Herstellerangaben: "Leistung", "max. SPL" - Worauf ist noch Verlass?

  • Moin zusammen,

    bin hier gerade wieder Aktivlautsprecher verschiedener Hersteller am Vergleichen und stelle mir folgende Frage...

    Wir nehmen einmal an:


    Aktiv-Subwoofer Hersteller A
    Auszug Herstellerangaben:
    Leistung (RMS): 450W
    Leistung (Peak): 900W

    Max. SPL: 133dB


    Aktiv-Subwoofer Hersteller B

    Auszug Herstellerangaben:

    Leistung (RMS): 900W

    Leistung (Peak): 1800W

    Max. SPL: 133dB


    Ansonsten alle anderen Angaben auch sehr ähnlich oder sogar gleich. (Frequenzgang u.s.w.)
    Erster Gedanke war "Naja Hersteller B hat auf jeden Fall den leistungsfähigeren Subwoofer auf dem Markt"
    Zweiter Gedanke war "Aber moment mal, Herstelle A schafft ja (zumindest auf dem Papier) den gleichen Schalldruck"

    Jetzt die große Frage: Ist der Verstärker bzw. DSP von Hersteller A einfach effektiver und kann mit weniger Leistung trotzdem hohe Schalldrücke realisieren oder werden die Herstellerangaben einfach irreführend gehandhabt.

    Ist der Hersteller bei der Angabe "Max. SPL" immer dazu verpflichtet die Angabe in z.B. "dB(A)" anzugeben oder kann da auch getrickst werden.
    Wie aussagekräftig sind die ganzen Daten überhaupt, kann man sich da auf irgendetwas verlassen?

    Freue mich auf eure Meinungen zu dem Thema.

  • Also eine Pflicht für spezielle Messungen besteht meines wissens nach nicht.

    In dem Fall kann es auch gut sein das Hersteller A einen besseren Wirkungsgrad hat (Betrifft aber nicht die Endstufe oder den DSP) und dadurch den gleichen Pegel schafft.

    Allgemein sind die Werte aber nur für Träumer.

    In den meisten fällen hat man eher das Gefühl das der MaxSPL eher gewürfelt wurde.

  • Bei aktiven Kisten sind mir die Watt-Angaben komplett schnuppe. Ggf. schaue ich mir die SPL Angabe an, als groben Richtwert. Man könnte noch anschauen, wieviel Strom die Kiste zieht. Was das Ampmodul macht, interessiert für die Praxis nicht, solange es funzt.

    Der Ton macht die Musik.

  • max SPL ist gerechnet und in 99% der fälle nicht meßtechnisch ermittelt.

    Solche Leistungsangaben sagen erst mal gar nix, auch Angaben von x Watt sagen rein gar nix.


    Die Frage ist auch immer wie wurde gemessen, innerhalb welchem Fenster und welche Gewichtung und in welchem Abstand. Halbraum, Vollraum, etc...

    Wenn diese Angaben nicht dabei stehen, dann ist dies alles Kaffeesatzlesen mit defekter Kristallkugel.


    Interessanter sind dann Angaben zum Wirkungsgrad und ein Frequenzschrieb.

    Aus dem Wirkungsgrad und der max. Leistung des Chassis bzw. der Endstufe (falls diese der limitierende Faktor ist) errechnet sich max. SPL. Doch wie gesagt: weniger wichtig vor allem wenn keine signifikante Abweichung vorhanden ist. Allerdings kann man damit grob abschätzen ob man einen bestimmten Pegel auf x m erreichen kann oder nicht. Wie das dann klingt sei mal dahin gestellt.


    Entscheidender ist, wie sich eine Box in der Realität auf dem Job schlägt bzw. einen Probeaufbau im Vergleich machen.

    Laut heisst nicht immer gleich gut und toll und wer schreit ist meist im Unrecht.

  • Ja, leider gibt es bisher kein international einheitliches, für alle verbindliches Verfahren zur Ermittlung und Angabe des SPLmax. Das führt automatisch immer wieder zu Irritationen, Nachfragen, Diskussionen. Hersteller, welche eher plausible, nachvollziehbare Angaben machen, haben dabei regelmäßig das Nachsehen, vor allem bei Kunden die nach Datenblatt bzw. nach Ausschreibungstext kaufen (müssen), ohne die infrage kommenden Produkte je selbst gehört und ausprobiert zu haben. Die Kollegen von Martin Audio schreiben inzwischen schon in ihre Datenblätter die Fußnoten: "Beim Vergleich mit Wettbewerbsprodukten bitte 6dB zu den von uns veröffentlichten Werten hinzuaddieren"...


