Abfahrt gegen 3:30 Uhr früh, Aufbau und Soundcheck für uns von 10:00 bis 12:00 Uhr, dann Auftritt einer anderen Band, dann "meine" Truppe. Analogtisch war vereinbart, alles klar, kein Problem, auch nicht bei einem engen Zeitplan. Auf der Fahrt klingelt mich plötzlich gegen halb 8 das Handy aus dem Schlaf: Mein Auftraggeber verkündet mir, dass jetzt doch ein Digitalpult da steht, das Yamaha M7CL. Na großartig, und was jetzt?, will ich von ihm wissen. Es wäre ein Systech da, der das Pult für mich einrichtet und den ich alles fragen kann, alles kein Problem (wo nimmt der Mann morgens um halb 8 nur diesen Optimismus her? Ob das ein Problem wird oder nicht, sehen wir dann vor Ort!). Ausserdem sollen wir damit nur den Saalmix machen, es gebe ein eigenes Monitorpult.


    Wir kommen also einigermassen verschlafen am Orte des Geschehens an - so ein Bus ist nicht direkt ein rollendes Himmelbett. Zelt, Bühne, PA - alles da. Okay, zuerst die gute oder die schlechte Nachricht? Die gute ist die, dass der Systech vor Ort ausgeschlafen, nett und fähig ist. Die schlechte? Kein Monitorpult weit und breit zu sehen, was nur bedeuten kann, dass ich mich nebenbei mit sechs oder sieben Monitormixes befassen darf. Der Hammer allerdings: Die zwei Stunden Zeit für Aufbau und Soundcheck gelten für beide Bands zusammen - was die genausowenig wussten wie wir. Zwei Bands, ein Haufen Techniker, alle mit einigermassen betretenen Gesichtern - und kein Organisator vor Ort, den man mal fragen kann, wie das eigentlich nach Zeitplan gehen soll. Nun denn, wir fangen einfach mal mit dem Aufbau der Backline an. Die andere Band ist zum Glück ebenfalls sehr nett, es gibt keine Streitigkeiten oder Rivalitäten. Unser Zeug wird hinten aufgebaut, deren Sachen vorne, passt schon bei der großen Bühne (bestimmt 12 mal 8 Meter). Ach ja, und ein Hoch auf rollbare Drumriser!


    Die anderen fangen also an, nur eine halbe Stunde verspätet, ziehen ihr Programm knapp 2 Stunden recht lässig durch, so dass wir mit lediglich 20 Minuten Verspätung anfangen können. Es gibt zum Schluss der Veranstaltung ein hartes Ende, daher ist es ganz gut, dass sie einen Teil der Verzögerung aufgefangen haben. Nach dem Aufbau hat es nur für einen Linecheck gereicht, daher jetzt ein schneller Soundcheck mit Feinabstimmung bei den ersten paar Songs. Liebend gern würde ich ja behaupten, dass ich den Sondcheck nach kürzester Einweisung selbst durchgezogen habe. Hab ich aber nicht. Hier geht es um Geschwindigkeit, und daher macht das der Systech, der sich auf dem Pult bestens auskennt und ausserdem ein fähiger Tontechniker ist, zusätzlich richtet er noch ein paar Effekte ein, routet die Subgruppen nach meinen Wünschen und macht auch noch einen Teil der Feinabstimmung während des ersten Songs.


    Dann erst übernehme ich. Vielleicht schlecht für mein Ego, aber echt besser für den Ablauf der Show. Der Systech gleich nebendran, ich kann ihn alles fragen. Aber eigentlich ist es easy - Kanal auswählen, dann habe ich eine Batterie von Knöpfen für den EQ (vier Bänder, vollparametrisch, yay!), Ansteuerung der Effekte und Monitorwege, und für Gate und Kompressor zumindest die Threshold-Regler, welche ja bei laufender Show die wichtigsten Regler sind. Will ich in die Parameter der Dynamics, drücke ich auf den jeweiligen Threshold-Knopf und bekomme ein Menü, in dem ich alle Parameter im Direktzugriff habe. Sehr geil! Dann zurück, und ich bin wieder in der Übersicht, kann die EQ-Settings auf den Song abstimmen, oder, oder, oder. Wenn man auf den richtigen Knopf drückt, kann man sich sein virtuelles Siderack ansehen - 31-Band-EQs in allen Ausspielwegen, diverse Reverbs, ein Delay, und ein Modul, das ich mir für Special Effects reserviere und nach Lust und Laune verändern kann. Nach zehn Minuten ist alles so intuitiv, dass ich hinterher ganz schnell wieder vergessen habe, wie es eigentlich geht - so wie auf einem neuen, mir unbekannten Analogtisch: ich seh es mir an, finde, was ich brauche, benutze es und könnte hinterher nicht mehr sagen, ob z.B. die Taster für die Mutegruppen unterhalb der Subgruppenschalter lagen oder daneben. Es war halt da, ich habs benutzt, als ich es brauchte, und fertig.


