Wer haftet auf welcher Rechtsgrundlage bei Gehörschädigung?

  • Guten morgen,


    vor einigen Tagen hatte ich ein interessantes Gespräch mit dem Inhaber einer Agentur. Es ging darum, wer bei der Klage eines Besuchers (Gehörschädigung) haftet - also Technikfirma oder Veranstalter? (Wir stehen übrigens in keinem Geschäftsverhältnis - es war ein privates Gespräch).


    1. Wer haftet (strafrechtlich + zivilrechtlich), wenn ein Besucher klagt und mit Atest nachweist, dass er einen Gehörschaden erlitten hat? (Vorausgesetzt: Der Techniker hat sich zu keinem Zeitpunkt den Anweisungen des Veranstalters widersetzt.)


    2. Falls der Veranstalter haftet, kann er seine zivilrechtliche Verbindlichkeit an die Technikfirma oder den FOH-Techniker weitergeben? (Vorausgesetzt: Der Techniker hat sich zu keinem Zeitpunkt den Anweisungen des Veranstalters widersetzt.)


    3. Als Resultat aus 1+2 : Ist es Aufgabe des Veranstalters, eine mitlaufende Pegelmessung zu beauftragen oder muss die Technikfirma diese automatisch selber durchführen?


    4. Wie (3): Wenn der Veranstalter die mitlaufende Pegelmessung nicht von der Technikfirma fordert (d.h. steht nicht im Angebot / Vertrag), gibt es dann einen Grund für die Technikfirma diese zu liefern?


    Mich interessiert vor allem, auf welcher Rechtsgrundlage dies passiert.


    (Ich habe mir einige alte Beiträge durchgelesen - teilweise sind diese sehr alt. Gibt es Änderungen?)


    Viele Grüße


    Stephan

    Veranstaltungstechnik, Konferenztechnik, Medientechnik in Bergisch Gladbach bei Köln mieten: http://www.graeske.de

  • Unter http://www.dbmess.de/vorschriften_frame.html findest du die relevanten Vorschriften, Normen und Gesetze. Demnach siedeln die Gerichte (nicht zwingend die Gesetze) die Verantwortung beim Veranstalter an.
    Anders bei der TA Lärm, dort spricht man vom "Betreiber", und der ist der Veranstalter. Aber die betrifft die Gehörgefährdung des Publikums nicht.
    Ob der Veranstalter anschliessend die Verantwortung im Innenverhältnis auf den Techniker oder die ausführende Company abwälzen kann, ist unklar. Sicherheitshalber sollte man in den AGB einen Passus einfügen, der das regelt. Man könnte ja anbieten, eine normgerechte Durchführung der Schallpegelmessung zu machen, und andernfalls die Verantwortung ablehnen.
    Ob eine solche Messung stattfindet oder nicht, ist Entscheidung des Veranstalters. Ob du diese Mehrleistung trotzem anbietest, obwohl sie dir nicht bezahlt wird, musst du letztlich selbst wissen. Eine Veranstaltung, die pegelmässig normgerecht abläuft, wird vermutlich leiser (nicht leise, aber leiser) als ohne Messung. Wenn man geschickt aufbaut (und die VA groß genug ist), ist das nicht wirklich ein Problem, der Veranstalter sollte das nur wissen...

    Gruß,
    Christoph Holdinghausen

  • Hi Stephan,


    das ist eine sehr interessante Frage, die du aufwirst - und zu der es so noch kaum Rechtsprechungen gibt...


    Aber um einmal einen groben Überblick zu bekommen (dies ist keine Rechtsberatung, sondern ledigliche Hinweise/Erfahrungne):


    zu Frage 1:
    Es wird schwer sein, dass der Hörschaden aufgrund zu lauter Musik entstanden ist. Es gibt ja auch noch zahlreiche andere Faktoren wie z.B. Stress etc., die zu einem Hörschaden führen können...


    Zivilrechtlich:
    Veranstalter kann über die §§ 823, 831 BGB zur Verantwortung gezogen werden; bei § 831 nur, wenn er sich nicht exkulpieren kann.


    Die Technikfirma haftet über § 823 BGB als unmittelbare Person am Lautstärkeregler.


