schon wieder Bühne eingestürzt: Pukkelpop Belgien

  • Zitat von "julian knödler"


    Mit den Richtigen Daten von Meteomedia lässt sich das Wetter auf gut 20 min genau vorhersagen.


    Selten so einen Schwachsinn gehört...


    Fakten:


    Das zu dem Unglückszeitpunkt für die Region gültige METAR/TAF (Erklärung) der Air Base Kleine Brogel, ca 20km entfernt, sagt:


    Wind mit 3kn bis 6kn aus unterschiedlichen Richtungen, mit 40% Warscheinlichkeit bis zu 10kn
    zeitweise 15kn aus unterschiedlichen Richtungen mit Böen bis 30kn, mit 40% Warscheinlichkeit 20kn mit Böen bis 35kn.


    35 Knoten entsprechen 65km/h oder 18m/s. Das heißt unterer Bereich der Windstärke 8.


    Bessere Daten hat auch Meteomedia nicht.


    Momentan wird lokal am Gelände von Wind mit 100 Km/h und Böen bis 115 Km/h ausgegangen.

    extreme conditions demand extreme responses

  • im Heute-Journal soll ein Bericht und eine "Analyse" darüber kommen, wie sicher "unsere großen Open-Air-Veranstaltungen sind".


    Na, mal gespannt...

  • hier mal eine etwas andere sichtweise der problematik von einem amerikanischen kollegen.


    er bezieht sich dabei auf den bühnencrash in indianapolis aber seine analyse ist, äh, spot on.


    One problem today in lots of venues it is the lowest bidder who gets the contract. One reason the lowest bidder maybe the lowest bidder is that they take lots of risks that they hope will not come back to bite them in the a$$. Using riggers who are not certified, using substandard or old worn out rigging, loading rigging up to beyond its capacity hoping that nothing will happen and using unsafe practices when it comes to mounting and rigging.


    I am not saying this particular tragedy was caused by any of this but the more I see what is happening in the concert sound and lighting world the more I start to question how people are doing business today. What once was a "Safety First" profession where the safety of the performers and crew is the ultimate concern has become a "who can do it cheapest" and if there are some risks let the lawyers fight it out afterward" mindset. If this were an isolated incident things would be different but there have been a rash of these lately and they seem to be getting more serious. Crews are already pushed to the limit with long sleepless nights and having to go from place to place on buses where your real chance of getting a good nights sleep are slim. The crews also are being asked to do more with less people and do things faster and this adds to the stress and with the stress comes mistakes.


    Promoters want to have a GREAT experience for the audience but they also want to make money. They push the sound and lighting companies for lower and lower rates and of course the sound and lighting people are also trying to make a buck so they use less employees to do the job and take other shortcuts so there is some profit left in the operation when they are done.

  • Ich gehe soweit, das ich behaupte, das man Indianapolis nicht mit Belgien vergleichen kann.


    Ich habe heute im Fernsehen Interviews gesehen ( übersetzt ) von Feuerwehr und Veranstalter.
    Die haben erzählt, das sie ab dem Moment wo klar war, das man evakuieren muß, sofort alle Notausgänge geöffnet hatten.
    Das soll innerhalb einer Minute ( laut Feuerwehr Einsatzleiter ) passiert sein.


    Nur die Menge an Leuten bekommt man einfach nicht schnell weg.
    Deswegen ist meiner Meinung nach die Sache bei einer Evakuierung so eines großen Festivals auch immer der Gedanke, was man tun soll?
    Notevakuieren mit der Gefahr, das eine Panik ausbricht und noch mehr Tote sind, oder auf das kleinere Übel im Notfall kalkulieren.
    Klingt jetzt hart, aber auch sowas muß in die Überlegungen mit einbezogen werden.


    Für die Verantwortlichen immer eine schwierige Entscheidung.


    Und denen ist sicher die Verantwortung bewußt, wenn was schiefgeht.
    Sowas nimmt bei der Größenordnung normal keiner auf die leichte Schulter.


    Es klingt im Nachhinein als Außenstehender immer sehr einfach, vor Ort ist es das aber meist nicht.

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  • Zitat

    Ich gehe soweit, das ich behaupte, das man Indianapolis nicht mit Belgien vergleichen kann.


    volle zustimmung.


    bei dem wetter wie in belgien kannst du alles richtig machen, du wirst trotzdem verlieren.


    wohingegen die bühne in indianapolis...die sieht einfach schon beim ersten hingucken nicht "richtig" aus.


    sagt das bauchgefühl.


    ich hatte das zitat eigentlich wegen dir gepostet, da es, wie deine argumente in den threads hier, auf bestimmte grundsätzliche aspekte und entwicklungen in der branche hinweist, die gefährlich werden können.


    und bezüglich der allmählichen entwicklung des "safety first" gedankens hin zu einer "wer macht es am billigsten" prämisse hat sich in den letzten zehn - fünfzehn jahren viel getan.

