Frage zur GUV-I 8634 (Bereitstellung und Benutzung von Traversensystemen)

  • Guten Morgen zusammen,

    ich werde jetzt mal vom stillen Leser zum Beitragsverfasser und wollte mal wissen, ob ich aus der GUV-I 8634 das selbe verstanden habe, wie andere. Es geht im Detail um die Qualifikation und Verantwortung. Wir haben den Fall, dass wir aktuell einen Statiker bei uns beschäftigt haben, und jetzt neue Bewerber bekommen, da dieser das Unternehmen verlassen wird.

    Jetzt haben wir beispielsweise einen Bewerber, welcher Diplom-Ingenieur ist, aber im Bereich der Elektrotechnik. Da die Statik-Stelle in Teilzeit ausgeübt wurde und für gewisse Tätigkeiten auch ein Elektroingenieur von Vorteil sein kann, kommt jetzt die interessante Frage:

    Darf der Elektro-Ingenieur theoretisch auch einen Statischen Nachweis erbringen. In seinem konkreten Fall war er im Bereich der Simulation vorher tätig und hat hier eine Expertiese im Bereich Statik.

    Und wenn ich mir die GUV-I durchlese wird hier immer zwischen Diplom-Ingenieur und Statiker unterschieden. Hier ist der Dipl.Ing. nämlich für den statischen Nachweis "zugelassen" (siehe Punkt 4.1.2).


    Vielleicht weiß jemand hier mehr dazu.


    Vielen Dank und viele Grüße,

    Michael

  • hell&dunkel

    Hat das Thema freigeschaltet.
  • Einfache Antwort: Nein.


    Die Frage, wer statische Berechnungen durchführen darf, regelt sich im Geltungsbereich des Baurechts nach §54 MBO bzw. dessen Umsetzung im jeweiligen Landesrecht. Jetzt kann man zwar mit viel Phantasie einzelne Teile unserer Branche als außerhalb des Baurechts angesiedelt betrachten, was aber in meinen Augen hier sehr dünnes Eis ist. Dann stellt sich die Frage, welche Qualifikation ein Elektroingenieur in der Tragwerksplanung erworben hat? Die Antwort der Ingeniuerkammern steht in Zeile 1. Diplom-Ingenieur ist nur ein Titel und sagt zunächst nur einmal aus, dass man etwas technisches studiert hat. Genauso wenig, wie ich als Diplom-Ingenieur Elektrofachkraft bin und schalten darf, ist ein Elektroingenieur Statiker. Ein Kfz-Meister repariert auch keine Sanitäranlagen fachkundig. Schuster bleib bei deinen Leisten ;)

    Dipl.-Ing. Uwe Runtemund | Statiker in der Veranstaltungstechnik

    Mein Büro: runtemund.de

  • Es gibt keine GUV-I 8634 mehr. Schon lange nicht. Anzuwenden sind die IGVW SQ-Schriften, hier der SQP1 und SQP2. Außerdem wird das spezifische Thema, wer überhaupt statische Berechnungen durchführen darf, in der VDI-Richtlinie 6201-1 beschrieben. Außerdem sind die DGUV Information 215-313 und natürlich zu befähigten Personen die Betriebssicherheitsverordnung zu beachten.

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  • Ganz so eng ist das alles zum Glück nicht geregelt. Unsere Branche fällt (wenn es um Statik geht) nur in wenigen Fällen unter das Baurecht, nämlich nur dann wenn etwas outdoor stattfindet und es sich um eine bauliche Anlage handelt. Die meisten dieser Anlagen sind aber auch „fliegende Bauten“ mit mitgelieferten Statiken, sodass es für das reine Aufstellen keinen Statiker bedarf. Sollte es eine Sonderkonstruktion sein, dann ist formal (und auch technisch) ein Bauingenieur notwendig, nach Baurecht. Für alles andere (z.b. geflogene Rigs indoor, geständerte Systeme indoor) ist ein Bauingenieur nicht notwendig. Steht auch so in der SQP1, welche die für uns konkreteste Regelschrift ist und von/aus der Branche kommt.


    Dort steht folgendes:

    Statische Nachweise sollten von Personen erbracht werden, die ein abgeschlossenes Studium an einer Technischen Universität oder wissenschaftlichen Hochschule sowie eine mindestens dreijährige Erfahrung in Konstruktion, Berechnung oder Prüfung von veranstaltungstechnischen Einrichtungen nachweisen können.


    Wichtig an der Stelle ist das Wörtchen „sollte“ und auch, dass dort das Wort „Ingenieur“ nicht auftaucht.


    Das sollten für den Unternehmer genügend Anhaltspunkte für seine Auswahlverantwortung sein.


  • Wichtig zu wissen ist abar auch, dass 'Sollen' in Rechtstexten etwas anderes bedeutet als man vermutet, nämlich: Es ist so zu mache, es kann aber in begründeten Ausnahmefällen davon abgewichen werden.

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  • Ich finde "abgeschlossenes Studium an einer Technischen Universität oder wissenschaftlichen Hochschule sowie eine mindestens dreijährige Erfahrung in Konstruktion, Berechnung oder Prüfung von veranstaltungstechnischen Einrichtungen" schon sehr eng und konkret.