    Strafrechtlich:
    Müsste ich noch mal ins StGB schauen...


    zu Frage 2:
    Grundsätzlich kann die Haftung aus § 823 BGB beschränkt oder ausgeschlossen werden (durch vorherige Vereinbarung mit der Technikfirma). Aber es gibt Grenzen: § 276 III, § 138, § 242, bei AGB die §§ 305ff. BGB.


    zu Frage 3 + 4:
    Eine Pegelmessung ist (so viel ich weiß) noch nicht Vorschrift. Sie dient lediglich dazu, den Lautstärkepegel zu erfassen und sich bewußt darüber zu werden, was man seinen Gästen gerade auf der Tanzfläche zumutet.


    So lange es nicht Vorschrift ist, und auch von Seiten des Veranstalters nicht gefordert wird, würde ich es mit im Angebot aufnehmen/berechnen und den Veranstalter auf die möglichen Schadenersatzpflichten hinweisen. In wie weit das Messgerät dann letztendlich von möglichen Schadenersatzansprüchen abhalten kann, sei mal dahin gestellt...


    Lieben Gruß
    Jan

  • Die Din 15905 Teil 5 regelt ganz explizit die Gehörgefährdung des Publikums durch hohe Schalldrücke. Und da hat es auch schon Gerichtserfahren zu gegeben. Such mal nach dem "Bon-Jovi-Urteil".


    Die Paragraphen, die diese Norm zur Pflichtmessung erheben (auch wenn die meisten das so nicht sehen), sind die Verkehrssicherungspflichten. Wer auf einem öffentlichen Platz ein Loch gräbt, muss dafür Sorge tragen, dass keiner rein fällt. Wer hohe Schalldrücke erzeugt, muss dafür sorgen, dass keiner hierdurch einen Gehörschaden erleidet.

    Gruß,
    Christoph Holdinghausen

  • @ Chris


    Stimmt. Da gab es doch schon ein paar Urteile... Sorry, war wohl noch nicht so richtig wach...


    Beispielsurteile aufgrund Lautstärke (aus dem DJ-Führerschein-Skript):
    - LG Trier vom 29.10.1992 (3S191/92)
    - OLG Zweibrücken vom 26.08.1999 (6U40/98)
    - OLG Karlsruhe vom 30.03.2000 (19U93/99)
    - BGH vom 13.03.2001 (VIZR 142/00)
    - OLG Koblenz vom 13.09.2000 (5U1324/00)
    - LG Nürnberg vom 01.12.2004 (6O4537/04)
    - LG Siegen vom 15.04.2005
    - LG Hamburg vom 08.07.2005 (318 O 281/02)


    Lieben Gruß
    Jan

  • 1.) Im Außenverhältnis haften der Veranstalter und ggf. der Betreiber der Versammlungsstätte. Diese sind in der Verkehrssicherungspflicht, diese haben alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um ihr Publikum vor Schaden zu bewahren.


    2.) Zur Übertragung der Verkehrssicherungspflicht auf den Beschallungsdienstleister zitiere ich mal direkt aus dem sog. Bon-Jovi-Urteil, da steht das sehr klar drin:


    Zitat von "LG Nürnberg-Fürth"

    Die Übertragung der Verkehrssicherungspflicht auf einen Dritten ist zwar grundsätzlich zulässig. Sie bedarf jedoch klarer Absprachen, die die Sicherung der Gefahrenquelle zuverlässig garantieren. Erst dann verengt sich die Verkehrssicherungspflicht des ursprünglich allein Verantwortlichen auf eine Kontroll- und Überwachungspflicht (BGH NJW 1996, 2646).


    Im Falle der wirksamen Übertragung der Verkehrssicherungs-pflicht hätten sich die Sorgfaltspflichten der Beklagten auf die Auswahl und Überwachung des Dritten verengt. Bei der Auswahl des Dritten hat sich der Geschäftsherr - hier die Beklagten - zu überzeugen, dass der Dritte die Fähigkeiten, Eignung und Zuverlässigkeit besitzt, die zur Erfüllung der übernommenen Verpflichtung erforderlich ist.


    Die Beklagten haben die ihnen im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht obliegende Überwachung an die Musiker bzw. deren Tontechniker und damit auf die Gefahrenquelle selbst übertragen. Der ausgewählte Dritte war daher aufgrund seiner Stellung als „Lärmverursacher“ bzw. als in deren Lager Stehender schon objektiv nicht geeignet, die den Beklagten obliegende Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen.


