Musikalisches Live Mischen

  • Zitat von "simonstpauli"

    ...Ich denke wirklich, daß das das beste Argument gegen kreative Ideen beim Mischen ist, daß man eher nicht den "tollen" Effekt einsetzt, weil man eben sonst zu Teil der künstlerischen Darbietung wird und so die Distanz zu derselben verliert.


    Ich denke, das "Problem" mit dem "tollen" Effekt ist in der Regel viel banaler und zwar der Gestalt, dass der/die Künstler das dann doch gaaanz anders sehen... :wink:
    Darüber hinaus halte ich das hier angesprochene Problem der zu geringen Distanz zur künstlerischen Darbietung für ausgesprochen hypothetisch. Viel häufiger ist es doch eher umgekehrt, also 'Distanz zu groß', wobei das vielfältige Formen haben kann:


    Mischer versteht nicht, was Künstler meint/will
    Mischer ist desinteressiert
    Mischer ist technikverliebt
    "Distanz" vornehm für musikalisches/technisches Unvermögen
    u.s.w.

  • Zitat von "guma"


    Mischer versteht nicht, was Künstler meint/will


    Kann vorkommen, wenn man die Künstler überhaupt nicht kennt und die Combo so mischt, wie man solche Musik mischen würde, das aber genau kontraproduktiv zu dem ist, was die Combo gerne hätte.


    Was aber ein Problem mangelnder Kommunikation ist, oder übertriebener Geiz einen eigenen Tonmann mitzubringen.

    Zitat


    Mischer ist desinteressiert


    Das gibt es immer und überall, wobei ja eventuell auch das Auftreten der vermeintlichen möchte-gern-Stare vorab eine Rolle spielte.

    Zitat

    Mischer ist technikverliebt


    Sowas soll es geben :wink: nicht nur hier....

    Zitat

    "Distanz" vornehm für musikalisches/technisches Unvermögen
    u.s.w.


    Besser, als im eigenen vermeintlichen "Wohlklang" zu baden.....oder zumindest auch nicht schlechter als *vermeintlicher* Wohlklang.

    Machen Sie das hauptberuflich oder verdient die Frau dazu?

  • Zitat von "wora"


    das verstehe ich jetzt nicht wirklich.
    wenn der mischer eine band mischt, dann ist sein werk eindeutig teil der darbietung.
    wieso sollte er denn dazu distanz wahren?


    es sei denn, dass der künstler ausdrücklich darauf besteht, das der mann am FOH keine eigenen ideen einbringt. dann ist die sache natürlich klar. aber das ist mir persönlich erst ein einziges mal passiert.


    Ich weiß nicht, wie ich es anders ausdrücken soll, künstlerisch ist für mich noch eine andere Ebene als Mischen (jetzt gemeint der Mix einer unbekannten Band, mit der man keine Absprachen hat). Um überhaupt den Mix erstellen zu können muß ich analysieren, was künstlerisch auf der Bühne passiert, also kann ich selbst nicht Teil davon sein.


    Wenn man mit einer Band unterwegs ist, wird man natürlich gerne und oft Teil der künstlerischen Darbietung. Selbst dabei sollte man so viel Distanz wahren, um im Zweifel den Defekt einer Gitarrenanlage feststellen und ggf. auch beheben (lassen) zu können.



    Wenn der "tolle" Effekt daneben ist, kann der Künstler aber auch genau die 4 genannten Eindrücke gewinnen. Das passt in beide Richtungen.


    Distanz wird zwischen Musiker und Mischer oft in persönlicher Präferenz gemessen, die tatsächliche analytische Distanz ist unsere Sache. Meine Meinung.

  • Zitat von "simonstpauli"

    ...
    Ich weiß nicht, wie ich es anders ausdrücken soll, künstlerisch ist für mich noch eine andere Ebene als Mischen (jetzt gemeint der Mix einer unbekannten Band, mit der man keine Absprachen hat). Um überhaupt den Mix erstellen zu können muß ich analysieren, was künstlerisch auf der Bühne passiert, also kann ich selbst nicht Teil davon sein.


    als mischer ist man die schnittstelle zwischen künstler und publikum. und man ist die schnittstelle zwischen "art and science", da man die künstlerischen geräusche in akustische schwingungen übersetzen muss, die das publikum hören kann. nicht mehr, aber auch nicht weniger.
    das heisst, der mischer entscheidet (im idealfall) zu grossen teilen, wie die sounds beim publikum ankommen. schon das allein sehe ich persönlich als kreativen akt an, denn man greift ja direkt und aktiv in die mischverhältnisse ein, und damit auch unmittelbar in die darbietung. auch ganz ohne den mysteriösen "besonderen effekt".


    natürlich ist der mischer in aller regel kein "künstler", sondern doch der dienstleister für die diese.
    und die "artists" sind in aller regel ebenfalls wieder dienstleister, diesmal für das publikum (was manche aber gar nicht so sehen wollen). da sie, die künstler, aber leztendlich die quelle der show darstellen, ohne sie also gar nix geht, gebührt ihnen selbstverständlich die grösste aufmerksamkeit.
    ich denke so weit könnten wir übereinstimmen.