    Jetzt fangen wir mal ein paar Rechenspielchen an. Ich habe an dem Pult 28 Kanäle anliegen. In JEDEM davon habe ich einen Kompressor am Start, dazu ein knappes Dutzend Gates bei den Drums und den Gitarren, am Bass und den Keyboards (die alle ein klein wenig rauschen und so wenigstens bei den Ansagen unhörbar sind). Dazu vier HE an Effekten und fünf Stereo-EQs à 3 HE. Macht summa summarum knapp 40 HE, die es in den Sideracks gebraucht hätte, einigermassen gut bedienbare Geräte vorausgesetzt. Wenn man sich mit Pinzettenbedienung abfindet, käme man vielleicht auch unter 30 HE, aber dann braucht es immer noch ein paar HE für Rackleuchten, etc. Irgendwie lande ich immer bei rund 40 HE. Macht drei riesige Racks, die man hätte schleppen und verkabeln müssen. Stattdessen stehen hier nur 4 HE für einen Doppel-CD-Player mit Bedienfeld rum ... Okay, es wäre ganz cool gewesen, mal einen Hall von Lexicon oder TC nutzen zu können, statt der eingebauten, immer leicht synthetisch klingenden Yamaha-Effekte. Aber zur Not bringe ich halt das nächste Mal meine liebsten Effekte in einem 2 HE-Rack mit ...


    Jedenfalls fange ich an, mir Gedanken über ersparte Schlepperei und die doch nicht so üble Bedienbarkeit von Digitalpulten zu machen.



    Ein paar Wochen später: Selber Auftraggeber, respektive Vermittler, anderer Job, andere Konsole. Es geht um Soundcheck und Beschallung der Probe einer Kirchenmusikgruppe. Da dies die erste von zwei Proben ist, ist der Soundcheck noch nicht gemacht. Auf- und Abbau entfällt, alles steht schon da und bleibt auch bis zur endgültigen Produktion - einem Gottestdienst mit Anwesenheit eines Bischofs - stehen. Für zweite Probe und Messe ist bereits ein Tech verpflichtet, ich mache quasi nur den Anfang, aber im allgemeinen mag ich diese Springerjobs. Ein Systech ist dabei, daher sage ich zu. Das Pult ist ein Digidesign Venue SC48, ein ziemliches Schlachtschiff im Gegenwert eines besseren Kleinwagens. Alsdann, lobet und preiset, ich sorge für den himmlischen Sound. Nicht ganz einfach in einer Kirche, aber es wurden für die Beschallung - alles Teil der Produktion - ein paar herunterfahrbare Akustikvorhänge installiert, mit der man den Hall in der Kirche von rund 7 Sekunden auf weniger als die Hälfte gebracht hat. Damit lässt sich doch beinahe arbeiten.


    Zu dem Job kann man nur sagen: So muss das sein! Die Beschreibung und das, was ich vor Ort an Tatsachen antreffe, stimmen zu 100% überein. Dazu ein fähiger, netter Systech, das Pult ist eingerichtet, alle benötigten Mikros von Shure, AKG und Sennheiser sind verkabelt und ein paar weitere liegen bei Bedarf nebendran bereit. Eine Stunde Einarbeitungszeit, dann soll die Band kommen. Vorher erfahre ich noch, dass die Band noch nie mit Technik aufgetreten ist - okay, ziehen wir als erstes einen kleinen Bandworkshop durch unter dem Motto "Wie behandle und benutze ich ein Mikro, so dass es auch tut, was es soll?". Die fünf Damen sind es zufrieden, dann kann die Probe losgehen. Während sie spielen, pegele ich die Instrumente ein, EQue sie, bearbeite sie eins nacheinander mit herzhaften Einstellungen am Kompressor, da es immer noch ziemliche Pegelsprünge auszugleichen gibt.


