Warum koppeln Kondensatormikrofone früher?

  • oder tun sie das etwa nicht?


    Ich möchte hier eine Diskussion aus einem anderen Thread auslagern.


    Welche physikalischen Eigenschaften der Kondensatormikrofone führen zu einer niedrigeren Rückkopplungsgrenze? Oder ist diese Erfahrung vieler Tontechniker nur ein Placeboeffekt ;)


    Trotz dieser kleinen Stichelei erhoffe ich eine konstruktive und lehrreiche Diskussion.


    Gruß
    Rainer

  • Hi,



    kann man pauschal definitiv nicht sagen. Hatte z.B. kuerzlich eine Vorfuehrung, kleine PA, ein Satz Rode NT5, Blasmusik. Alles mal aufgezogen, alle waren gluecklich. Da dreht der Kunde die PA, dass die Kapelle das auch hoert. Ich greife geschockt an die Masterfader, um die Hochtoener zu retten und es passiert: nix. Kein Feedback. Auch mit hochwertigen dynamischen Mikrofonen haette das sicher nicht funktioniert.


    Kommt bestimmt immer drauf an, fuer was, aber ich glaube, dass heutige Kondensatormikros allgemein ein mindestens genauso gutes GBF hinbekommen wie dynamische. Schlecht wirds bloss bei falschem Handling.



    VG bemi

  • Bei den Mikros mit denen ich es vor allem zu tun habe ist es gefühlsmäßig so, dass Dynamische Mikros einen stärkeren Nahbesprechungseffekt haben, und unter ausnutzung desselben feedbacksicherer sind als ein Kondenser, während weiter besprochen die Kondensatormikros vorteile haben (vermutlich da sie eine sauberere Niere über die verschiedenen Frequenzen haben).
    Allerdings habe ich seit neuestem auch ein Crown CM 310, das unter diesen gesichtspunkten eher meinen Dynamischen ähnelt.
    Von daher würde ich zur Aussage tendieren: nicht das Prinzip als solches ist ausschlaggebend, allerdings ist die Mikrophonauswahl der verschiedenen Anbieter doch noch etwas traditionell beeinflusst, weshalb man für ein Nahbesprochenes Vocalmic eher ein Koppelfestes dynamisches als ein Kondenser findet, sind kondenser am Gesang auch traditionellerweise eher dort im Einsatz, wo auch ein höherer Mikroabstand herrscht und es nicht ganz so laut zu geht....

  • ich kann auch nicht sagen, ob das wirklich immer so ist oder so sein muss, das kondensatormikros etwas früher zum koppeln neigen. das ist sicherlich auch nicht in allen situationen richtig.
    was ich aber sagen kann:
    aufgrund von persönlichen erfahrungen stellte ich immer wieder fest, das es so zu sein scheint. ich habe auch schon direkte vergleiche angestellt, wo ich möglichst gleiche vorraussetzungen für verschiedene mikros geschaffen hatte. und die kondensatormikros waren immer einen tick schlechter.
    woran das liegen könnte, kann ich im moment aber nicht sagen, ich habe ganz ehrlich gesagt noch nie darüber nachgedacht. für mich waren hier die erfahrungswerte immer wichtiger.
    aber es schadet sicher nicht, mal gründlich darüber nachzudenken und zu debattieren...


    und da möchte ich mich gleich mal einbringen:
    mein denkansatz wäre jetzt erstmal die bewegte masse.
    ein dynamisches mikrofon hat mehr masse zu bewegen, was es natürlich auch etwas träger macht. diese trägheit ist in punkto feinauflösung der wirkliche nachteil gegenüber dem kondensatorprinzip, das wissen wir ja.
    aber vielleicht ist genau diese trägheit beim rückkoppeln ein vorteil?