    Also ohne klare Absprache keine Übertragung der Verkehrssicherungspflicht.


    3.) Eine Schadensersatzpflicht würde dann bestehen, wenn die Techniker eine Aufforderung zur Reduzierung des Pegels missachten.


    4.) Starfrechtlich bekommt man über Mittäterschaft und Beihilfe alle, die irgendwas mit dem Pegel zu tun haben. Aber nach meiner Beobachtung leiten die Staatsanwaltschaften da meist kein Verfahren ein sondern verweisen auf die Möglichkeit der Zivilklage.


    5.) Rechtsgrundlage ist das allgemeine Haftungsrecht, präzisiert durch die dafür zuständige technische Regel, die DIN 15905-5.


    Ein paar Präzendenzfälle sind auf der Seite http://www.din15905.de zu finden.


    6.) Ohne Auftrag muss der Beschallungsdienstleister eine solche Messung nicht durchführen, üblicherweise fehlt ihm ja auch das Fachwissen dafür.


    7.) Änderungen an der Rechtslage gibt's nicht, aber die DIN 15905-5 ist derzeit in Bearbeitung (Einspruchssitzung war vor knapp zwei Wochen, inhaltlich ist alles festgelegt, ein paar Formulierungen werden noch glatt gezogen, dann geht das durch die Normprüfungsstelle beim DIN und dann in der Druck).


    <Werbung>Messgeräte zur Messung nach DIN 15905-5 inkl. Einführungsschulung gibt's bei mir: http://www.dbmess.de </Werbung>

    Bitte keine fachlichen Fragen per PM - Inhaber von dBmess

  • Vielen Danke für die Antworten...


    Ich habe mehrfach die Meinung gehört, dass ein geeignetes Messgerät auch von Lainen bedient werden kann und der Pegelschrieb trotzdem gültig ist.


    Als Dipl. Ing. für Akustik fallen mir direkt tausende Dinge an, die ein Messgerät (egal wie gut und wie sicher zu bedienen) nicht verhindern kann.


    Gibt es auch Urteile oder Vorschriften, dass die Messung von einer hierfür ausgebildeten Person durchgeführt werden muss?


    Was ist eine Messung wert, die ein Veranstalter selber durchführt - er könnte diese für sein Interesse "modifizieren".


    Liebe Grüße


    Stephan

    Veranstaltungstechnik, Konferenztechnik, Medientechnik in Bergisch Gladbach bei Köln mieten: http://www.graeske.de

  • Auch wenns wohl ein dumme Frage eines Amateurs ist :
    Wie ist bei der Sache ein Haftungsauschluß seiten des Veranstalters zu sehen , ich meine damit speziell die Schilder die an fast jeder Disko gut sichtbar im Eingangsbereich hängen ( " In dieser Disko können höhere Lautstärken auftreten und evt. Gehörschäden verursachen - Betreten auf eigene Gefahr bzw. kein Haftung für Hörschäden" ).
    Gílt ein solcher Ausschluß oder ist das eher eine unzulässige Klausel ?

  • Zitat von &quot;Man_at_Light&quot;

    Gílt ein solcher Ausschluß oder ist das eher eine unzulässige Klausel ?

    Ja, unzulässig. Stichwort Verkehrssicherungspflicht.


    Ich kann ja auch nicht ein Schild an mein Auto hängen wo drauf steht "wer vor mein Auto läuft, könnte überfahren werden" und bin damit aus dem Schneider sollte doch mal was passieren.

  • Zitat von &quot;Stephan Graeske&quot;

    Ich habe mehrfach die Meinung gehört, dass ein geeignetes Messgerät auch von Lainen bedient werden kann und der Pegelschrieb trotzdem gültig ist.


    Zitat von &quot;LG Nürnberg-Fürth&quot;

    Bei der Auswahl des Dritten hat sich der Geschäftsherr - hier die Beklagten - zu überzeugen, dass der Dritte die Fähigkeiten, Eignung und Zuverlässigkeit besitzt, die zur Erfüllung der übernommenen Verpflichtung erforderlich ist.


    Wer nun das Messgerät bedient, ist eine zweitrangige Frage- prinzipiell könnte das der Azubi machen und sein Lehrherr steht daneben.