    Ach ja, die Besetzung: Querflöte (zum Auftritt werden es zwei sein, das zweite Mikro, jede der Flöten hat ein Sennheiser MD 521, wird einfach immer genauso eingestellt wie das erste), dazu viermal Gesang (das good ole SM 58, einer halligen Kirche vielleicht gar nicht so verkehrt), zwei Westerngitarren über AKG 491 Kondensator-Kleinmembraner, und eine der Ladies wechselt neben ihrem Gesang immer zwischen Klavier und Klassikgitarre, welche einfach nur mit einem SM 57 aus einiger Entfernung abgenommen wird - nicht überragend, aber nach ein paar schmalbandigen Absenkungen im Mittenbereich durchaus akzeptabel.


    Dann werden bei ein oder zwei Songs zwei afrikanische Trommeln gespielt, recht große Teile, die viel zu laut sind und selbst unverstärkt einfach nur alles übertönen ... Erste Versuche, einfach einen Pulli o.ä. in das Instrument zu stecken, werden als unschön klingend abgelehnt. Logisch: Schallöffnung auf - zu laut. Schallöffnung ganz zu - zu dünn. Irgendwo dazwischen liegt das erzielbare Optimum. Also klebe ich mit Gaffa bei der größeren der beiden Trommeln den unteren Schallauslass zu rund zwei Dritteln zu, das klingt echt gut und ist auch nicht mehr zu laut. Bei der kleineren der beiden Trommeln ist es nur die Hälfte der Öffnung, die abgeklebt wird. Jetzt kann es wirklich losgehen. Auf ans Pult!


    Nett beim Digidesign: Es gibt für jede Funktionsgruppe (EQ, Kompressor, Gate) eine Reihe abgespeicherter Vorlagen: Voc mal, Voc female, E-Guit, Acc-Guit, Bass, Piano, BD, SN, Toms sind nur einige davon. Bei den EQs ignoriere ich die Presets, weil die Damen eh alle anders klingen, also werden sie auch unterschiedlich EQt. Beim Kompressor probiere ich mal die Templates für Vocals Female und Acc.-Guitar aus. Sind beides sehr dezente Einstellungen, die ich nur noch in bezug auf den Threshold anpassen muss, und gut. Dann noch ein wenig Finetuning beim Attack der Akustikgitarren, und dann tönt das ganze sehr kontrolliert und ebenmäßig über die Anlage, ein kleines Line Array von d&b. Mit den Gates spiele ich noch ein wenig herum, um das Übersprechen in nicht genutzte Mikros zu verringern, aber das ist mir dann doch zu heiss, denn die Damen sind keine abgebrühten Routiniers, die ihre Dynamik jederzeit voll unter Kontrolle haben. Die Gefahr des "Verschluckens" von eigentlich gewünschten Passagen war hier zu groß, also liess ich es sein.


    Das Digidesign ist für den Einsatzzweck hier natürlich komplett over the top - das Damenkränzchen braucht gerade mal zehn Kanäle, dann noch zwei oder drei für die Sprecher beim Gottesdienst. Gut, von den Dynamics habe ich mal wieder ausgiebig Gebrauch gemacht, aber die eingebauten Effekte haben wir bis auf einen 31-bändigen Stereo-EQ nicht angerührt.



    Sagen wir's mal so - das Yamaha hat meiner Abneigung gegen Digitalpulte schon einen ernsthaften Dämpfer versetzt, denn es klingt okay und kommt auf knappem Raum mit nützlichen Features daher, für die man in der analogen Welt drei gigantische Sideracks mit sich rumschleppen muss. Vom Kaufen, einbauen und jedesmal verkabeln ganz zu schweigen. Kritikpunkte am Yamaha (aus meiner vollkommen subjektiven und sehr kurz ausgefallenen Sicht) sind höchstens noch die typischen Yamaha-Effekte mit ihrer doch leichten Künstlichkeit.


    Den Rest gegeben hat mir allerdings das Digidesign - ein Hammerpult! Es klingt total offen und durchsichtig wie ein richtig gutes Analogpult der viele-viele-tausend-Euro-Klasse, verfügt über feinste Dynamikprozessoren, die eingebauten Effekte sind, wenn ich mich recht erinnere, von Lexicon und damit über jeden Zweifel erhaben. Die Presets (oder Vorlagen oder Templates) sind eine äußerst nette Dreingabe, da man sofort eine brauchbare Arbeitsgrundlage für eine Vielzahl von Anwendungsfällen bekommt bzw. zum Üben mal seine eigenen Kreationen und Einstellungen mit denen der Digidesign-Entwickler vergleichen kann.