    @all:
    das es auf beiden seiten scharlatane gibt, darüber müssen wir sicher nicht sprechen, das ist durchaus bekannt.
    ich würde bei der diskussion gerne bei so einer art "idealzustand" bleiben, also gute künstler, guter mischer, gutes publikum... und zur krönung noch eine einigermaßen gute akustik. sonst verzetteln wir uns in endlosen ausnahmen von der regel 8)
    ok? ;)





    Zitat von "simonstpauli"

    ...Wenn man mit einer Band unterwegs ist, wird man natürlich gerne und oft Teil der künstlerischen Darbietung. Selbst dabei sollte man so viel Distanz wahren, um im Zweifel den Defekt einer Gitarrenanlage feststellen und ggf. auch beheben (lassen) zu können.
    ...
    Distanz wird zwischen Musiker und Mischer oft in persönlicher Präferenz gemessen, die tatsächliche analytische Distanz ist unsere Sache. Meine Meinung.


    ich verstehe den ansatz immer noch nicht so ganz. bei zu wenig distanz des mischers zu seinen künstlern besteht das problem, das er die technik aus den augen verliert?

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Zitat

    ... die tatsächliche analytische Distanz ist unsere Sache. Meine Meinung.


    Braucht die im Hintergrund schraddelnde Gitarre wirklich eine Plugin Kombination aus drei Effekten, oder ist das nur persönliche Soundbeweihräucherung des Tonmenschen, eben drei Plugins als Kette zusammenzubasteln...


    wahlweise passt das auf jedes Instrument ;) und auf jegliche Auswüchse "ohne Mikro x UND Mikro y in einer auf 43 Grad ausrichteten Achse KANN diese Snare nicht klingen"
    Leider macht dieses ganze Gehühner die Musik nicht einen Deut besser oder schlechter :wink:

    Machen Sie das hauptberuflich oder verdient die Frau dazu?

  • Ich denke, ein Großteil der Verwirrung kommt daher, daß ich viele Aktionen am Pult einfach nicht als kreativ bezeichne, sondern der Dienstleistung zugehörig. Wenn ich beim Metal mit zillionen Mikrofonen, Delays und Spielereien die Gitarren breit mache, ist das unter dem Strich für mich trotzdem nicht kreativ, weil ich nur etwas unterstütze, was von der Bühne kommt. Original klingende Effekte bei Cover-Songs? - Dienstleistung, aus dem musikalischen Gedächtnis abgerufen. Im Grunde ist da auch der Musiker nicht mehr künstlerisch tätig, sondern reiner Dienstleister, er spielt möglichst originalgetreu einen Song, den es schon gibt. Und vielleicht wird an diesem Beispiel klar, was ich meine, eine übermäßige "künstlerische" Betätigung des Musikers in einer Cover-Band kann zu Irritationen im Publikum führen, weil die das eben nicht so erwarten oder wollen.


    Kreativ hab ich am Theater gearbeitet, dort war ich Teil der künstlerischen Darbietung.


    Ähnliches gilt für Original-Künstler, nach Absprache. (Wobei auch hier oft der Studio-Klang als "Master" genommen wird und teilweise sogar 1:1 mit den gleichen Plugins umgesetzt wird. In der Summe schätze ich den Kreativitätsgrad im Studio deutlich höher ein als live)

  • Zitat von "guma"

    @ Christian
    Hab' ich verstanden, sehe ich auch genau so, klärt aber immer noch nicht die "Distanzfrage" ?


    Das stimmt. Das sind ja jetzt bereits 2 Ebenen, ich war erst am Anfang des Gedankens und muß da weiter drüber nachdenken.


    In der Praxis geht ja jeder etwas anders damit um, im Grunde ist es ein Interessenkonflikt, idealerweise gibt man den Künstlern das Gefühl von Übereinstimmung, daß man im selben Boot sitzt und schaut gleichzeitig analytisch auf das Bühnengeschehen. Daraus kann (muß nicht) dann wieder tontechnische Kreativität entstehen.