    Relevant ist, wer die Verantwortung für die ganze Sache trägt, und da ist halt der Dreisatz "Fähigkeiten, Eignung und Zuverlässigkeit" zu beachten. Aus diesem Grund verkauft dBmess auch kein Messgerät ohne Schulung - es wäre nutzlos.


    Zitat von &quot;Stephan Graeske&quot;

    Was ist eine Messung wert, die ein Veranstalter selber durchführt - er könnte diese für sein Interesse "modifizieren".


    Wenn er den oben genannten Kriterien entspricht - warum nicht. Modifizieren könnte das ein Erfüllungsgehilfe des Veranstalters genauso gut. Am Rande: Manipulation von Messungen ist eine Straftat.

    Bitte keine fachlichen Fragen per PM - Inhaber von dBmess

  • moin,


    Erweiterung auf BGV B3 Lärm


    ich möchte dafür keinen neuen thread eröffnen, da die Themen m.E. recht nah beieinander liegen:


    Bei versicherten Beschäftigten gelten die berufsgenossenschaftlichen Vorschriften am Arbeitsplatz (z.B. Tresen).
    Wie sind die Erfahrungen im Umgang mit diesen Vorschriften, im Prinzip sollte der Arbeitgeber des Tresenpersonals verantwortlich sein?

  • Wie sag ichs dem FOH-Tec?
    Die Deutschen basteln sich immer lustige Bestimmungen und Gesetze, es gibt die TA Lärm und all so fragwürdiges Papier.
    Und wieviel interssiert sich da ein Mixer einer xbeliebigen ausländischen Metal-Kombo? Nicht die Bohne.
    Von Veranstalterseite aus unterschreiben wir, wie jeder Veranstalter das tut, den Vertrag mit der Band, in dem steht, dass der Veranstalter keinen Einfluss auf Länge, Lautstärke, und Art und Umfang der Darbietung des Künstlers hat.
    Natürlich schreibe ich fast jedes mal in die BA, wenn ich sie bearbeite, dass sich die Tonis an die geltenden Gesetze bzgl. Lärm halten müssen.
    Was nutzt es? NIX.
    Solange in diesem unserem Lande diejenigen zu Schadensersatzzahlungen verurteilt werden, die in der Regel absolut unbeteiligt sind an der Laustärkegestaltung, so lange braucht sich doch auch kein Toni dieser Welt an irgendwelche Begrenzungen oder Richtinien halten.
    Hab ich dem Depp vom Publikum gesagt, er soll sich ohne Gehörschutz direkt vor die PA stellen? Hab ich die Fader hochgezogen?
    Aber zahlen dürfen wir dann.
    Schon komisch, oder?


    Ralf Marx

    The music buisness is a cruel and shallow money trench, a long plastic hallway where thieves and pimps run free, and good men die like dogs. There’s also a negative side.

  • Zitat von &quot;Ralf Marx&quot;

    Von Veranstalterseite aus unterschreiben wir, wie jeder Veranstalter das tut, den Vertrag mit der Band, in dem steht, dass der Veranstalter keinen Einfluss auf Länge, Lautstärke, und Art und Umfang der Darbietung des Künstlers hat.


    So gibt man sich natürlich die Mittel aus der Hand, seiner Verkehrssicherungspflicht nachzukommen.


    Zitat

    Solange in diesem unserem Lande diejenigen zu Schadensersatzzahlungen verurteilt werden, die in der Regel absolut unbeteiligt sind an der Laustärkegestaltung, so lange braucht sich doch auch kein Toni dieser Welt an irgendwelche Begrenzungen oder Richtinien halten.


    Solange die Veranstalter nur jammern statt ihrer Organisationsverantwortung nachzukommen, solange braucht sich tatsächlich kein Toni an irgendwelche Begrenzungen halten.


    Zitat

    Hab ich die Fader hochgezogen?


    Die Gesetzeslage siedelt die Verantwortung klar beim Hallenbetreiber und beim Veranstalter an, das ist nicht neu und auch kein Geheimnis, das weiß man seit Jahrzehnten. Wenn diese ihrer Verantwortung nicht nachkommen, dann müssen sie halt den daraus entstehenden Schaden tragen. Der Eigenheimbesitzer braucht ja auch nicht fragen "habe ich es schneien lassen?", sondern er muss räumen und streuen.