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Ich gebe hierzu noch einen Denkansatz:
    Warum werden da, wo es besondere Rückkoppelprobleme gibt fast immer Kondensatorkapseln eingesetzt? Beispiele: Lavaliermikros, Flügel + andere leise akustische Signalquellen.
    Einen Sänger mit Handheld koppelfrei und laut auf einen Monitor zu bringen ist dagegen unter professionellen Bedingungen wirklich keine große Kunst.


    wora: Dein Denkansatz ist ja immerhin ein Versuch. Allerdings gehst Du von sehr vagen Vorraussetzungen aus.
    Dynamische Mikros haben keine geringere "Auflösung", sie haben nur eine geringere Empfindlichkeit.
    Eine höhere Trägheit der Membranmasse wäre eine denkbare Erklärung, allerdings ist das kein entscheidender Parameter.
    Es koppelt ganz einfach dort, wo ein Peak entsteht, da ist es ziemlich egal ob eine Membran 10 oder 20µs bräuchte um sich "Aufzuschwingen". Im Übrigen sind alle LS mit denen wir Arbeiten auch dynamisch und eher langsamer in der Reproduktion als jedes dynamische Mikrofon!
    Und daher sind lineare Übertragungsketten - insbesondere das Mikro und der LS - immer im Vorteil. Kondensatormikrofone sind i.d.R. linearer und dann i.d.R. tatsächlich koppelfester (!) als dynamische Mikrofone. Natürlich gibt es Ausnahmen, etwa das Beta87, dass m.E. zuviel Höhen (bei 9khz) hat und sich auf lauten R&R-Bühnen ungünstig verhalten kann - speziell im Zusammenhang mit schlechter Mikrofontechnik des "Users".


    Und daher verhalten sich verschiedene Mikrofone eben unterschiedlich Problematisch, völlig unabhängig vom Wandlerprinzip.
    Jede Pauschalisierung hier (wie so oft) ist einfach falsch.


    MfG,


    Christopher

    "Just because you believe something doesn't make it true."

  • Zitat von "christopher hafer"

    ...
    wora: Dein Denkansatz ist ja immerhin ein Versuch. Allerdings gehst Du von sehr vagen Vorraussetzungen aus...


    natürlich ging ich von vagen voraussetzungen aus. deshalb nannte ich es auch nur "denkansatz"... die idee ist mir während des schreibens gekommen, ich hatte keine zeit weiter nachzuforschen. falls du das als fakt verstanden haben solltest: nein, es war nur ein denkansatz.


    das lineare systeme prinzipiell vorteile gegenüber unlinearen haben, ist völlig korrekt.
    aber es muss noch andere, wichtige parameter geben.
    wie sieht es denn mit dem richtverhalten aus? das spielt im diffusen schallfeld keine rolle, wohl aber in der monitoranwendung.


    dein beispiel mit dem kondensator als lavalier verstehe ich jetzt nicht ganz. bei so einer anwendung geht es um eine höhere empfindlichkeit bzw. rauschfreiheit, weil das signal ja schon um ca. 15-20dB leiser am mikro ankommt als bei einer handgehaltenen kapsel. da bietet sich das kondensatorprinzip natürlich an. mit der koppelempfindlichkeit von dynamisch oder kondensator hat das aber nix zu tun.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Es gibt genug <anwendungen,wo ein Kondensatormicro durchaus koppelfester sein kann.


    Allerdings kenne ich auch Anwendungen, wo es nicht so ist.


    Könnte aber auch daran liegen,das es weniger darum geht, ob es ein Kondenser oder dynamisches ist, sondern mehr darum, welche Eigenschaften ( Linearität/ Empfindlichkeit / Niere-Hyperniere ) der Mikrofontyp hat.


    Wenn Du zb ´vor einen Chor ein paar Gute Kondenser wirfst, und dann noch zum vergleichen ein paar 58er danebenstellst, dann wirst Du Dich vermutlich auch für die Kondenser entscheiden.

    Amp und Boxen Brett _ Die Vuvuzela des Forums


    Ganz großer Fan des " Themen als gelesen markieren " Buttons

  • Daß dynamische grundsätzlich weniger koppeln als Kondenser kann ich auch nicht sagen.
    Was allerdings in vielen Anwendungen der Fall ist, ist daß dynamische Mikrofone vorwiegend nahe an der Schallquelle genutzt werden (Gesangsmikro, Abnahme am Amp etc.), weil hier durch den Nahbesprechungseffekt auch ein schöneres Ergebnis folgt, als wenn man dynamische Mikros weiter weg stellt.
    Kondenser werden ja gerne für weitergreifende Aufnahmen genommen (Overhead, auch ein Redner, der mal zwischen 10cm und 80cm vom Pult hin und her geht, Choraufnahmen etc.).
    Würde man hierfür dynamische Mikros nehmen, müsste man den Gain sehr stark aufdrehen, um eine ähnlich laute Aufnahme zu bekommen. Hier zeigt sich aber, daß es dann genauso zu Feedbacks kommt.