    Beide Pulte verfügen über 16 AUX-Wege, so dass fast jede beliebige Menge von Monitorwegen und Effekten realisiert werden kann, selbst in stereo für InEar-Monitoring, dazu die passende Anzahl an EQs. Was will man mehr? Nachgesehen habe ich nicht, aber sicher hat man bei beiden Pulten die Möglichkeit, seine Lieblinkseffekte über AUX-Wege einzuschleifen.


    Insbesondere wenn man wie ich gerne mit viel Dynamics in den Eingangskanälen arbeitet, liegen die Vorteile der Digitalen auf der Hand - ich muss mich nicht beschränken, weil ich z.B. nur vier Kompressorkanäle habe, sondern kann jedem Kanal einen Kompressor / Limiter und bei Bedarf zusätzlich noch einen Expander / Gate zuweisen. Oder Kompressor und Deesser. Oder, oder, oder. Herz, was willst Du mehr? Und die digitalen Selbstverständlichkeiten wie freie Kanalzuweisung und Kopplung von Nachbarkanälen bzw. Save and Recall, also das Abspeichern von kompletten Settings habe ich hierbei noch nichtmal erwähnt!



    Da ich jetzt also Digitalpulte mit ordentlicher Benutzerführung kennengelernt habe, weiss ich, dass das Yamaha 01v nix anderes als ein Ausrutscher ist - entickelt von Ingenieuren für Ingenieure, also nix für kreativ oder intuitiv denkende Menschen. Man kann es benutzen oder ignorieren, und ich jedenfalls werde es so gut wie möglich ignorieren. Andere Digipulte dagegen sind m.E. echt eine Überlegung wert.



    Vielleicht ist das für den einen oder anderen ein Denkanstoss oder eine Inspiration.


    Viele Grüße
    Jo

  • Hallo,


    ich hatte bei der ersten Berührung mit der M7CL den gleiche "aber Hallo" Effekt wie du, und du bringst es auf den Punkt, der schönste Effekt an diesen Tischen ist das integrierte Siderack, und die speicherbarkeit der einzelnen Setups oder sogar Szenen...


    Klanglich liegt die M7CL noch weit hinter guten analogen Tischen zurück, aber die Ersparnis beim Truckspace und bei der Aufbauzeit sind einfach nicht weg zu diskutieren.
    Ich bin immer noch kein bedingungsloser Freund der Digitalkonsolen aber sie sind hier und da recht praktisch...


    Viele Grüße
    toadie

    Physik kann man nicht überlisten

  • Zitat von "Mix4Munich"

    ... der Systech vor Ort ausgeschlafen, nett und fähig ist. Die schlechte? Kein Monitorpult weit und breit zu sehen, was nur bedeuten kann, dass ich mich nebenbei mit sechs oder sieben Monitormixes befassen darf. Der Hammer allerdings: Die zwei Stunden Zeit für Aufbau und Soundcheck gelten für beide Bands zusammen - was die genausowenig wussten wie wir. Zwei Bands, ein Haufen Techniker, alle mit einigermassen betretenen Gesichtern - und kein Organisator vor Ort, den man mal fragen kann, wie das eigentlich nach Zeitplan gehen soll. Nun denn, wir fangen einfach mal mit dem Aufbau der Backline an. Die andere Band ist zum Glück ebenfalls sehr nett, es gibt keine Streitigkeiten oder Rivalitäten. Unser Zeug wird hinten aufgebaut, deren Sachen vorne, passt schon bei der großen Bühne (bestimmt 12 mal 8 Meter). Ach ja, und ein Hoch auf rollbare Drumriser!