    Bitte keine fachlichen Fragen per PM - Inhaber von dBmess

  • Hallo Michael,


    Klar geben wir damit das Mittel aus der Hand, der Verkehrssicherungspflicht nachzukommen.
    Aber da kommt man nun mal nicht drum rum. Schließlich will man ja, dass die spielt Band und die Halle voll macht. Und so unterschreibt man den Vertrag. Und natürlich kommt da auch die Klausel rein von wegen Lautstärke und so weiter.


    Natürlich liegt die Verantwortung beim Veranstalter. Das weis ich auch.
    Aber letztendlich liegt sie damit bei einer Person, die keinen Einfluss nehmen kann. Ich kann versuchen, es dem Tourleiter vor Ort zu erklären, dann kann ich es auch noch mal dem Tourmanager erkären. Und ich mache auch dem Toni den Erklärbär. Das Dumme an der Sache ist nur, dass der Kollege gar keinen Grund hat, mit der Lautstärke moderat umzugehen. Ihm passiert nichts, und wenn er mit 140db am Frontplatz fährt. Und dass ihm nichts passiert, dass weis er ganz genau.
    Wüsste er, dass er dafür haftbar ist, oder besser, wäre er dafür haftbar, wenn Besucher der Veranstaltung nachweislich durch sein Tun einen Schaden erlitten haben, würde der Kollege sich auch an die Vorschriften halten.
    Wenn du vom Auto angefahren wurdest, gegen wen klagst du? Gegen den Fahrer oder den Erbauer der Straße ?
    Letztendlich geben wir der Band X lediglich ein Forum, damit sie ihre Show spielen können.
    Beim Auto sitzt der Fahrer am Gaspedal. Und er ist damit alleine verantwortlich, wie viel Gas er gibt.


    Wie gesagt, dass die Gesetzeslage so ist, das weis ich, mache es ja lange genug, die Frage ist viel mehr, ob es so richtig ist.
    Wer hat den Lärm gemacht? Der Kollege mit dem Finger am Master.
    Und nachdem Verursacherprinzip sollte der dann auch dafür gerade stehen.


    Ralf Marx

    The music buisness is a cruel and shallow money trench, a long plastic hallway where thieves and pimps run free, and good men die like dogs. There’s also a negative side.

  • das sehe ich anders!
    in der regel ist der veranstalter ja der, dem es nicht laut genug sein kann. der will so 105-110. was spricht dagegen, sich als veranstalter, der ja auch bezahlt!, einfach zu sagen: kein geld oder leiser. dann werden alle plötzlich lamm fromm. das klappt immer. ansonsten kann sich der herr veranstalter ja auch gerne von dem toni und dem tourmanager unterschreiben lassen, das sie wissen, das sie nach 15906 verfahren müssen. das ließe sich leicht durch einen rechtsanwalt hieb und stichfest formulieren.
    die techniker sind ja nicht immer nur uneinsichtig, sondern meist die veranstalter.
    ferner wozu gibt es komunikation im vorfeld?

  • 1.) Ich will nicht bestreiten, dass die Situation für den Veranstalter nicht immer ganz einfach ist. Bis zu einer gewissen Liga ist die Band froh, dass sie spielen darf, und tut alles, was der Veranstalter verlangt, und ab einer bestimmten Liga ist es umgekehrt.


    2.) Größere Veranstaltungshallen haben in der Regel eine akustische Notfallwarnanlage. Damit die im Notfall zu hören ist, muss eine Möglichkeit geschaffen werden, die PA (die Monitoranlage, die Insrumentenverstärker...) leise zu bekommen. Die Methode "dann geht man halt zum Mischpult und macht leise" dürfte aus Geschwindigkeitsgründen ausscheiden.


    Nehmen wir mal an, der Veranstalter nimmt dieses Problem wirklich ernst und schafft seinem Verantwortlichen für Veranstaltungstechnik die Möglichkeit, die PA stummzuschalten, dann könnte man das ja auch so gestalten, dass man dort den Pegel runterregeln kann. Natürlich hat man dann Streß mit dem Künstler. Aber dann, wenn die auf der Bühen stehen, haben die ihre Gage schon kassiert, da muss Kooperationsbereitschaft nicht zwingend vorhanden sein.


    3.) Das europäische Ausland kennt mehrheitlich auch Pegelbeschränkungen. Irgendwie scheint's da ja auch zu funktionieren...

