Raum-Antwort Messen: Mit welchem Signal?

  • soda, liebe Experten, da diese "Kontroverse" ja schon vor längerem beendet worden zu sein scheint (was für eine Konstruktion), wage ich es mal, diese Diskussion auf mein Niveau und die Ausgangsfrage zurückzuholen und Frage mal nach der folgenden ganz konkreten Problematik:


    Angenommen ich habe einen Raum (ca 15x35x3m), der annähernd alle akustischen Gemeinheiten mitbringt, die man sich nicht wünscht (Quaderform, Glasbausteine, Steinboden, keine absorbierenden Flächen etc.), den es - mitsamt etwa 300 Gästen - zu beschallen gilt.
    Zur Verfügung stehen mir weiterhin ein LS-System Nexo Alpha e (je 2 Tops+2 Bässe/Seite) inkl. der üblichen vorgeschalteten Live-Klamotten und ein Analyse-PC a lá Selbstgemacht mit einer gehobenen Mittelklassesoundkarte (wens interessiert Hoontech DSP2000) inkl. Preamp, ein Billigmessmic Behringer ECM8000 und als Messsoftware Tomys SatLive (bis dahin vielleicht schon Vollversion 8)). Wie würdet ihr nun vorgehen um die zu erwartenden (und aus Erfahrung bestätigten) akustischen Probleme (in erster Linie im Bassbereich) zu lokalisieren und eliminieren?


    Ich hoffe einige der bisher so eifrigen Experten können sich auf diesen Niveau-Sprung einlassen und mir weiterhelfen, da ich aus der bisherigen Diskussion, abgesehen von meinem nach wie vor bestehenden Interesse an der Materie, aufgrund meines Unwissens nicht allzuviele praxisrelevante Schlüsse ziehen konnte... :roll:


    beste Grüße sendet,
    der David

    Phantomspeisung....
    das heißt NICHT, dass der Mischer nix zu essen bekommt

  • Also,


    als erstes würde ich die Situation analysieren (das hast du anscheinend schon getan).
    Als zweites würde ich mir einen sinnvollen Beschallungsansatz überlegen. (ist es Disko oder Gala?).
    Für mich würde er die folgenden Punkte enthalten:


    1. Direktschall
    2. Direktschall
    3. Direktschall


    :D


    Das heisst, ich würde zum ersten mindestens eine Delayline setzen, und zum zweiten eine deutliche gerichtet (:-) Manfred, dein Stichwort) beschallung zu konzipieren, d.h. die Boxen so zu richten, dass sie nur ins Publikum und sonst nirgens anders hin strahlen. Zum anderen versuchen zu klären, ob man noch irgendwas absorbierendes in den Raum bringenkönnte (z.B. Vorhänge zu ziehen o.ä).
    Und wenn ich das alles hab, dann würde erstmal die Delayzeiten messen, und dann an einigen Punkten mal den Fq Gang messen, und die Hauptdröhnfrequenz extrem rausziehen (und mir den Fader merken).
    Wenn die Leute dann drin sind, muss man die Frequenz evtl. wieder etwas reinschieben.


    Tomy


    P.S. Auch Computer können die Grundgesetze der Beschallung nicht verändern. Was nutzt es Dir, wenn Dir der Rechner beweist, dass man nix verstehen kann (STI < 0.5)

    SIM II Operator and Dante Level I-II-III (alles sogar zweimal :)
    Jugendschwimmabzeichen, Rettungsschwimmabzeichen in Bronze
    Meine kommerziellen Softwareprodukte SATlive und LevelCheck

  • ok, danke Tomy!
    Also Rigging (X-Bow) ist bestellt, damit ich das e-m Top "richtig" winkeln kann. Veranstaltung wird RnR mit zwei extrem unerfahrenen, einer mittelmäßig-routinierten und einer Top Band, die sowohl in künstlerischem Anspruch als auch Routine sehr hoch spielt, sein - also sehr bunt gemischt.


    Instrumente (vor allem Schlagzeug) werden wohl i.O. sein, da ich den Drummer und seinen (guten) Sound schon kenne.
    Aber nun zum eigentlich Thema:


    Du hast geschrieben: Hauptdröhnfrequenz ziehen... ...dachte ich mir auch.
    Nur: Bisher wäre ich jetzt so daran gegangen, rosa Rauschen auf die Front zu schicken und im RTA nach Überhöhungen zu suchen, was - wie mir mittlerweile auch immer klarer wird - wohl nicht von Erfolg gekrönt wäre.