    Ich denke, dieses Gerücht hängt einfach mit dem üblichen Einsatz zusammen. Dynamische Mikros werden durch ihren traditionellen nahen Einsatz an der Schallquelle nicht so weit aufgedreht als Kondenser.


    Was mir aber aufgefallen ist, ist die Art der Rückkopplung. Während man Kondenser auch schön langsam zum Koppeln bringen kann (die Frequenz kann man mit etwas Feingefühl sogar auch eine zeitlang auf einem niedrigen Niveau "halten"), sind die dynamischen da wesentlich aggressiver. Wenn mal die Koppelschwelle überschritten ist, geht es doch recht schnell in höhere Lautstärken.

  • Zitat von &quot;christopher hafer&quot;


    Und daher verhalten sich verschiedene Mikrofone eben unterschiedlich Problematisch, völlig unabhängig vom Wandlerprinzip.


    jawoll, und


    Zitat von &quot;mringhoff&quot;


    Was allerdings in vielen Anwendungen der Fall ist, ist daß dynamische Mikrofone vorwiegend nahe an der Schallquelle genutzt werden ....


    das natürlich auch !!!


    Für die Vermeidung der weiteren Verbreitung des " Kondensatormikros koppeln schneller" -Gerüchts empfehle ich folgendes kleine praktische "Äpfel mit Birnen-Situationen" vermeidende Experiment:


    Man nehme ein SM58 ( "das rüchkopplungssicherste Mikro der Welt" :lol: :D :lol: ) und stelle unmittelbar daneben ein Schoeps CMC6/MK4 und erzeuge für beide Mikros die jeweils vermeindlich rückkopplunssicherste EQ-situation. Danach spendiere man dem MK4 einen Popschutz, drücke für beide Mikros einen geeigneten Hochpass und spreche in beide energisch hinein. Sollte sich bei einem der beiden Mikros ein " einstürzende Neubauten-Phänomen" ergeben, übernehme ich keine Haftung. :D:D:D :lol: :lol: :lol:

  • Zitat von &quot;mringhoff&quot;

    ...
    Was mir aber aufgefallen ist, ist die Art der Rückkopplung. Während man Kondenser auch schön langsam zum Koppeln bringen kann (die Frequenz kann man mit etwas Feingefühl sogar auch eine zeitlang auf einem niedrigen Niveau "halten"), sind die dynamischen da wesentlich aggressiver. Wenn mal die Koppelschwelle überschritten ist, geht es doch recht schnell in höhere Lautstärken.


    was das angeht, könntest du einen anderen effekt beobachtet haben.
    feedbacks steigen im direktschallbereich von lautsprechern viel schneller an als im diffusen schallfeld. da gesangsmikrofone meist noch im direktschallfeld der monitore betrieben werden, verhalten sie sich hier deutlich aggressiver. chormikros, die über die front koppeln, schwingen sich dagegen ganz allmählich ein, das feedback beginnt deutlich sanfter.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Hallo Leute,


    ich denke dieses Gerücht kommt vor allem daher, daß früher Kondensatormikrofone ganz anders optimiert wurden (eben nicht auf Rückkopllungsfreiheit), zu einer Zeit, als es schon sehr rückkopllungsfreihe dynamische gab. (SM-57, 58, MD-421, MD-441).
    Man muß nochmal sagen: Es bleibt ein Gerücht! Wann ein Mikrofon koppelt, hängt nicht vom Wandlerprinzip, sondern von der Richtcharakteristik und dem Frequenzgang ab.
    Viele Grüße
    Tobias Kammerer

  • Zitat von &quot;tobias kammerer&quot;


    ich denke dieses Gerücht kommt vor allem daher, daß früher Kondensatormikrofone ganz anders optimiert wurden (eben nicht auf Rückkopllungsfreiheit), zu einer Zeit, als es schon sehr rückkopllungsfreihe dynamische gab. (SM-57, 58, MD-421, MD-441).