  • Notfallevakuierung. Ein Wort das ich das erste mal auf nem Lehrgang vom Katastropheninterventionsdienst mitbekommen hab. Ich denke eine schwierigere Entscheidung gibts es für Veranstalter / Rettungskräfte, etc. nicht. Was ich mich immer wieder Frage: Wer entscheidet diese Maßnahme und wer hat dagegen ein Veto-Recht? Gäbe es für so einen Fall überhaupt ein Veto-Recht?


    Gehen wir mal davon aus wir haben eine VA mit ca. 10.000 pax. Der Veranstalter entscheidet sich aufgrund von aufziehendem Unwetter für eine Evakuierung des Geländes weil er ernsthaft Gefahr für Leib und Leben sieht. Die Feuerwehr / das THW / die Polizei (oder eine andere vergleichbare Staatliche Einrichtung des Katastrophenschutzes) legt ein Veto ein. Wer hat Recht?


    Der einzige der mir einfällt, der das sicher ohne Kommentare und Vetomöglichkeit machen darf ist meines Wissens nach der Pyrotechniker / Feuerwerker mit Erlaubnis nach §7 SprengG (was ich aber auch nur weiß weil ich grad auf Lehrgang war) wenn er Gefahr sieht die seinen Bereich angeht.

  • Moin,


    natürlich kann man das Mikrowetter extrem genau vorhersagen. Die Kombination von Blitzkarte mit dem Regenradar, eigene temporäre Wetterbeobachter im Umkreis, und ein Hubschrauber. Oder man installiert ein für Großflughäfen übliches eigenes örtliches Wetter-Radar.


    Aber das nützt garnichts. Vielleicht kann man noch den Bereich um eine Bühne räumen, mit Dauerdurchsagen. Aber ein Zelt bei schlechtem Wetter zu räumen ist gänzlich ausgeschlossen. Diese Auffassung teile ich mit der Bauvorschrift, die, im Gegensatz zu Bühnen, keinerlei Winddruck-Erleichterung für die Bemessung von Zelten zulässt. Wobei die Bemessung bei fliegenden Bauten ohnehin irrsinnig knapp ist, und die Normhüter sinnvolle Vorgaben seit langer Zeit verschleppen, und vor sich her schieben, im Europawahn.


    Hier sehe ich die Lösung: Klare Vorgaben bezüglich der Auslegung fliegender Bauten, bzw. die völlige Gleichstellung aller Bauten. Auch eine Auslegung auf 8 Beaufort ist ein Witz, zumal sich das heutzutage sehr zielsicher bemessen lässt, sodaß keine "versehentlichen" Sicherheiten über die Daten im Baubuch hinaus entstehen.


    Wer Zeus besänftigen will muß windsicher bauen, das ist weit zielführender als jede in der Praxis nutzlose hightech-Wettervorhersage. Viele, auch sehr große Strukturen auf dem Pukkelpop stehen noch, stabil bauen geht also!


    Viele Grüße, Bernd




    PS Vom Pukkelpop gibts ein Video, das eine dringende Räumungsdurchsage in einem der Großzelte zeigt - die Reaktion des Publikums ist erwartungsgemäß NULLKOMMANULLNULL

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    ich bezahle nicht fürs hinhören, ich baue Beschallungsanlagen


    Das SD12 Fliegetop ist bei gleicher Endstufe um durchgehend 3 dB lauter
    als "vorbekannte" 12"/1" Bauweisen.


    Der Bass CB18S ist der Beste

  • Nach meiner Einschätzung liegt das Hauptproblem in der Bereitschaft, derartige Veranstaltungen abzusagen bzw. abzubrechen oder zu unterbrechen. Und ich muß, vor allem im Hinblick auf Events einer gewissen Größenordnung, ganz ehrlich sagen: Ich habe für dieses Problem nicht den Ansatz einer Lösung.

  • Hallo,
    das Hauptproblem ist doch folgendes:
    egal welche Maßnahme ich versuche einzuleiten, diese braucht ZEIT und Verständnis im Publikum und beim technischen Personal!