    Also: langsamen Frequenzsweep (mit gleichen Pegeln) auf die Front schicken und wenn man Dröhnen wahrnimmt im RTA die Frequenz ablesen und "ziehen", oder wie?


    Danke schon mal,
    David


    edit: achja, evtl. noch wichtig. Der Raum wird bei dieser VA i.d.R. per Vorhang direkt hinter dem F.o.H. quer geiteilt (also 35/2x15x3m). Bei der Tiefe macht ein Delay wahrscheinlich noch keinen Sinn, oder?

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  • Ich hab das grad mal simuliert - alle Flächen mit einem breitbandigen Aplpha von 0,15 und der Boden eben mit


    Publikum.



    Also die Nachhallzeit ist hier wirklich nicht das Problem. Jedenfalls ist sie mit etwa 0,5 s im mittleren Frequenzbereich nicht zu lang. Eher so kurz, dass harmlose, diskrete Reflexionen, die sonst im Nachhall verschwinden würden, nun störend zu Tage treten.
    Der Raum ist aber hierfür noch relativ klein. Lediglich die Rückwand könnte Probleme bereiten. Da wirkt sich aber wieder die geringe Deckenhöhe positiv aus.



    Bei der Inbetriebnahme der Anlage würde ich übrigens anders vorgehen als Tomy:


    1. Die einzelnen Lautsprecher messen.
    Dazu so nah an den Lautsprecher heran, wie es geht und den Direktschall aus der Impulsantwort herausfenstern.
    - Als erstes Polarität prüfen ("Ausschlag" der Impulsantwort)!
    - Dann den Frequenzgang checken. Hier kann man evtl. erkennen, ob der Hochtonweg gegenüber dem Tieftonweg zu laut ist. Vielleicht ist im Übernahmebereich auch ein Dip - das lässt vermuten, dass die Polarität eines Weges nicht stimmt.
    - Evtl. kann man sich noch den Phasengang (oder besser den Nyquist-Plot) anschauen. Wenn hier Sprünge sind stimmt auch etwas mit der Phase nicht oder das Ding hat generell ein Laufzeitproblem


    2. Die Pegel der einzelnen Lautsprecher einstellen.
    Und zwar in dem Bereich der vom jeweiligen Lautsprecher beschallt werden soll - alle anderen Lautsprecher sind dabei aus! Dazu geht man einige Meter vor den Punkt, wo die Hauptabstrahlachse auf die Hörfläche trifft. (Letztere zielt übrigens auf den hintersten Zuhörer - nicht etwa mitten in den zu beschallenden Bereich!!!) Man gibt ein Rauschen auf die jeweiligen Lautsprecher und stellt überall den gleichen Pegel ein.


    3. Die Delay-Zeiten messen.
    Dazu geht man einige Meter vor den Punkt, wo die Hauptabstrahlachse des Delay-Lautsprechers einschlägt. Man ermittelt den zeitlichen Versatz, mit dem die Signale an diesem Punkt eintreffen und addiert etwa 5 - 20 ms, um die Zeit fürs Delay zu bekommen (Stichwort: Haas-Effekt).


    4. Den Frequenzgang an einigen Punkten im Raum messen und mitteln.
    Wenn hier schmalbandige Erhöhungen zu erkenen sind (BW von etwa 1/3 bis 2 Oktaven), kann man behutsam versuchen hier mittels EQ eine Absenkung vorzunehmen und hört sich das ganze im A/B-Vergleich einmal an (ganz wichtig!).
    Diese Überhöhungen entstehen durch die Addition von Direktschall und Diffusschall. Durch die unteschiedlichen Absorptionseigenschaften des Raumes bei verschiedenen Frequenzen ist das Diffusfeld u.U. nicht linear.


    Wie gesagt, den generellen Verlauf des Gesamtschallfrequenzganges sollte man nicht versuchen auszugleichen - lediglich kleine Überhöhungen. Tendenziell sollte der Gesamtschallfrequenzgang einen zu hohen Frequenzen fallenden Charakter haben. Ab etwa 2 kHz fällt er in der Regel sehr stark ab. Das rührt daher, dass die Absorption von Räumen zu hohen Frequenzen üblicherweise zu nimmt. Dadurch ist dann auch das Diffusfeld im Hochtonbereich geringer.