    Die anderen fangen also an, nur eine halbe Stunde verspätet, ziehen ihr Programm knapp 2 Stunden recht lässig durch, so dass wir mit lediglich 20 Minuten Verspätung anfangen können. Es gibt zum Schluss der Veranstaltung ein hartes Ende, daher ist es ganz gut, dass sie einen Teil der Verzögerung aufgefangen haben. Nach dem Aufbau hat es nur für einen Linecheck gereicht, daher jetzt ein schneller Soundcheck mit Feinabstimmung bei den ersten paar Songs. Liebend gern würde ich ja behaupten, dass ich den Sondcheck nach kürzester Einweisung selbst durchgezogen habe. Hab ich aber nicht. Hier geht es um Geschwindigkeit, und daher macht das der Systech, der sich auf dem Pult bestens auskennt und ausserdem ein fähiger Tontechniker ist, zusätzlich richtet er noch ein paar Effekte ein, routet die Subgruppen nach meinen Wünschen und macht auch noch einen Teil der Feinabstimmung während des ersten Songs.


    Dann erst übernehme ich. Vielleicht schlecht für mein Ego, aber echt besser für den Ablauf der Show. Der Systech gleich nebendran, ich kann ihn alles fragen. Aber eigentlich ist es easy - Kanal auswählen, dann habe ich eine Batterie von Knöpfen für den EQ (vier Bänder, vollparametrisch, yay!), Ansteuerung der Effekte und Monitorwege, und für Gate und Kompressor zumindest die Threshold-Regler, welche ja bei laufender Show die wichtigsten Regler sind. Will ich in die Parameter der Dynamics, drücke ich auf den jeweiligen Threshold-Knopf und bekomme ein Menü, in dem ich alle Parameter im Direktzugriff habe. Sehr geil! Dann zurück, und ich bin wieder in der Übersicht, kann die EQ-Settings auf den Song abstimmen, oder, oder, oder. Wenn man auf den richtigen Knopf drückt, kann man sich sein virtuelles Siderack ansehen - 31-Band-EQs in allen Ausspielwegen, diverse Reverbs, ein Delay, und ein Modul, das ich mir für Special Effects reserviere und nach Lust und Laune verändern kann. Nach zehn Minuten ist alles so intuitiv, dass ich hinterher ganz schnell wieder vergessen habe, wie es eigentlich geht - so wie auf einem neuen, mir unbekannten Analogtisch: ich seh es mir an, finde, was ich brauche, benutze es und könnte hinterher nicht mehr sagen, ob z.B. die Taster für die Mutegruppen unterhalb der Subgruppenschalter lagen oder daneben. Es war halt da, ich habs benutzt, als ich es brauchte, und fertig.


    Fast die gleichen Erfahrungen habe ich gestern auch gemacht. Das 2. Mal an einem Digi-Pult,
    das 1. Mal an einem Yamaha ls 9/32. Erfahrener Tech dabei, Bedienung einfach klasse und
    schnell erlernbar. Natürlich brauchte ich mich nicht ums Routing usw. zu kümmern. Aber ich
    denke, das wird nach etwas Einarbeitungszeit auch nicht schwer sein.
    Danke nochmal an das Team von Sound & Vision aus Anröchte. :D
    (Wenn diese Pulte nur nicht so teuer wären.)

    MfG Heini


    (Lasst euch von dem DJ nicht verwirren. ;))

  • Zitat von "Mix4Munich"

    In JEDEM davon habe ich einen Kompressor am Start, dazu ein knappes Dutzend Gates bei den Drums und den Gitarren, am Bass und den Keyboards (die alle ein klein wenig rauschen und so wenigstens bei den Ansagen unhörbar sind). Dazu vier HE an Effekten und fünf Stereo-EQs à 3 HE. Macht summa summarum knapp 40 HE, die es in den Sideracks gebraucht hätte, einigermassen gut bedienbare Geräte vorausgesetzt. Wenn man sich mit Pinzettenbedienung abfindet, käme man vielleicht auch unter 30 HE, aber dann braucht es immer noch ein paar HE für Rackleuchten, etc. Irgendwie lande ich immer bei rund 40 HE. Macht drei riesige Racks, die man hätte schleppen und verkabeln müssen.


