Sturmböe kippt Bühne um ....

  • So ich habe neue Infos :)


    Meine Nachbarin ist vom Urlaub auf Sylt zurück.
    Am Vortag des Umsturzes hing ein "großes" Banner eines Radiosenders in der Bühne.
    Vermutlich auch am Unglückstag.


    Die Veranstaltung am Vortag musste auf Grund von Sturm und sehr starkem Regen der bis an die Bühnenrückwand gekommen ist abgebrochen werden. Stromprobleme gab es wohl auch. Sie hat das Aussehen der Bühne als "großer Luftballon" beschrieben. Ballast stand keiner an der Bühne.


    Bilder gibt es leider keine, da die Kamera den Regen wohl nicht überlebt hätte.

  • Na dann trifft den Veranstalter ja gar keine Schuld, so wie es auch in dem tollen Artikel der lokalen Zeitung zu lesen ist. Das böse Wetter ist Schuld...

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  • Also für mich sieht das Gerät aus wie eine normale Willy-Bühne (so eine wie ich sie schon oft gebaut habe ... zu oft...).


    Diese Konstruktion hat, wenn nicht etwas geändert worden ist, einen ganz normalen Reissverschluss der Marke "etwas amtlicher als an einer Regenjacke", um die Rückplane an der Dachplane zu halten. Das Ding ist einteilig durchlaufend, von der Fahrzeugmitte über Eck, die gesamte hintere Seite, über Eck wieder zur Mitte.
    Am Anfang und am Ende gibt es einen Gurt (20mm breit) mit einem ... nennen wir es Verschluss, sowas was man von Kofferbändern kennt. An der Rückseite gibt es Riemchen, die aber die Plane beim Aufbau nur solange halten, bis man mit dem Reissverschluss dran vorbei ist, dann MUSS man sie aushaken (Riemen aussen, Öse innen).
    Will man die Plane manuell schnell raushaben, zieht man an der Seite wo man aufgehört hat mit zuziehen (meistens von vorne gesehen rechts) das Verschließteil raus und mit einem Ruck am Reißverschluss löst sich alles von alleine - bis auf die Gurte an Anfang und Ende.
    Eine automatische Abwurfeinrichtung gibts hier nicht.


    Die Prüftstatik der Bühne spricht nur von "eigensicher bis Windstärke 8" (beim Worst Case, Wind frontal in die Konstruktion).
    Zitat "Bei größeren Windstärken ist die Bühne vollständig zusammenzuklappen und das Dach runterzufahren".
    An anderer Stelle steht "Bei stärkerem Wind sind alle Seiten zu schließen".


    1) Was soll ich nun machen?
    Dach runterfahren geht verhältnismäßig schnell, vorausgesetzt ich komme an die Handratschen (Stichwort PA-Wings...).
    Zuklappen dauert doch eine Weile, abhängig davon was noch alles auf der Bühne rumsteht, und ich muss mit mehreren Leuten auf die Bühne ... und das halte ich dann doch für mindestens genauso gefährlich bzw. zu gefährlich in dem Fall.
    Alle Seiten schließen ... wie denn?
    Zweite Plane einziehen dauert mindestens genauso lange wie zuklappen, mal ganz abgesehen davon dass ich keine zweite Plane dabei hab ... eine Bühne ist im Normalfall nunmal vorne offen.
    Und gefährlich ists auch wieder, ohne Leiter geht da nichts.


    Wer das Gerät mal bei Windstärken unter 8 erlebt hat, weiss dass es da auch schon ordentlich rappelt.


    Das selbstentwickelte Horror-Szenario sieht folgendes vor:
    Windmesser am Bühnendach oben (son Teil aus dem Bootsbedarf) und Wettervorhersage werden beobachtet (immer).
    Allerspätestens bei Beaufort 8, wenn nicht schon vorher, wird der Betrieb auf der Bühne eingestellt, der Platz davor geräumt, die hintere Plane wird fallen gelassen (sie fliegt nicht weg, weil sie nach unten zum Bühnenboden auch abgespannt ist), und das Dach wird runtergekurbelt. Dann wird abgewartet.
    Betrieb einstellen und Bühne räumen dauert inkl. Ansage ans Publikum vielleicht 5min (auch wenn 100 Chorsänger drauf sind).
    Den Platz räumen kann man zeitgleich mit der Durchsage beginnen, je nach Größe und Entfluchtungsmöglichkeiten dauert das etwas länger ... sagen wir 15min.
    In der Zeitdifferenz von 10min habe ich die Plane raus und das Dach unten.
    Wenn von etwas weiter weg, oder vom Wetterdienst, vom nahen Flughafen, von der Feuerwehr (oder oder oder) der Anruf oder die Meldung kommt, dass es dort schon "los geht", kann man also halbwegs schnell reagieren um alles und jeden in Sicherheit zu bringen.