  • Von mir noch die Anmerkungen:


    1. Ich ging davon aus, dass die Systeme in sich funktionieren.
    2. Wenn ich mit der Hauptstrahlachse auf den hintersten Zuhörer ziele, dann setzte ich 50% der Energie erstmal an eine reflektierende Fläche, und das würde ich nicht so machen.
    3. Das mit dem Haas Effekt ist schon richtig so, aber da ja ein Kammfilter aus der Überlagerung zweier Schallquellen mit dem gleichen Signal und unterschiedlicher Laufzeit ensteht, bin ich inzwischen wieder etwas davon abgekommen, und stelle die Delayzeit auf die gemessene Zeit ein. Dafür delaye ich dann das gesamte System (Main + Delay) um ein paar Millisekungen.


    Ansonsten gibt es sicherlich, auch im Bereich der Einmessung tausende von Verfahren und Methoden. Ich hatte bei der Ursprungsfrage ein wenig den Eindruck, als ginge es um 'Ich stell zwei Türme auf, den Rest macht die Software', aber das ist jetzt ja vom Tisch.


    Tomy

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  • Zitat


    1. Ich ging davon aus, dass die Systeme in sich funktionieren.


    Das ist häufig der erste Schritt zum Misserfolg. :lol:
    Ein verdrehtes Kabel oder einen versehentlich verstellten Gain eines Weges kann es immer geben.


    Zitat


    2. Wenn ich mit der Hauptstrahlachse auf den hintersten Zuhörer ziele, dann setzte ich 50% der Energie erstmal an eine reflektierende Fläche


    Aber wenn du mitten ins Publikum zielst, säuft dir der Pegel zu den hintersten Zuhörern zu schnell ab. Man glaubt gar nicht, wie viel das ausmacht. Ich werd dir das mal in einer Simulation zeigen.


    Zitat


    3. Das mit dem Haas Effekt ist schon richtig so, aber da ja ein Kammfilter aus der Überlagerung zweier Schallquellen mit dem gleichen Signal und unterschiedlicher Laufzeit ensteht, bin ich inzwischen wieder etwas davon abgekommen, und stelle die Delayzeit auf die gemessene Zeit ein.


    ... und die Zuhörer versuchst du alle auf einem Quadratzentimeter zu platzieren?! :roll:


    Das mit dem Kammfilter ist zwar generell richtig - aber:
    Warum setzt man denn einen Delay-Lautsprecher ein?! Richtig, weil der Pegel der Haupt-Lautsprecher in dem entsprechenden Bereich zu gering ist. Und wann entsteht ein Kammfilter mit (theoretisch) vollständigen Dips im Frequenzgang ...?
    Ziehe doch mal von einem Pegel von beispielsweise 90 dB einen Pegel von 80 dB ab ... :wink:



    Und was die Prozedur der Inbetriebnahme einer Beschallungsanlage angeht: Da bin ich recht resolut und vertrete die Auffassung, dass es, wenn man es vernünftig machen will, nur so geht. Alles andere ist nicht konsequent und auch nicht zielführend. Es wird mal hier rumgefummelt da was geschraubt und aus dem Bauch raus gehandelt - was ja überhaupt nicht notwändig ist.

  • So, ich hab das mit der Ausrichtung mal simuliert. Zu sehen ist ein würfeliges PA-Top, das wo aus deutschen Landen kommt.


    Oben ist die Hauptabstrahlachse auf die hintersten Zuhörer ausgerichtet und unten auf den mittleren Zuhörerbereich.



    Zu erkennen ist unten ein Pegelunterschied von satten 10 dB gegenüber einem Pegelunterschied von lediglich etwa 4 dB im oberen Bild.

  • ... ich denke, daß es da keine generelle Regel gibt, zumal die vertikale Directivity der eingesetzten LS-Systeme (und die Abhängigkeit der Directivity von der Frequenz) letztendlich zusammen mit dem "Kippwinkel" und der optimalen Aufstellhöhe für das Gesamtergebnis entscheidend sind.


    Ein Ziel sollte doch sein - (nicht nur ...) wenn auf verzögerte LS-Linien verzichtet wird - daß die Abstandsunterschiede der Zuhörer "vorn" und der Zuhörer "weiter entfernt" minimiert werden (gleichmässige Pegelverteilung) ... dies kann dann durch entsprechende Flughöhen (und "passenden" Neigungen) ... oder in geeigneten Locations dann durch Linienstrahler geschehen.


    Zur Bemerkung "Dein Stichwort ..." :) : Wenn ich von negativen Raumeinflüssen (die sich nie ganz vermeiden lassen) einigermaßen ungeschoren davonkommen will, muß ich versuchen, daß der Anteil vom Direktschall möglichst groß bleibt.


    Auch mit einem Linienstrahler (und gleichzeitig harter Steinwand am Hallenende ...) läßt sich dies Ziel dann u.U. nicht erreichen ... ggf. sind Punktstrahler mit einer oder zwei verzögerten Linien dann zur Erzielung eines hohen Direktschallanteils besser geeignet.

  • Hi Volker,


    kannst du mal ein wenig mehr Details zu den Messungen schreiben? Wie hoch waren die Boxen, wie hoch die Auswertungsebene, Welcher FQ Bereich, Nur Direktschallfeld etc.


    Grüße


    Tomy, dessen Simulationen etwas anders aussehen.

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  • hallo volker,


    im prinzip hast du sicher recht was die vertikale ausrichtung des tops angeht.
    im idealen raum sicher die einzig sinnvolle vorgehensweise.


    aber in der praxis habe ich auch mit direkt ins publikum ausgerichteten speakern gute erfahrungen gemacht. und zwar hauptsächlich dann, wenn ich eine stark reflektierende rückwand habe.


    man darf ja dabei nicht vergessen, das bei der von dir erwähnten ausrichtung die hälfte der energie ohne nutzwirkung in den raum verstreut wird. gerade in akustisch schwierigen räumen nehme ich deshalb die pegelverluste "hinten" gerne in kauf.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • vielen Dank für eure Tips. Die VA ist am Donnerstag gelaufen und als kleines "Dankeschön" werde ich im Praxis-Brett mal einen Thread erstellen wo ich mit Fotos und Hörbeispiel die VA dokumentiere. Ein letzter Satz noch an Tomy:
    Ich hab dabei nun (dummerweise zum ersten Mal) deine 30-Tage-Version von SAT-Live eingesetzt. Dabei hatte ich folgendes Problem:
    Nachdem ich alle (6) Messungen an unterschiedlichen Punkten im Raum (wie im PDF beschrieben) gemacht und gespeichert hatte, habe ich diese, wie beschrieben, im Tracemanager gemittelt und die Hauptkurve gespeichert. Das hat zwar ein bißchen gedauert, aber als ichs dann verstanden hatte, ging es. Das Problem war nur, als ich mit der Messung des EQs anfangen wollte, lud ich die Hauptkurve als Overlay in die Endlos-FFT und es passierte nichts - will sagen, es gab keine Fehlermeldung aber auch keine Kurve. Auch der obligate Linksklick ins Messfenster änderte daran nichts. Die Spiegelung der EQ Kurve im Kopf und das derartige "Einmessen" war leider nicht so von Erfolg gekrönt, sodass ich die Anlage am Ende doch wieder nach Gehör eingestellt habe, was auch ganz gut funktionierte. Es wäre nett, wenn Du mir da noch irgendwie auf die Sprünge helfen könntest; bei Bedarf schicke ich dir auch gerne die gemessenen Kurven zu.


    Beste Grüße,
    David

    Phantomspeisung....
    das heißt NICHT, dass der Mischer nix zu essen bekommt

  • Hi Tomy,


    Er hat die Overlay-Kurve nicht angezeigt.. also die gemessene Raum-Kurve.


    Ich habe die dann später per Trace-Manager einfach als "normale" Kurve 'reingeladen und anzeigen lassen, allerdings hat das Spiegeln im Kopf wie gesagt nicht so wirklich gut funktioniert...


    beste Grüße,
    David


    achja, den Thread zur VA gibts jetzt hier:
    http://www.paforum.de/phpBB/viewtopic.php?p=298594#298594

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