    Und genauso geht es mir gerade auch. Habe für eine Ausschreibung für Licht und Ton und Beamer ~20.000 als Daumenwert genannt und dann mal geschaut, was machbar ist.
    Wenn Du nur ein paar brauchbare Equalizer, Kompressoren, Gates und Effektgeräte in ein Rack baust, das Ganze auch noch brauchbar auf Multipin verkabelst und die nötigen Lichter und Schubladen auch reinrechnest, komme ich (mit Peitsche und Spliss) auf ~3500 EUR. Für das Gleiche Geld bekomme ich z.B. das Presonus 24.4.2, das in jedem Kanal Gate, Kompressor hat, zwei Effekte anbietet, insgesamt in jedem Ausspielweg einen 4fach vollparametrischen EQ, das Gleiche auch in den Gruppen und dann auch noch 8 Terzeqs zu verteilen hat. Man schleppt weniger, wer sich mit Compressor nicht auskennt, schaltet ihn einfach ab (erklär mal einem, wenn der per Insert im Kanal ist, wie er ihn einstellen muss, dass er quasi auf Bypass ist) und so bin ich unfreiwillig so langsam doch auch dabei, mich mit der digitalen Variante anzufreunden. Weitere Schmankerl sind dann sowas wie Delaylines über Subgruppen oder Voll-Einzelspur-Mitschnitt.
    Kann Dich also nur verstehen, dass man da so langsam ins Grübeln kommt.
    Weiterhin habe ich neulich das Vergnügen gehabt, ein iLive arbeiten zu sehen/hören. Preislich (alleine das Multicore) eine echt tolle Sache. Da findet man auf einmal einen kompletten Arbeitsplatz, der in einen Kombi passt. Dazu hat man auf einmal Leute, die gerne 100m Multicore verlegen (CAT5 Kabel), das ist mir analog noch nie passiert, dass es da Freiwillige gab.
    Carsten

  • Zitat von "LC2412"

    ... Dazu hat man auf einmal Leute, die gerne 100m Multicore verlegen (CAT5 Kabel), das ist mir analog noch nie passiert, dass es da Freiwillige gab.
    Carsten


    ... also ... ich würde ja sagen, allein das ist die investition wert! :grin:


    Viele Grüße
    Jo

  • Is wie mit allem:
    wenn man sich genug damit beschäftigt, kann man es wuppen. :D


    Ich hab auf meinen Touren in den letzten 4 Jahren einiges an Digipulten erlebt - solange ein fitter Sys-/Hustech dabei ist, ist es eine Wonne. Zumindest überlebbar.
    Schlimm wird es erst, wenn man absolut unvorbereitet auf ein fremdes Pult trifft. Und fremd heisst hier schon: "ich weiss nicht, wer dieses Pult zuletzt mit welchem Setup betrieben hat."
    Dadurch, dass aber mitlerweile in den meissten Pulten ein frei routbarer Matrixkontrolleur und eine vielzahl von Inserts/EQs/FXen verbastelt sind, muss man sich ausgiebig mitt dieser Schaltzentrale befassen und genau wissen, was resettet werden darf.


    Insofern bin ich als Club-tech ganz froh über neue Bedienkonzepte wie das o.g. Presonus - ein Fixes routing und ein starres "Fat-channel"-Korsett, wo bei allen Ein-/Ausspielwegen die selben gerätschaften zu finden sind und volle "Abwärtskompatibilität" durch Inserts machen das Mischen selbst mit Dummis als Systech einfach.


    Als Haustech ist's aber nicht immer einfach, jedem selbsterkorenen "Bandmischer" zu erklären, wozu die ganzen internen Gerätschaften sinnvoll einzusetzen sind. Übermässig viele Gates/Comps verleiten einige unerfahrene Mischer zum rumdaddeln und sich selbst Beine stellen.



    Aber insgesamt finde ich es schön, dass die Diskussion die im PA-Forum eigentlich schon entschieden ist, hier auch langsam Form annimmt. Wer ernsthaft mischen will, darf sich den Digitalen nicht verschliessen - er muss nur wissen, wann er was wozu einsetzt.

    ...hauptberuflicher Sarkastiker.

  • alles halb so wild. Die bedienung ist in aller regel übersichtlich, sofern man die beiden wichtigsten tasten, die "home" und "select" immer im auge behält. Am anfang mit überflüssigen spielkram wie dynamics und channeldelays sparsam umgehen und sich lieber nur auf gain, EQ und Monitorwege zu konzentrieren. Das ist schon hektisch genug. Danach kann man sich langsam mal um effekte gedanken machen. Wenn die show erstmal läuft, hat man oft genug zeit , den rest zu beschnüffeln und die menüs zu durchforschen ohne den ablauf weiter zu stören. Nach einem gig ist man in aller regel mit den grundfunktionen bekannt. Geschwindigkeit auf diesen dingern bedeutet eigentlich nur, schnell zu wissen , wo man die geliebten features ohne grosse umwege wiederfindet. Dafür sind die User Keys unglaublich praktisch. Sehr wichtig ist auch zu wissen, was das pult grade NICHT kann, damit man nicht lange sucht. Das ist leider bei jedem pult unterschiedlich und selbst herstellerintern nicht homogen. Ein jeder hat sich bestimmt schon mit dem finger auf dem LS9 display herumtapsend erwischt. :grin: . Da bin ich keine ausnahme. Ansonsten : Keine Hemmungen, es geht nix kaputt! Wie gesagt: HOME taste!! ( wenn vorhanden)