    Im Bereich Publikum
    Um ein Festival in dieser Größenordnung zu evakuieren würde ich mal, sehr Optimistisch, minimum 60min ansetzen. Welcher Veranstalter hat den A... in der Hose solch eine Entscheidung mit diesem Vorlauf zu treffen? (Wie Klaus schon in einem Anderen Thread schreibt kann es auch um die Wirtschaftliche Existenz des Veranstalters gehen)


    Im Bereich Technik
    dafür benötige ich, entsprechende Personalstärke ist verfügbahr, auch ähnlich viel Zeit um das Festival Sturmsicher zu bekommen. PA`s absetzen, Videowände tiefer fahren usw. usw.
    richig kompiziert wird es wenn mehrere Gewerke in sich verschachtelt sind. (z.B. PA-Delaytower mit Lichtgondel (sicht man auf einem der Puckelpopp Bilder, ist gotseidank stehen geblieben)


    wirklich Verlässliche Wetteraussagen über diese 60 min zu bekommen ist nicht ganz einfach, da habe ich auch schon von "Wetter zieht vorbei, ohne eine Böhe" bis "Hilfe der Wind frischt nochmals extrem auf" alles erlebt.


    my 2 cents
    gruß Kux

  • Moin,


    Auf dem Pukkelpop sind auch potentiell windanfällige Konstruktionen stehengeblieben, die geben das Maß vor. Die sollte man nachrechnen, und daraus die Bauvorschrift machen. Und die eingestürzten Konstruktionen inclusive bauähnliche Konstruktionen sollten jede Zulassung pauschal verlieren, bis Ihre Hersteller wissen und nachweisen warum es nicht gehalten hat, und warum es in Zukunft halten wird. Das kommt dann auch in die Bauvorschrift.
    Wegen Pukkelpopwetter 60.000 Leute in den öffentlichen Raum treiben, und sozusagen den Behörden zu übergeben, das wird niemand, wirklich niemand gut finden.


    Viele Grüße, Bernd

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  • Es sind dort ja einige Bäume umgefallen, die schweren Schaden verursacht haben, was ich so auf Videos gesehen habe.


    Auch darüber sollte man sich Gedanken machen

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  • Hi


    Zitat von "bernd häusler"

    Moin,


    Auf dem Pukkelpop sind auch potentiell windanfällige Konstruktionen stehengeblieben, die geben das Maß vor. Die sollte man nachrechnen, und daraus die Bauvorschrift machen.


    So einfach ist es aber leider nicht. Das einige Konstruktionen stehen geblieben sind heißt nämlich nicht unbedingt, dass sie stabiler sind, sondern kann auch einfach Zufall sein.
    Es gibt zu viele Faktoren, die Einfluss darauf haben:
    Wäre der Wind aus einer anderen Richtung gekommen, wären evtl. die Delay-tower umgefallen, die Bühnen aber stehengeblieben. (und hier können ein paar Grad schon einen Rolle spielen)
    Wäre der Sturm stärker gewesen, aber kürzer, ergäbe das auch ein anderes Schadensbild.
    Theoretisch sogar: Wäre der Sturm schwächer gewesen, hätte sich die ein oder andere Konstruktion (oder Baum) aufschaukeln können und wäre auch eingestürzt.


    Dieses "hätte/wäre"- Spiel kann man beliebig fortsetzen.


    Nehmen wir aber jetzt mal an, wir würden eine Bühne, Delaytower, Zelthalle... konstruieren, die tatsächlich 10Bft -oder meinetwegen sogar 12- widersteht; wo hört der Spaß auf?
    Bauzäune. Dixies. Sonnenschirme. Frittenbude (bei Konstanz ist am Freitag eine 77jährige von einem Erdbeerverkaufsstand erschlagen worden -wegen des Sturmes).Bierzeltgarnituren.Müllcontainer....
    Alles potenzielle Gefahrenquellen, wenn ein so heftiges Unwetter losbricht. Ganz zu schweigen von den Zelten der Besucher, die mit 11kg Butangas- Campingkocher wegfliegen und auf dem Gelände einschlagen können.


    Doch egal, machen wir das auch mal hypothetisch alles orkanfest... Oh, Moment, was ist das?

    Ein Schuppen, der direkt neben dem Pukkelpop- Gelände steht, ganz sicher nicht für 12Bft ausgelegt...


    Wenn wir es jetzt auf die Spitze treiben wollten, müssten wir, nachdem wir gigantische Investitionen betrieben haben, um alles sturmsicher zu machen, uns natürlich weitere Gedanken machen: Was, wenn unser Festival nicht in Belgien, sondern in Mittelitalien stattfinden soll? Da kommt ja auch noch eine erhebliche Erdbebengefahr hinzu....................