    Jeder Veranstalter wird über dieses Vorgehen schon im Vorfeld informiert ... "Wenns windig wird, dann..." - im Extremfall dann akut natürlich sowieso.


    Sollte die Bühne mal stehen müssen wo etwas mehr Wind zu erwarten ist, dann würde ich tatsächlich hingehen und zusätzlich ballastieren.
    2t pro Fahrzeuglängsseite, also insgesamt 4t. Das verdoppelt schonmal das Gewicht der gesamten Konstruktion. Zusätzlich Abspannung des Daches nach unten.
    Wassertanks können stehen bleiben, und die Abspannung würde ich unten lösbar machen, sodass man dann auch noch das Dach ordentlich runterbekommt.


    Mal abgesehen davon, finde ich es mehr als fahrlässig (bitte nicht mit dem rechtlichen Begriff gleichsetzen), eine Bühne überhaupt an solche eine exponierte Stelle zu setzen, ganz gleich ob Trailer oder Trussbühne.
    Ich würde jedem Veranstalter, jeder Agentur davon abraten. Jeder kennt aus dem Fernsehen die Bilder von Leuten, die bei Unwetter am Strand umgeweht werden...


    Ist im konkreten Fall eigentlich jemand verletzt worden?


    gruß
    gylo

    ... kann man da nich was löten ? ;)

  • Zitat von "andy006"

    Kennst Du nicht? Ich kenne diese selbstlösenden Konstruktionen nur vom Anblick aber habe bisher noch nie diese Teile in Aktion erleben können (müssen). Kann über die wirkliche Funktion nicht gesicherte Erfahrungen beisteuern. Allerdings hat unser Bühnenbauer bei seinen großen Bühnen die Teile verbaut. Und bei ihm heißt es .... ab Windstärke 6 geht das Dach
    r u n t e r ! Immer!


    Grüße der Andy


    Wie bekommt man denn in einer kurzfristigen Situation das Dach sicher runter? Dafür muß man ja die Stabilität der Konstruktion erst einmal deutlich verschlechtern (Windverbände lösen etc.)

  • Windverbände hat die Willy genau ... 2.
    2 Stahlseile, jeweils von hinten oben runter zu den Drittelpunkten der hinteren Bühnenkante gespannt, also die gleichen Punkte, wo auch die Mittelstützen ins hintere Dach eingehängt werden.
    Beides muss natürlich raus, bevor man das Dach runterholt. Ebenso die insgesamt 4 Stützen, die die 2 Dachteile an den Außenecken halten.
    Ich möchte mir aber nicht ausmalen, was bei einer richtigen Windböe passiert, wenn genau die Verbindung gelöst wird, die die Dach-Seitenteile davon abhält, nach oben weg zu klappen ...


    Ansonsten muss man nur zwei Bolzen ziehen und mit Handratschenzügen (es gibt auch Kollegen die sich die Bühne auf Hydraulik haben umrüsten lassen) das Dach ablassen.
    Parallel dazu klappt allerdings der Bühnenboden hoch, also muss die Bühne vorher zwangsläufig komplett leer sein.


    gruß
    gylo

    ... kann man da nich was löten ? ;)

  • Zitat von "gylo"

    Windverbände hat die Willy genau ... 2.
    2 Stahlseile, jeweils von hinten oben runter zu den Drittelpunkten der hinteren Bühnenkante gespannt, also die gleichen Punkte, wo auch die Mittelstützen ins hintere Dach eingehängt werden.
    Beides muss natürlich raus, bevor man das Dach runterholt. Ebenso die insgesamt 4 Stützen, die die 2 Dachteile an den Außenecken halten.
    Ich möchte mir aber nicht ausmalen, was bei einer richtigen Windböe passiert, wenn genau die Verbindung gelöst wird, die die Dach-Seitenteile davon abhält, nach oben weg zu klappen ...


    War da nicht was, dass im Sturmfall ein Ablassen der Bühne, ein Entplanen oder wie auch immer binnen 10 Minuten stattfinden muss, ohne dass die Bühne betreten werden muss?
    Wir haben jedenfalls an unseren mobilen Bühnen Abplansysteme, entweder mittels Laufschienen am Bühnendach und Rollen an den Planen bei den großen Bühnen (Vorteil: man muss die Planen nicht zwangsweise rausziehen sondern kann sie auch zusammenziehen und um den Tower ratschen mit Spanngurt), oder bei den kleineren Bühnen mittels Kederschienensystem (von hinter der Bühne lassen sich die Planenstreifen herunterlassen) oder mit Klettverschluss, womit man ebenfalls von hinter der Bühne die Planen herunterlassen kann.
    Ablasssysteme sind so einfach zu realisieren, und trotzdem macht sich kaum ein Hersteller so wirklich Gedanken drum