    gruss,
    arnt

  • Zitat von "DJheini"

    Das 2. Mal an einem Digi-Pult,
    das 1. Mal an einem Yamaha ls 9/32. Erfahrener Tech dabei, Bedienung einfach klasse und
    schnell erlernbar.


    LS9 (egal ob 16 oder 32) und eine Bedienung, die sich als "einfach klasse" bezeichnen lassen kann, halte ich aber für ein Gerücht. :grin:
    Einer der Gründe, die für mich wirklich gegen das Pult sprechen, ist die Bedienung.

  • Ich arbeite eigentlich überwiegend auf Analogen Kisten in der Allen Heath GL Liga, oder Soundcraft GB4-8 / MH3 auch schon mal....


    Digital dann überwiegend 01V und Konsorten (auch kaskadiert oder per Adat erweitert), LS9 und M7CL selten, aber kommt....



    Digital hat für mich zwei Vorteile;
    1. bei wechselndem Bühnenprogramm kann ich speichern
    2. Die Dinger sind schnell aufgebaut und Ideal für jeden Kofferjob


    Analog ist jedoch immer noch mein persöhnlicher Favorit.
    Ganz ehrlich, ich habe zwar nur eine begrenzte Anzahl an Dynamiks und Kompressoren etc, aber ich habe auch noch nie mehr benötigt als ich selber habe....



    Weiterhin haben Digitalpulte eine große Macke, und das werden Sie nie los.
    Sie haben zu wenig Knöpfe und arbeiten mit Ebenen.


    Bei meinen analogen Kisten kann ich super die Gitarre von links nach rechts über die Front pannen, gleichzeitig andere Kanäle bearbeiten und schnell eingreifen.
    Gerade bei Bands die man nicht kennt, ist das ein super Vorteil um als Mischer intuitiv am Pult mitzuarbeiten. Ich habe da halt gerne schnell alle Knöpfe parat.
    Schonmal versucht den Threshold des Kompressors auf die schnelle zu ändern? Bei einer analogen Gurke ist das ein Handgriff.
    Oder Theater, wenn sich mehrere Akteure einen Sender teilen.
    Bis am Digitalpult die Selecttaste gedrückt ist und der Equalizer bedient ist, ist der Text der Akteure längst gesprochen....

  • Zitat von "MRspeaker"

    Bei meinen analogen Kisten kann ich super die Gitarre von links nach rechts über die Front pannen, gleichzeitig andere Kanäle bearbeiten und schnell eingreifen.
    Gerade bei Bands die man nicht kennt, ist das ein super Vorteil um als Mischer intuitiv am Pult mitzuarbeiten. Ich habe da halt gerne schnell alle Knöpfe parat.
    Schonmal versucht den Threshold des Kompressors auf die schnelle zu ändern? Bei einer analogen Gurke ist das ein Handgriff.
    Oder Theater, wenn sich mehrere Akteure einen Sender teilen.
    Bis am Digitalpult die Selecttaste gedrückt ist und der Equalizer bedient ist, ist der Text der Akteure längst gesprochen....


    Alles eine Sache der Übung.
    Bevor du an einer Analogkonsole zeitgleich Kanal X pannen und Kanal Y EQen kannst, brauchst du lange Erfahrung. Wenn du diese an Analogkonsolen hast, bist du fast genauso schnell - und je nach Digitaltisch sogar schneller, wenn es um den Kompri geht; das Siderack braucht nämlich auch genug KnoffHoff um den richtigen Knopf schnell zu finden.
    Spätestens beim geteilten Sender bist du mit gespeicherten Szenen im Digitalen schneller...
    Bereits ein mit externen Bedienteilen (PC&Co.) versehenes LS9 erlaubt dir an mindestens zwei Stellen vollen Zugriff auf ALLES - und wenn du das Pult entsprechend vorbereitet hast, kannst du mehr gleichzeitig machen, als bei einer Analogkonsole.
    Das ist aber auch die Crux: Vorbereitung und Wissen, was du gerade tust.