    Warum müssen wir in unserer Branche eigentlich immer wieder und ausgerechnet bei solchen essentiellen Dingen einen Shortcut versuchen? Ätzend.

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  • Überhaupt kein Shortcut, einfach nur Regelwerke lesen, verstehen und anwenden.

    Ohne den Kollegen aus dem Ursprungspost zu kennen, könnte ein Elektroingenieur (studiert an einer wissenschaftlichen Hochschule) mit (mehrjähriger) Erfahrung in Statik diese Anforderungen erfüllen.


    TM1 und TM2 eines Ingenieursstudienganges in Verbindung mit mehrjähriger Erfahrung reicht auch vollkommen aus, sofern es nicht in den baurechtlichen Bereich geht.


    Ich finde ätzend dass immer wieder versucht wird engagierten Leuten mit erfundenen Einschränkungen das Leben schwer zu machen. Wie überall kommt es nicht auf die formale Bildung sondern den Menschen und seine Art zu Arbeiten an.

  • Wirklich engagierte Leute holen sich die notwendigen Fort-, Aus- und/oder Weiterbildungen.

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  • "Was passiert eigentlich wenn wir in die Weiterbildung unseres Personals investieren und die dann gehen?"

    "Was passiert denn, wenn wir nicht in deren Weiterbildung investieren und die dann bleiben?"


    ;)

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  • Was passiert eigentlich wenn wir in die Weiterbildung unseres Personals investieren und die dann gehen?"

    = Dann müssten wir uns damit auseinandersetzen, dass es trotzdem Gründe gibt, nicht bei uns zu bleiben. 8|


    oder


    Dann kommt halt jemand mit anderen Fortbildungen, der hungrig auf was Neues ist und der vom Abgänger gehört hat, dass wir gut sind.


    Und ansonsten gehört das ins Marketing: "Wir haben heute unsere Leute geschult..." - jede andere Bullshit-Personalie wird ja schließlich auch über alle "News"-Webseiten verbreitet, gerade wenn man sonst die Person niemals durch deren Arbeit kennenlernen würden ^^

    -

    Zurück zum Thema: Die praktische Erfahrung zu fordern ist gut aber oft auch schwierig, denn genau die muss die Person ja nach Studium und Co. entwickeln. Zu jedem guten Nachweis sollte ein weiteres Augenpaar und ein nachvollziehbarer Weg mit den Annahmen gehören.

  • Sebastian, ich beziehe mich auf diesen Satz von Dir: "Wie überall kommt es nicht auf die formale Bildung sondern den Menschen und seine Art zu Arbeiten an."

    Doch! Es kommt auf die formale Bildung an UND auf den Menschen. Die formale Bildung legt die Grundlage für alle andere. Nicht umsonst beneiden uns sehr viele Länder um unser Berufsbildungssystem.

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  • das mit der nachweisbaren qualifikation hat einen echten vorteil: wenn jemand statiker ist, dann sollte er wissen, das sein wort ein massives gewicht hat. das gilt auch ür die meister etc. sie sollten aber auch in der lage sein ihren standpunkt im falle eines falles fundiert begründen zu können.

  • TM1 und TM2 eines Ingenieursstudienganges in Verbindung mit mehrjähriger Erfahrung reicht auch vollkommen aus, sofern es nicht in den baurechtlichen Bereich geht.

    Mathematik und Mechanik reichen als Quali nicht aus. Man muss auch die Werkstoffe beherrschen und Bauteile auslegen können. Diese Fächer tauchen in einem E-Technik-Studium in der Regel nicht auf. Und das war ja die Ausgangsfrage.


    Die einzigen Fakultäten, denen ich ausreichende Grundlagen zutraue, sind Bauings und Maschbauer, wozu ja auch die Faktultät der VA-Technik an der Beuth-FH zählt.

    Der Casus Knacksus bei der Erfahrung ist, dass sie fachbezogen sein muss. Wenn man also nicht unter mehrjähriger Anleitung eines Statikers selbst statische Berechnung erstellt hat, wird das nichts.


    Deshalb sind ja einige Büros - auch meines - interdisziplinär aufgestellt, um für alles gewappnet zu sein ;)

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  • Wieviel Möglichkeiten gibt's denn realisitisch gesehen in D, um 'unter mehrjähriger Anleitunge eines Statikers selbst statische Berechnungen (ich vermute auch noch Disziplin bezogen, d.h. im Bereich der VA Technik) durchzuführen?

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  • Ich sag jetzt mal die "üblichen Verdächtigen". Kannst Du wahrscheinlich an einer Hand abzählen. Bei den Statikern im Bauwesen wirst Du als "Nicht-Bauing" ziemlich sicher nicht unterkommen und die Fachplanungsbüros unserer Branche machen das vermutlich auch nicht alle.


    Im Bereich Fliegender Bauten sucht der TÜV auch immer mal wieder Interdisziplinär, wobei die Bauings und Maschbauer dann für den statisch konstruktiven Teil zuständig sind und die E-Ings den elektrotechnischen Teil prüfen.


    So zumindest meine Erfahrung aus den Stellenanzeigen.

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