    Bitte keine fachlichen Fragen per PM - Inhaber von dBmess

  • ich sehe da 2 möglichkeiten:


    1. gesetzeslage ändern - langwierig, wenn überhaupt möglich


    2. andere verträge etablieren und kontrollieren


    meiner meinung nach macht die derzeitige gesetzeslage und überwiegende auslegung derselben für den konzertbesucher sinn, es ist so einfacher jemanden zu finden, der haftbar zu machen ist, wie soll jemand z.b. dave rat von rhcp verklagen, vor einem amerikanischen gericht? unzumutbar finde ich.


    auf der anderen seite ist es, besonders wenn o.g. "freifahrtsschein"-verträge gängig sein solten, im prinzip der todesstoß für alle veranstalter, rechtlich gesehen. diese haben per gesetz eine pflicht, der sie nicht nachkommen und zementieren dieses dilemma schon vor der veranstaltung bei vertragsschluß.
    ich frage mich: warum?


    ich könnte damit leben, wenn nur noch din-konforme bands und crews hier arbeiten würden, was ist denn die show einer angesagten aber 120db lauten band gegen die langfristige aurale gesundheit? wir deutschen geben uns ja nun schon genug todbringendes auf die ohren, da können doch die profis mal mit gutem beispiel voran gehen, oder?

  • Ich warte schon auf den Tag, an dem jemand nachzählt, wie viele Verletzte es auf Verkehrsunfällen von und zu einer Veranstaltung gibt.
    Und dann den Veranstalter gesetzlich dazu verpflichtet, sich darum zu kümmern :D:D:D

    Amp und Boxen Brett _ Die Vuvuzela des Forums


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  • Hmm.... Irgendwie ist ja alles schön und gut... Die ganzen Normen, Vorschriften bzw. technischen Anweisungen die es so gibt, die wissenschaftlichen Belege hierzu (welche Schalldruckpegel bzw. Schalldosis "gesundheitsschädlich" ist etc.)... Aber wie löst man all dies in der Praxis? Und hierbei stell ich mich mal sowohl auf die Seite der Veranstalter, als auch der Techniker UND der Gäste (solange die keine Schäden haben wollen die nämlich auch "laut"...).


    Fakt ist doch eins: Selbst WENN die Pegel gemessen und die Grenzwerte eingehalten werden schützt dies in der Praxis KEINESFALLS vor Gehörschädigung!!! Selbst bei Pegeln unterhalb der Grenzwerte kann es zu Schäden kommen - vor allem wenn die betreffende Person schon Vorschädigungen hat. Ist also nun der Veranstalter per sé der "Gear***te" und muss dafür den Kopf hinhalten?


    Das nächste ist, wie sich die Einhaltung der Grenzwerte praktisch lösen lassen soll (auch wenn Sinn und Unsinn der Einhaltung entspechend meinem vorhergenendem Absatz noch fraglich ist)?! Selbst mit gewaltigem technischen Aufwand ist es in der Praxis kaum möglich zu garantieren, dass an keiner für den Gast zugänglichen Stelle des Raumes / Zeltes / Veranstaltungswiese die Grenzwerte nicht überschritten werden. Schließlich fordert ja selbst der Gast eine gewisse Mindestlautstärke, damit sich der "Spaßfaktor" (neudeutsch "Entertainmentwert") einstellt. Und nach meiner Erfahrung liegt diese bei den meisten 20 - 30 Jähringen Disco- / Konzertbesuchern in einem engen "Band" zwischen 99 und 102 dB(A). Mit einigermaßen vertretbarem (=bezahlbarem) Aufwand kann ich als Techniker dafür sorgen, dass auf etwa 80% der Hörer- bzw. Tanzfläche gleichmäßig dieser Pegel erreicht und somit der GAST befriedigt wird...


    Folgerichtig sind auf mindestens 20% der "aktiven Besucherfläche" (Randgebiete sind alle leiser) die Pegel jenseits der Grenzen. Diese Flächen im Rahmen der "Verkehrssicherungspflicht" dem Gast nicht zugänglich zu machen ist wirtschaftlicher Unfug. Niemand baut um ein Subwooferstack in einer Disco einen 10m Sicherheitsbereich! Statt dessen können die Gäste bis an die Boxen herantreten - was zur Folge hat, dass sie sich selbst Spitzenpegeln von weit über 135dB aussetzen(!). Manche Gäste empfinden das im Alkoholrausch sogar als angenehm... Was nun, wenn's dem Gast die Ohren wegpfeift? Der klagt und bekommt recht? Wo soll ich denn die Subwoofer hinhängen, um 1. genug Pegel für "Spaß" aber 2. nicht zu viel Pegel für Grenzwert zu erreichen? Wäre bei einer Deckenhöhe von 4m praktisch unlösbar - bezahlbar gleich garnicht.