    Äh, auch wenn wir im Ergebnis einer Meinung sind, kann ich das jetzt so nicht unterschreiben. Auch schon in früheren Zeiten waren Kondensatormikrofone bei äquidistanter Besprechung nicht rückkopplungsanfälliger als die besagten dynamischen Modelle. Allerdings war in den typischen Applikationen ( z.B. Kirche ) eine Nahbesprechung einfach nicht üblich und die eingesetzten Kondensatormodelle waren oft nicht für Nahbesprechung ausgerüstet und bei größerem Besprechungsabstand war auch vor 30 Jahren ein MD441 nicht rückkopplungssicherer als eine MK4 Kapsel.

  • Zitat von &quot;tobias kammerer&quot;

    Hallo Guma,


    so habe ich´s nicht gemeint. Natürlich galt früher die gleiche Physik wie heute. Abgesehen davon: Gab es 1957 schon eine MK-4? (Ich weiß das wirklich nicht), sonst würde ich sagen: Respekt!
    Viele Grüße
    Tobias Kammerer


    Wie kommst Du ausgerechnet auf 1957 ??


    Das MD 421 ist von 1960, Beyers M88 ist von 1966, das MD441 von 1971....die shure modelle auch deutlich später ( ... nein, wir hatten das schon, das SM57 ist nicht von 1957, das SM57 ist von 1965, das SM58 von 1966 !! )
    Bei Schoeps gab es allerdings bereits 1952 ein vom Format her typisches Kleinkondensatormikro das M 201 mit verschiedenen Kapseln. :wink:

  • Die gängigen Kondensatormikrophone geben bei gleichem Schall höheren Pegel ab. Im Vergleich miteinander werden sie meist am gleichen Kanalzug im Mischpult betrieben; Und eben nicht korrekt gepegelt (weniger Gain).


    "Fehler steht vor'm Gerät".



    Gruß


    Stefan

  • angeregt von der diskussion über die richtcharakteristik von grossmembranmikros möchte ich hier noch mal einen beitrag schreiben.


    könnten die althergebrachten vorurteile gegenüber kondensatortypen von negativen erfahrungswerten mit grossmembranmikros stammen?
    offenbar haben ja gerade die typen mit umschaltbarer richtcharakteristik hier nicht die besten werte in punkto frequenzunabhängigkeit der richtwirkung vorzuweisen.
    es könnte also ein vorurteil sein, das irrtümlich dem arbeitsprinzip "kondensator" zugeschrieben wurde, obwohl das nicht der ursprung der probleme war.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Ich denke, die Fehleinschätzung liegt eher an den üblicherweise leisen Quellen ( z.B. A-Gitarre in Kombination mit low Budget Lautsprechern oder zu kleinen Lautsprechersystemen mit unzulänglicher Direktivität ) oder am großen Abstand ( Der Herr Pfarrer 70cm vom Mikro weg... u.s.w. )


    Nebenbei fällt mir dabei ein: "Herr Architekt das Mikro pfeift !" "Klar, das tauschen wir aus. " ( Schön, dass auf diesem Weg das eine oder andere Schoeps oder MBHO zu Leuten findet, die diese Mikros dann tatsächlich zu schätzen wissen .... was da schon alles aus Dummheit oder Profitgier 'gleich mit' ausgebaut wurde :roll: :roll: :roll: :wink: )

  • Zitat von &quot;guma&quot;

    ... was da schon alles aus Dummheit oder Profitgier 'gleich mit' ausgebaut wurde :roll: :roll: :roll: :wink: )


    na ja, meist ist es halt so, das irgendwann nach 10-20 jahren einfach die gesamte elektronik ausgetauscht wird. das ein gut gemachtes mikro wesentlich länger hält wissen da die wenigsten. ich würde also eher "unwissenheit" einsetzen.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang