Sänger sind Künstler.
Künstler sind technisch dumm, deswegen gibt es Techniker.
Die Wahl des Mikrofons obliegt dem Techniker, denn dessen Kunst ist es, das für seine Arbeit richtige Mikrofon zu wählen.
Wie soll denn der Sänger sein "passendes Mikrofon" kaufen. Er geht zum Musikalienhöker und sagt: "Guten Tag ich bin Sänger und ich habe Geld und suche ein passendes Mikrofon"(So haben wahrscheinlich die meisten Sänger ihr Mikrofon gekauft)
Der Höker legt dann seine schönsten Ladenhüter auf den Tisch. Wenn der Sänger Glück hat, werden die Mikrofone sogar kurz über ein BehringerPult an eine HongKong-PA in Zimmerlautstärke angeschlossen. Dann kann man sie sich mit gequält unsicherem Blick umblicken sehen "ist das jetzt besser als das vorige?"
Andere Musiker sind hoffentlich auch Künstler.
Auch sie gelten daher als technisch dumm und scheiden daher als Mikrokaufberater aus. Tontechniker sind nun mal die einzigen, bei denen die Chance besteht, dass sie das Gesamtklangbild eines Konzertes beurteilen und vor allem die einzelnen Bestandteile und deren Rolle erkennen können. Es braucht oft sehr lange im Leben eines Bassisten, bis er weiß, dass sein Sound eben nicht unbedingt viel Bass braucht, mindestens ebensolange, wie der Gitarrist braucht, bis er weiss, dass er lieber besser spielt, als sich Gedanken zu machen, wie er noch mehr Wumms aus seiner Anlage bekommt. Und der Sänger? Der hat von alledem überhaupt keine Ahnung und das ist gut so.
Wenn überhaupt, kauft bitte der Leib- und Magen-Techniker das Mikro für den Sänger (insbesondere bei Funkmikrofonen eine gute Idee).
Ich habe es tausendfach erlebt, dass Sänger mit unglaublich teuren(!) Mikros auftauchten, mit denen sie überhaupt nicht umgehen konnten (das poppt und zischt und kracht und weht...). Die Schuld bekommt dannn der Techniker- denn am Mikro kanns nicht liegen, das war nämlich teuer!
Unsinn!
Ich muss zugeben, dass ich einige Mikrofone durch Sänger, die sie mitbrachten, erst kennen und schätzen gelent habe. Das sind zwei seltene Ausnahmen, von denen die eine auch eine sehr individuelle Lösung war.
Dazu kommt, dass man die gleiche Stimme je nach Kontext ganz unterschiedlich angehen und mikrofonieren kann, und: viele Techniker arbeiten grundverschieden. Wenn mir einer mit nem Beta kommt, kriege ich das kalte Schütteln !
Das Hygiene-Argument lasse ich gern gelten (das tut wohl jeder, der mal ein 58 säubern musste). Wer also unbedingt sein eigenes Mikro will, ist mit einem SM58 gut bedient, denn: damit kommt jeder Techniker klar, man weiß was da rauskommt, und es gibt kein Mecker.... Wenn der Sänger aber mit stolzgeschwellter Brust sein Mahagonie-Köfferchern auf die Bühne stellt ("Bitte Vorsicht, da ist mein Mikro drin..."), haben viele Techies und auch ich meist schon so böse Vorahnungen, dass man schon gar keine Lust mehr hat.
Gerade auf Festivals, wo man vom eigenen Mikrofon einen Vorteil erwarten sollte, erlebt mancher (zunächst) sein blaues Wunder, wenn er ein dem Techniker unbekanntes Mikrofon verwendet. Das beste Ergebnis erzielt man immer dannn, wenn man den Technikern vor Ort freie Hand lässt. Und wenn man vor Ort an eine Torfnase gerät, reißt das eigene Mikro einen auch nicht aus der Katastrophe.
Zugegeben ist das SM58 gerade für Mädchen und auch für manchen Herren nicht die optimale Wahl und man findet immer besseres...
Aber vor Ort wird die Antwort auf ein 58 immer ein kurzes "ok" sein, während alles anderes immmer ein "achso, eigenes Mikro, na schaun wir mal" provoziert.
Ich bin jedenfalls froh und dankbar, wenn ich dem Sänger ein Mikrofon meiner Wahl in die Hand drücken darf. Das darf gern so bleiben, dass die ohne Mikro reisen. Ich sag dem ja auch nicht: Du musst bitte alles eine Terz höher singen, meine Anlage ist untenrum ein bischen schwach....
Gruß
Opi
Vielleicht klingt das alles sehr abwertend die Künstler betreffend? Das ist keineswegs so gemeint. Künstler leben und sind Phantasie, die sie auf der Bühne ausdrücken. Dafür werden sie bezahlt. Diese Phantasie macht auch vor ihrem Klangempfinden nicht halt. Manche Musiker verstehen sich eher als Handwerker und sind durchaus auch technisch versiert. Aber auf der Bühne hört man halt das Konzert nicht so, wie es FOH wirklich ist. Wie sehr die äußeren Gegebenheiten wie Halle, Klangverhalten der PA und Biernot die nötigen Vorgehensweisen in der Tontechnik beeinflussen, davon verstehen noch nichtmal alle Techniker was, von den Mukkern ganz zu schweigen.