    Als nächstes geben die Grenzwerte nur gemittelte "Beurteilungspegel" an. Ein L(A)eq von 99dB schließt aber ein, dass Pegelspitzen von über 10dB akzeptabel sind (>109dB). Nimmt man nun noch die A-Bewertung raus um auch tieffrequenten Lärm zu beurteilen ist man locker nochmal 10dB - 20 dB darüber (>119-129dB). Allesamt Schalldruckpegel die von der Schulmedizin als "sehr gesundheitsschädlich" bezeichnet werden - dort gilt ja bereits jeder Pegel über 85dB über längere Zeit als gehörschädigend...


    Das nächste wäre dann die Schalldosis... gerade bei Diskotheken. Soll ich den Gast nach 2 Stunden rauswerfen, weil er dann seine Dosisgrenze erreicht hat? 1. wie soll ich den Gast unter 3000 Gästen finden? 2. wie wahrscheinlich ist, dass der Gast verständnisvoll und bereitwillig die Disco verlässt, wenn doch das Bier so gut schmeckt, die besten Hits aufgelegt werden und die liebsten Kumpels ja noch da sind?


    Und nun - was tun? Wenn selbst ">85dB"-Hinweistafeln, Gehörschutz und "Aufforderung zu tragen" faktisch wertlos sind??? Wer klagt bekommt recht - Aus, Basta??? Musik und unseren Berufsstand abschaffen???


    Entschuldigt bitte die Polemik...


    Die einzige Lösung die ich für praxisnah und im Sinne aller (Gäste, Veranstalter/Techniker) für akzeptabel halte wäre, per Gesetz folgendes zu Regeln:
    1. Ein Durchschnittspegel von 100dB(A) und 112dB(C) sowie Spitzenpegel von 130dB(C) darf auf 80% der beschallten Fläche nicht überschritten werden. Ein Überschreiten dieser Werte gilt Strafgesetzlich als vorsätzliche Körperverletzung und ist demensprechend zu bestrafen.
    2. Hinweistafeln, dass Pegel über 85dB gesundheitsschädlich sind, sind anzubringen. Ein Versäumnis dessen gilt strafgesetzlich als vorsätzliche Verletzung der Verkehrssicherungspflicht und ist dementsprechend zu bestrafen.
    3. Gehörschutz ist gegen geringes Entgeld an den Eintrittskassen zur Verfügung zu stellen. Ein Versäumnis dessen gilt strafgesetzlich als grobfahrlässige Verletzung der Verkehrssicherungspflicht und ist dementsprechend zu bestrafen.
    4. Bei Einhaltung der Punkte 1. bis 3. sind die Veranstalter und Techniker aus der Verantwortung für Gehörschäden entlassen.


    Schließlich fordert doch der Staat selbst mehr Eigenverantwortung - hier ist sie! Wo ist das Problem? Was ist daran so kompliziert, dass da Komissionen ewig herumtüfteln müssen?


    beste Grüße,
    Alex


    PS: Noch eins zu den Hinweisschildern... Der Vergleich, dass wenn man am KFZ ein Hinweis anbringt, dass es gefährlich sei, davor zu rennen, einen aus der Verantwortung des Überfahrens entließe, ist schlichtweg Unfug!!! Das hat mit Verkehrssicherung nix zu tun. Der Vergleich hinkt total! Der Vergleich müsste gezogen werden mit der klassischen Bahnhofsdurchsage "Bitte von der Bahnsteigkante zurücktreten! Vorsicht bei Einfahrt des Zuges". Mit dieser Durchsage - welche dem Hinweisschild zu hohen Pegeln entspricht - erfüllt die Bahn AG ihre Verkehrssicherungspflicht - und ist damit aus der Verantwortung entlassen, wenn ein Passagier dennoch zu nah vorn steht und mitgerissen wird oder wenn ein Selbstmörder vor den Zug springt... FAKT!