    Grundsätzlich skeptisch sollte man sein, wenn im Datenblatt keine Angaben zur Empfindlichkeit (Pegel in 1m bei 1W) gemacht werden. Hat man diesen Wert sowie eine Angabe der elektrischen Belastbarkeit, ist es sehr einfach, den theoretisch möglichen SPLmax auszurechnen.


    Manche geben die Empfindlichkeit bei 2.83V an, was aber nur für 8-Ohm Lautsprecher 1W sind, für 4-Öhmer sind es schon 2W... Die Messbedingungen (Vollraum, Halbraum/Groundplane) sind auch wichtig, der Hersteller sollte das zumindest auf Nachfrage benennen können.


    Anekdote zum Thema: Auf einer Hausmesse fragte mich mal ein ausländischer Kunde, mit welchen Wettbewerbern wir eins unserer Produkte vergleichen würden. Ich nannte ihm ein paar Modelle der gängigen Marktführer. Da winkte der ab "Phaa! Keine Chance! Ich hab vorhin mal auf dem Anschlussfeld von eurem Produkt geschaut! Das XYZ macht 10dB mehr SPLmax!".


    ZEHN Dezibel! Ich hielt das erst für einen Fehler, aber ein Blick auf die Webseite des Herstellers bestätigte die Aussage. Dass dies in der Realtiät nicht ganz stimmen kann wenn die grundsätzliche Konfiguration und Bestückung der Kontrahenten sehr ähnlich ist und an den Grenzen des technisch Machbaren liegt, ist offensichtlich. Glücklicherweise haben wir einen Kunden, der diese beiden Produkte besitzt und uns bestätigen konnte, dass sich beide in der Praxis in Sachen Pegel so gut wie nichts nehmen. Das eine hat da kleine Stärken, das andere dort. Laut Papier müssten das Welten sein.

  • Man kann schon noch genauer hinsehen was da für Werte angegeben sind. Bei unseren hochwertigen Concert Sound Produkten geben wir Max SPL nach EN 60268-21:2019 an, das ist dann schon besser vergleichbar. Bei vielen weiß man es nicht, und so lange Kunden online nach reinen Werten kaufen wird in der unteren Preislage da so schnell keine Änderung kommen.

    Privater Account mit meiner persönlichen Meinung.

    Sollte es ein Problem mit meiner Neutralität zu einem Thema geben mache ich das im Beitrag kenntlich. :thumbup:

    http://www.noon.ruhr


    Application Support Engineer - HK Audio

  • Die Messbedingungen (Vollraum, Halbraum/Groundplane) sind auch wichtig, der Hersteller sollte das zumindest auf Nachfrage benennen können.

    Was würdet ihr sagen ist meistens der Fall?


    Ich tippe mal auf Halbraum weils aufm Datenblatt besser aussieht und zumindest bei Bässen auch eher dem realen Anwendungsbereich entspricht.

    Wer nicht will, der hat schon.

  • Zur Illustration, wie Hersteller ihre Produkte anpreisen gefällt mir das Beispiel der 10" Opera von db technologies:


    Die 410 D wurde mit 400W RMS beworben: https://images.thomann.de/pics/prod/233440_datenblatt.pdf

    Die 710 DX wurde mit 700W PRG beworben: https://www.dbtechnologies.com…oducts/opera-710-dx-p719/


    Die beiden Boxen haben quasi identische technische Daten. Die 710 ist 1kg schwerer, falls das nicht ein Druckfehler ist.


    Die Opera 10, welche tatsächlich etwas anders ist, wird mit 1200W Peak beworben: https://img.kleinanzeigen.de/api/v1/prod-ads/images/35/35d722b2-a44a-4e20-aaae-b6c0a71c8c87?rule=$_59.JPG


    Die Box hatte auch bei mir diesen riesigen Aufkleber mit den 1200W auf dem Gitter...


    Gleicher Hersteller - passt sich offenbar an den Zeitgeist an...