  • Zitat von "simonstpauli"

    ... im Grunde ist es ein Interessenkonflikt, idealerweise gibt man den Künstlern das Gefühl von Übereinstimmung, daß man im selben Boot sitzt und schaut gleichzeitig analytisch auf das Bühnengeschehen. ...


    ich sehe darin keinen interessenskonflikt.
    natürlich ist unser tun in erster linie eine dienstleistung, denn wir bekommen ja geld dafür. genau so wie die künstler auch.
    und bezahlt werden wir alle letztendlich vom publikum, ergo ist also das publikum der hauptkunde. und dafür versuchen wir so gut es geht, ein angenehmes erlebnis zu schaffen. dazu gehört das mischen der einzelkanäle zu einem gesamtergebnis, das möglichst viele leute zufrieden stellen kann. und das ist ja ebenfalls im interesse des künstlers oder der künstler.
    na ja, zumindest ist das in der regel der fall :D

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Zitat


    ... unser Tun ist in erster linie eine Dienstleistung, denn wir bekommen ja Geld dafür. Genau so wie die Künstler auch- und bezahlt werden wir alle letztendlich vom Publikum; ergo ist also das Publikum der Hauptkunde. Dafür versuchen wir, so gut es geht, ein angenehmes Erlebnis zu schaffen, dazu gehört das Mischen der Einzelkanäle zu einem Gesamtergebnis das möglichst viele Leute zufrieden stellen kann....


    1+
    sehe ich fast genau so

    peter birkholz

    pb-showtechnik.de

  • Zitat von "Karel Noon"

    In kurz: ich muß beim Versuch dem Publikum das bestmögliche Ergebnis zu präsentieren dem Künstler das Gefühl geben das alles nur für ihn zu tun 8):D


    das stimmt ja in gewisser weise auch.
    denn wenn das publikum zufrieden ist, dann ist in aller regel auch der künstler zufrieden.
    das ist also kein widerspruch.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Solange es nur um die Präsentation des bestmöglichen Ergebnisses geht, stimme ich euch zu. Das heisst aber nicht zwangsläufig, dass es dem Publikum auch immer gefallen soll.
    Bei FreeJazz frage ich mich manchmal, ob nicht musikalisches Musizieren wichtiger wäre, als musikalisch zu mischen. :twisted:

    ...hauptberuflicher Sarkastiker.

  • Zitat von "treibsand"

    Solange es nur um die Präsentation des bestmöglichen Ergebnisses geht, stimme ich euch zu. Das heisst aber nicht zwangsläufig, dass es dem Publikum auch immer gefallen soll.
    Bei FreeJazz frage ich mich manchmal, ob nicht musikalisches Musizieren wichtiger wäre, als musikalisch zu mischen. :twisted:


    Bist Du wahnsinnig? Bei Free Jazz werden 2 Musiker, die grooven, sofort vereinzelt und dürfen nie, nie wieder zusammen auf die Bühne.


    Auch Andy Warhol dürfte in der Factory nicht unbedingt immer auf Publikums-Vorlieben eingegangen sein. Zufrieden ist das Publikum trotzdem. Und da kommt die nächste Ebene, mischen wir jetzt so, wie es dem Publikum gefällt, oder so, wie es dem Publikum gefallen soll. Das ist ein möglicherweise großer Unterschied.

  • Zitat von "simonstpauli"

    [
    Auch Andy Warhol dürfte in der Factory nicht unbedingt immer auf Publikums-Vorlieben eingegangen sein. Zufrieden ist das Publikum trotzdem. Und da kommt die nächste Ebene, mischen wir jetzt so, wie es dem Publikum gefällt, oder so, wie es dem Publikum gefallen soll. Das ist ein möglicherweise großer Unterschied.


    Dass ist wohl wieder eine Kompromiss Frage.
    Oder sehe ich das falsch?
    In dieser Hinsicht ist ja die Frage ob wir MEHR auf das Publikum oder auf die Musik des Künstler/Band eingehen sollten oder?


    Ich hab nicht so viel Erfahrungen wie Ihr, deshalb frag ich euch wie klingt dann das entweder/oder?
    Kann mir jemand ein Beispiel geben? Wie Mischt man DASS es dem Publikum gefällt, oder so, wie es dem Publikum gefallen SOLL?

    Shit in Shit out

  • Selbst das würde ich noch etwas differenzierter sehen.
    Dazu gibt es leider auch zu viele Musiker, denen ihr Ego etwas im Weg steht (soll ja auch unter Mischerkollegen vorkommen). Es gibt nicht zu wenige Bands, bei denen der Sänger ein ähnliches Bedürfnis hat, wie das Publikum...

    ...hauptberuflicher Sarkastiker.