    ...hauptberuflicher Sarkastiker.

  • Ich weiß ich weiß....


    Aber es bleibt ein Fakt das man mehrere Knöpfe drehen muss oder anwählen muss.
    Ich kann auch bestimmte Sachen nicht gleichzeitig machen weil das Menü belegt ist.


    Natürlich kann man diverse Aufgaben im Digitalpult automatisieren, Kanäle inutitiv patchen und Userkeys programieren. Das setzt aber meist vorraus das man wieder weiß was auf einen zukommt, was ja nicht immer der Fall ist.


    Wie gesagt ich verschließe mich keiner von beiden Techniken, beide sind eine gute und sinnvolle Lösung um bestimmte Ziele zu erreichen, ich bediene auch beides....
    Aber für gewisse Aufgaben kann ein guter Analogplatz auch seine vorzüge haben.

  • Sehe ich so ähnlich - wenn Du weisst, was auf Dich zukommt und es vorbereiten kannst, geht mit Digitalpulten viel. Wenn Du schnell und intuitiv auf Unbekanntes reagieren musst, kommt man mit Analogpult und Siderack meist deutlich schneller zum Ziel.


    Dass "zeitgleich Kanal X pannen und Kanal Y EQen" viel Erfahrung voraussetzt - hmm, ich hab das immer nur intuitiv gemacht, und es war in 99% aller Fälle ganz in Ordnung. Hatte ich da schon viel Erfahrung? So unendlich viel war's nicht, als ich das erste Mal mit Doppelparametrik und kleinem Siderack (das Zeug war halt auch sauteuer damals) konfrontiert war. Hier pannen, dort EQen, den Kompressor härter anfahren, den Hall editieren, das passierte dann einfach. Oder die Gitarre durch Anheben von zwei entscheidenden Frequenzbändern im Kanal-EQ fürs Solo zu pushen, das passierte dann einfach so. Im Digipult hätte ich ständig zwischen den verschiedenen Ebenen hin- und herspringen müssen statt einfach an den vorhandenen Reglern zu drehen.


    My 2 Cents
    Jo

  • Zitat von "Mix4Munich"

    Sehe ich so ähnlich - wenn Du weisst, was auf Dich zukommt und es vorbereiten kannst, geht mit Digitalpulten viel. Wenn Du schnell und intuitiv auf Unbekanntes reagieren musst, kommt man mit Analogpult und Siderack meist deutlich schneller zum Ziel.

    Wo fängt die Intuition an und wo hört die Vorbereitung auf?? Steckt der Kompressor im richtigen Kanal? Hast du überhaupt ein (geeignetes) Siderack?? Welcher Knopf bewirkt was?? Und schaffe ich es als Mischer überhaupt zu hören, welche 2-3 Dinge ich gerade zeitgleich verändere??


    Wenn an sich wirklich mit Digitaltechnik (nicht nur Pulten, sondern auch PCs etc.) auseinandersetzt, wird man feststellen, wie viele Wege es gibt, um ein vergleichbares Ergebnis hinzubekommen.


    Beschäftigt euch mal lange und intensiv mit EINEM Digitaltisch und bastelt über 20-50 Veranstaltungen mal euer persönliches Setup - dann stellt man nämlich irgendwann fest, dass sich eigene Arbeits- & Denkweisen verändern und plötzlich alles auch auf der anderen Pultform intuitiv funktioniert...
    Man muss nur lernen, dass die Intuition über mehrere Ebenen zeitgleich funktioniert und nicht wie früher über nur 2 ebenen (Pult & Siderack).


    Ich als Amiga500-Kiddie hab mit Maus & Joystick gelernt und muss mich auch heute noch vorführen lassen, wie schnell andere Leute bei anderen Computerspielen mit Tastatur & Touchpad sind; wo ich auf's tastenfeld schaue, finden andere blind immer den richtigen Knopf - will sagen: ihr beherrscht die Analogtechnik, lasst euch aber immer noch von Digitalpulten beherrschen.

    ...hauptberuflicher Sarkastiker.