    Was ich mit alldem sagen will ist: Don't mess with nature.
    Ich halte die Bauvorschriften für ausreichend. Wichtiger als die Sache auf die Spitze zu treiben ist imho, dass die existierenden Vorschriften rigoros umgesetzt werden. Jeder, der es mit Ballastierung nicht so genau nimmt, der statisch errechnete Stahlseilverspannungen durch Spanngurte ersetzt, der nur die Hälfte der vorgeschriebenen Erdanker in sein Zelt einschlägt, ja sogar jeder der nur denkt "ach, wird schon gutgehen", der sollte sich vor Augen führen, wie es dann wohl ausgesehen hätte.


    Wenn wir mal soweit sind, dass alle Bauvorschriften eingehalten werden und auch Evakuierungspläne umgesetzt werden (die natürlich auch mit Gefahren verbunden sind, keine Frage), dann sind wir schon mal ein gutes Stück weiter.
    Trotzdem wird wieder was passieren, und es wird auch wieder Tote geben, das wissen wir alle.


    Die Natur kann mann nämlich nicht berechnen, sie ist unberechenbar.



    MFG


    Ralf

    extreme conditions demand extreme responses

  • Zitat von "acoio"

    Das einige Konstruktionen stehen geblieben sind heißt nämlich nicht unbedingt, dass sie stabiler sind, sondern kann auch einfach Zufall sein.



    ich war zufällig in belgien und habe ein fernsehinterview mit dem veranstalter gesehen -
    der auf einem lageplan zeigte, wo die windhose (?) durchgezogen ist. es gab
    wohl eine schneise quer über das gelände, seitlich davon hat alles gehalten.

    ______________________________


    meister vt
    gMA operating
    photo
    dj

  • Zitat von "andi.bt"


    Gehen wir mal davon aus wir haben eine VA mit ca. 10.000 pax. Der Veranstalter entscheidet sich aufgrund von aufziehendem Unwetter für eine Evakuierung des Geländes weil er ernsthaft Gefahr für Leib und Leben sieht. Die Feuerwehr / das THW / die Polizei (oder eine andere vergleichbare Staatliche Einrichtung des Katastrophenschutzes) legt ein Veto ein.



    verstehe ich nicht so ganz, wie sollten die überhaupt ein veto einlegen,
    auf welcher rechtlichen grundlage und mit welchem zweck ?

    ______________________________


    meister vt
    gMA operating
    photo
    dj

  • könnte mir vorstellen, falls bei einer Evakuierung mehr Verletzte zu erwarten wären als ohne.

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  • egal was wir machen. das eine problem ist, das eine veranstaltung auch bezahlbar sein muß !!
    es ist schön, sich auf wingeschwindigkeiten von 200km vorzubereiten. dann fällt ein baum um und schon wieder ist die bühne eingestürzt.


    es ist sinnlos, sich gegen alles wappnen zu wollen. es sind ja auch schon früher bühnen umgefallen. das wurde nur nicht so breit getreten, weil es kein you tube gab.
    hat sich denn hier schon mal wer gedanken gemacht, was passiert, wenn hier einer mit einem bomben gürtel unterwegs ist?
    alternativ hätten wir das was in norwegen passiert ist. ich kann mich auch an eine situation erinnern, wo auf einem parade wagen 8 leute auf einem geländer gewippt haben. das geländer war stark verbogen, hat aber gehalten.
    es gibt also diverse gefahren die aus ganz anderer richtung kommen können.

  • Also ich muss dann mal die Kollegen in Belgien in Schutz nehmen. Ich war schon oft auf dem Festival, und es sind keine Deppen am Start. Alles was die da machen hat Hand und Fuss. Man muss nur wissen das die Natur IMMER gewinnt! Das ist Fakt. Ich war mal in Zaragozza Spanien auf einem Festival. Und da waren es von strahlendem Sonnenschein in Shorts zum Changeover gehen bis zur totalen Zerstörung der Bühne keine 15 Minuten. Ich hab sowas noch nie erlebt. Das hat keiner kommen sehen. Damals war der Wind so stark das am FOH Tower ein Supertrooper Verfolger vom Turm geweht ist. Das Brett auf dem er stand ist 15Meter in die Menge geflogen und hat ein Mädchen schwer verletzt.
    http://www.youtube.com/watch?v=iIcW7aTz4zM
    Da helfen alle Evakuierungpläne nicht und auch die Statik gibt irgendwann nach. Das ist einfach zu schnell.

    Practice, Practice, Practice