Bleifreies Löten/// Fluch oder Segen?

  • Tach beisammen!


    Dank der ROHS-Verordnung wird über kurz oder lang das bewährte bleihaltige Lötzinn aus den Regalen verschwinden. Bei der maschinellen Fertigung ist dies ja bereits Stand der Technik, sodass man bei verschiedenen Artikeln der Unterhaltungselektronik bereits zwei Logos finden kann: "ROHS" und "PB-FREE Soldered"...


    Allerdings sind in einschlägigen Foren und Quellen die Nachteile dieses neuen Verfahrens zu lesen:


    - Schlechte Beurteilbarkeit der Lötstellen, da diese jetzt immer Matt sind.
    - Dauerhaltbarkeit fraglich
    - Handverlötung extrem aufwändig und schwierig


    Wie steht ihr dazu? Werden wir bald alle neu gekauften Geräte aufgrund von Lötstellenproblemen nach 6 Jahren wegwerfen können?


    Eine kleine Diskussionsrunde hier wäre wünschenswert :wink:


    Gruß, tob
    :wink:

    Ich hasse Leute, die einen Satz beginnen und ihn nicht....

  • Also ich habe letztens 24 XLR- Stecker mit bleifreiem Lötzinn gelötet. Teilweise waren die Lötstellen wie beschrieben matt, manche waren aber auch silbrig glänzend...
    Aber ich kann jetzt nicht sagen, dass das Löten selber wesentlich schwieriger war. Wenn man einmal eine geeignete Temparatur eingestellt hat geht's so schnell und einfach von der Hand wie immer...
    Hatte da auch meine Bedenken gehabt aber ich merke da (außer am Preis des Lötzinns :wink: ) keinen nennenswerten Unterschied. Zur Haltbarkeit kann ich allerdings noch nix sagen.

  • Hi,


    es wird auch weiterhin das alt beweehrte Bleihaltige Lötzinn zu kaufen geben. Hatte mich mal bei diversen Firmen erkundigt die welches herstellen.
    Also kein Grund zur Panik.
    Es gibt halt nur keine Neugeräte mehr wo es eingesetzt wird.


    mfg Holti

  • verträgt sich eigentlich das bleifreie zeug mit dem bleihaltigem lot?
    ich meine wenn man mal was reparieren will...?!

    Wenn keiner weiß, worum es geht, dann geht es hundertprozentig um Geld.

  • Hi,



    ich finde die bleifreie Geschichte zum Handloeten mehr als ungluecklich. Ein Bauteil mit mehr als 2 Pins auszuloeten ist mit 50W-Loetstation praktisch nicht auf dauer machbar.



    outliner: nie verwechseln, bleifrei bleifrei flicken, verbleit verbleit. Am besten zwei Loetplaetze oder notfalls halt wenigstens zweierlei Spitzen.




    VG




    ciao
    bemi

  • Hallo!


    Ich hatte letztens Besuch von einem Vertreter von Weller. Hier ein paar Punkte, die man beachten sollte (und die teilweise oben schon genannt wurden):


    1) Bleifreies Lot (bfL) hat einen höheren Schmelzpunkt.
    2) Das Flussmittel bei bfL verbrennt dafür früher.
    3) Aus 1) und 2) folgt, dass man die Temperatur genauer einstellen muss. Auf keinen Fall darf man über 400°C gehen (auch weil dann die Lötspitzen innerhalb Minuten verzundern ("aufgefressen" werden)). Eine Lötspitzentemperatur von 350-380°C ist ok. Um die aber relativ konstant zu halten, braucht man eine gute Regelung und die Lötstation sollte mindestens 80W haben.
    4) Folge aus 3): Von der Handhabung wird es im Prinzip nicht schwieriger, wenn man eine gute Station hat.
    5) Meine Praxiserfahrung spricht allerdings eine andere Sprache. "Normale" (SMD-)Bauteile sind kein Problem. Wenn es dann aber feiner wird bekommt man doch Schwierigkeiten. Bauteile mit einem 0,5mm Pitch (Abstand zwischen zwei "Beinchen") werden dann etwas fummelig. Sowas lötet aber ein normaler PA-Mensch auch nicht mehr. :D
    6) Mischen sollte man bfL und bleihaltiges auf keinen Fall. Das heißt, man braucht zwei komplette Lötspitzensätze. Einmal für bfL und einmal für bleihaltiges. Bei einem Zusammentreffen der Lote sinkt der Schmelzpunkt rapide ab, sodass sich im Extremfall ein richtig heißes Bauteil schon mal von selbst auslötet.
    7) Folge aus 6): Für Reparaturzwecke wird es auch in 20 Jahren noch bleihaltiges Lot geben. Also keine Panikkäufe.
    8 ) Es gibt extreme Unterschiede in der Qualität des Lotes und des Flussmittels. Teures Lötzinn mit hohem Silbergehalt und (relativ) niedrigem Schmelzpunkt lohnt sich!!!
    9) Vom Aussehen glänzen die Lötstellen leider nicht mehr sondern sind matt. Kalte Lötstellen erkennt man aber trotzdem wenn man gut hinschaut.


    Alles in allem kann man sagen: Wenn man weiß wie es geht und worauf man achten muss, dann ist bleifreies Löten kein Problem. Man braucht nur das richtige Werkzeug.


    PS: Eine kleine persönliche Meinung: Geräte, die nicht 300 Tage im Jahr auf harter Rock'n'Roll-Tour sind oder heiß werden (Amps!) repariere ich blind mit bleihaltigem Lot. Wenn bei meinem Labornetzteil zu Hause nach 10 Jahren wirklich mal eine Lötstelle deswegen abfault, dann wird sie eben wieder repariert. Nur bei Geräten, die lange halten müssen, richtig warm werden und/oder nicht ausfallen dürfen sollte man die oben genannten Punkte beachten.

    Bis dann... Arno!

  • Arno: Full ack, jedoch noch eine Anmerkung. Ich verwende beruflich ein Lot mit hohem Silberanteil. Aus eutektischen Gründen ist es jedoch sehr schwer, eine einmal gelötete Verbindung wieder "flüssig" zu bekommen. Das halte ich für das generelle Problem. Man muss bei größeren Bauteilen schon recht viel Lot aufbringen, damit das Ganze nicht nur nach "Nutella" aussieht, sondern wirklich richtig gelötet wird.

  • Zitat von "DJ Sawtooth"

    - Handverlötung extrem aufwändig und schwierig


    Das hängt stark vom verwendeten Lot ab. Bei dem, was ich verwende (kann jetzt nicht sagen, welches, da ich unterwegs bin), steigt die Schwierigkeit um etwa 20 bis 30%.


    Zitat von "Arno"

    8 ) Es gibt extreme Unterschiede in der Qualität des Lotes und des Flussmittels. Teures Lötzinn mit hohem Silbergehalt und (relativ) niedrigem Schmelzpunkt lohnt sich!!!


    Ja, es gibt deutliche Unterschiede. Aber nicht immer ist das mit dem höheren Silbergehalt das bessere.

    Bitte keine fachlichen Fragen per PM - Inhaber von dBmess

  • Noch etwas Wissen zu diesem Thema hinzu:


    ROHS also "bleifrei" löten wird mittlerweile bereits seit gut 2 Jahren im großen Stil praktiziert. In etwa genausolang gibt es "Langzeit"-Erfahrungswerte von Geräten die bei Kunden im Einsatz sind. Sämtliche Hersteller von Elektronikbauteile wurden angewiesen auf ROHS umzustellen. Wie man sich denken kann, hat dies den ein oder anderen (Fern)-(östlichen) Hersteller nicht wirklich interessiert, so dass selbstredend bleifreie mit bleihaltigen Bauteilen auf der selben Leiterkarte verarbeitet wurden. Wie sonst hätte man sonst liefern wollen ?


    Da niemand weiss wie sich bleifreie Lote und bleifreie Bauteile nach 20 Jahren verhalten, hat man z.B. in der Medizintechnik weiterhin erlaubt bleihaltig zu löten. Reine Vorsichtsmassnahme :wink:


    Für den Veranstaltungstechniker sollten bleifreie Lote kein Problem darstellen, da man (je nach Lotausführung) eigentlich nur eine höhere Verarbeitungstemp. beachten muss.


    Gruss HAMA

  • Wie verhält sich das denn jetzt mit z.B. einem XLR-Stecker von Neutrik?
    Kann ich den, trotz RoHS, weiterhin mit bleihaltigem Lot löten?
    Bin mir da jetzt etwas unsicher, owohl ich neulich noch ein paar
    XLR-Kabel gelötet habe, alles mit Bleihaltigem Lot. Sieht eigentlich gut aus.

    MfG Heini


    (Lasst euch von dem DJ nicht verwirren. ;))

  • Zitat von "ADMIN"


    Ja, es gibt deutliche Unterschiede. Aber nicht immer ist das mit dem höheren Silbergehalt das bessere.


    In der Tat. Es ist aber ein erster Anhaltspunkt, wenn man keine Versuchsreihen starten will.


    Ich schaue nächste Woche im Geschäft nach, für welches wir uns entscheiden haben.

    Bis dann... Arno!