    Der Ton macht die Musik.

  • Was würdet ihr sagen ist meistens der Fall?


    Ich tippe mal auf Halbraum weils aufm Datenblatt besser aussieht und zumindest bei Bässen auch eher dem realen Anwendungsbereich entspricht.

    Die meisten Hersteller nutzen alles was geht:

    • Peak-Wert => gibt 6dB mehr auf dem Papier
    • Halbraum => gibt 6dB mehr auf dem Papier. Bei Subs wäre das in Ordnung, wird aber auch bei Tops gemacht, obwohl das wenig sinnvoll ist,
    • Gemessen wird oft bei 10% THD. Der Wert ist im Bass-Bereich akzeptabel, aber im mittleren oder hohen Frequenzbereich klingt das dann schon nicht mehr besonders edel.
    • Es ist davon auszugehen, dass viele Hersteller sich für einen tollen Maximalwert bei der Messung vermutlich auf einen mittleren Frequenzbereich beziehen, da dort der höchste Schalldruck bei vergleichsweise niedrigen Verzerrungen möglich ist. Im Bassbereich oder in Höhenbereich wäre der THD-Wert schon früher erreicht.

    Im Ergebnis holt man so für den "Papierwert" mindestens 12dB oder gern auch noch mehr gegenüber dem "Nutzwert" heraus. Nicht zu vergessen: So am Limit geprügelt fühlt sich die Box auch nicht mehr wohl - mit Konsequenzen für Klang und Lebensdauer.


    In der Realität kann man von einem Wirkungsgrad von ca. 95dB/1W/1m für einen typischen Tieftöner ausgehen und von da aus mit jeder Leistungsverdoppelung 3dB draufrechnen. Ergibt dann für 512W einen Schalldruck von 122dB bei 1m Entfernung.

    (Die Angabe für den SPL/1W/1m im Datenblatt von Subwoofer-Treibern bezieht sich meist auf einen Frequenzbereich deutlich oberhalb des Nutzbereichs. Der im Einsatzbereich wirksame Wert liegt deutlich niedriger.)


    Passend dazu die Herstellerangaben zur HK 112F (passive Tops):

    • Belastbarkeit nominal (RMS): 500W
    • Belastbarkeit Programm: 1000W
    • Belastbarkeit Peak: 2000W
    • Max SPL Halfspace @10% THD: 128dB
    • Max SPL Halfspace Peak @10% THD: 134dB

    Beworben wird dann von den Herstellern meistens der höchste Wert (134dB). Zieht man von den (realistischeren) 128dB noch die 6dB für Vollraum statt Halbraum ab, kommt man exakt zum weiter oben kalkulierten Wert von 122dB. Ganze 12dB unter dem "Werbewert".


    Leider gibt es einen Wettlauf um Zahlen. Momentaner Spitzenreiter ist Yamaha mit der DZR-Serie: Die DZR15 wird mit einem Wert von 139dB SPL peak angegeben und die DZR315 sogar mit einem "Traumwert" von 143dB SPL peak. Laut Datenblatt "Measured SPL Peak with pink noise @1m" (aber ohne Angabe eines maximalen THD-Werts).


    Ich habe da so meine Zweifel...

  • Bei Subwoofern gibt es auch kein "Zaubermittel". Grundsätzlich ist ein Bassreflex-Sub eben ein Bassreflex-Sub und alle kochen nur mit Wasser.


    Dabei kommt es allerdings auf die Abstimmung an. Man kann das System aus Speaker / Gehäuse und Resonator eher gleichmäßig bzw. breitbandig abstimmen. Das klingt dann ausgewogener, man erreicht aber nicht so hohe Maximalwerte.


    Stimmt man das System "resonanter" ab, dann erreicht man höhere Maximalwerte, diese jedoch nur in einem eher schmalen Frequenzbereich ("One Note Bass"). Auf dem Datenblatt ist dieser Sub dann lauter. Ob das aber besser klingt...


    Fazit: Den im Netz verfügbaren Daten (Datenblätter, GLL-Daten, Messungen bei PP) kann man schon einiges entnehmen und auf diesem Wege schon manche Spreu vom Weizen trennen. Aber letztlich beantworten sich viele Fragen bei einem (Vergleichs-)Test unter Live-Bedingungen.