... beim Betrieb räumlich getrennt voneinander installierter Lautsprecher.
Angesichts der immer wieder aufkommenden Fragen à la "Mein Bass klingt so komisch, was kann ich tun?" und des darauf in Pawlowscher Manier erfolgenden Universalhinweises "Überprüf’ doch mal die Phase zwischen Sub und Top" wollte ich da mittels ein paar simpler Überlegungen mal ein bisschen aufräumen. Herzensangelegenheit. :wink:
Denken wir uns der Einfachheit halber den banalsten aller Fälle: ein einsames Top hängt in 6m Höhe. Ein einsamer Sub steht darunter auf dem Boden. Getrennt wird bei 100Hz; beide verhalten sich im Übergangsbereich akustisch annähernd identisch (meinetwegen 2x CB Direktstrahler). Beide zusammen sollen dem Publikum im Bereich der akustischen Übernahmefrequenz ein phasenkohärentes Signal liefern. Wie stelle ich das sicher?
Idee: ich verzögere den Bass elektronisch um genau die Entfernung, die er näher am Publikum steht als das Top; dann sollte es passen. So weit, so gut. Klingen tut's aber auch nicht besser oder schlechter als vorher. Warum?
Die Länge einer 100Hz - Schallwelle beträgt knapp 3½ m; d. h. alle 170 cm folgen aufeinander abwechselnd Wellenberg und Wellental. Ich kann zunächst mal recht einfach sicherstellen, dass an einem bestimmten Punkt im Zielbereich die 'Berge’ aus beiden Quellen perfekt aufeinandertreffen. Wandere ich jetzt gedanklich (oder praktisch) durch den Publikumsbereich stelle ich jedoch fest, dass ich die maßgebliche Entfernungsdifferenz (auf diesen 170cm spielt sich alles ab, was mit 'Phase’ zu tun hat; von idealer Addition bis hin zur kompletten Auslöschung!) zwischen Hörposition zu Top und Hörposition zu Sub mühelos gleich mehrfach stufenlos durchlaufe. Vorn an der Bühne ist das Top 6m entfernt, der Sub vielleicht 1 - 2m. Gehe ich weiter nach hinten Richtung FOH, sind’s irgendwann vielleicht 12m/ 10m. Auf der Tribüne dahinter 15m/ 15m. Und oben auf dem seitlichen Balkon 7m/10m.
Schon für diesen einfachsten aller Fälle wird klar: es kann für Phasenkohärenz keine 'richtige’ Verzögerungszeit geben. Egal, ob ich die zu messen, zu errechnen, oder empirisch zu ermitteln versuche: das klappt nur für einen einzigen Zuhörer (der allerdings darf dabei, perfektes Abstrahlverhalten beider Quellen auch außerhalb der Achse vorausgesetzt, immerhin im Halbkreis um den Aufbau herumwandern). Für alle anderen ergibt sich "irgendwas".
Klar sollte auch sein, dass die Angelegenheit bei tatsächlichen Aufbauten (wir beschallen selten mit genau einem Centertop/ Centersub) gleich noch tausend mal komplexer wird. Wandere ich vor der Bühne zum Spaß mal schräg von L nach R (sozusagen im Halbkreis um das rechte Stack herum), dann ist die 100Hz Welle von L nach 2m nicht plötzlich weg. Sie kommt immer noch bei mir an. Lediglich ein winziges Tickchen leiser. Und dummer Weise gegenüber R jetzt um 180° phasenverschoben...
Von Zahnlückenarrays brauchen wir gar nicht erst zu reden; und incl. Betrachtung aller Reflektionen an schallharten Flächen im Raum, der Monitoranlage mit Drum Sub auf der Bühne und der Bassbox des Bassisten, wird die Angelegenheit vollends chaotisch.
Die "Sache mit der Phase" ist lediglich für einen einzigen Sonderfall richtig und wichtig: ein einzelnes Top steht bündig auf einem einzelnen Sub (als eine einzige geschlossene Schallwand), und strahlt horizontal in den schalltoten Messraum hinein.
Deshalb funktionieren übrigens auch "Dance Stacks" so toll; mal abgesehen davon, dass selbst Susi Sorglos und Toni Techno bei deren Installation praktisch nix falsch machen können außer irgendwo 2 Innenleiter zu vertauschen. Aber dabei geht’s dann auch nicht um PA im Sinne von 'möglichst viel Publikum mit möglichst ähnlichem Klangerlebnis versorgen' - sondern allenfalls um möglichst lautstarke Kleinraumbespaßung.
Fazit:
- "Phasenrichtig" gibt’s in der Beschallungspraxis räumlich getrennt installierter Komponenten nicht.
- Es ist daher - unter diesem Aspekt - auch wurscht, mit welchen Filtern ich dort arbeite.
- Es ist dabei sogar wurscht, wenn diese für Top und Sub unterschiedliche Charakteristiken/ Flankensteilheiten aufweisen.
- Gefasel über "Änderung der akustischen Trennfrequenz mit fataler Auswirkung auf die Phasenlage" für den Fall, dass Subs und Tops im Pegel zueinander verändert werden, ist was es ist – theoretisch (ein bisschen) richtig, praktisch irrelevantes Gefasel.
- Es gibt in der Praxis keine 'richtige’ Delayzeit für gestackte Subs zu geflogenen Tops.
Es gibt aber immerhin eine ungefähr richtige. Die liegt in dem Bereich, in dem möglichst große Teile des Publikums die Tops akustisch gleichzeitig wahrnehmen wie die Subs (oder ein wenig eher, das ist bis zu einem gewissen Grad hörpsychologisch unkritisch), und möglichst nur sehr wenige die Subs eher wahrnehmen als die Tops (das ist hörpsychologisch höchst unschön).
Diesen Bereich bestimmt ein fähiger Tonler mit dem feuchten Daumen (oder allenfalls mit dem Distometer). Zur Not auch mit dem ersten Bassdrumschlag.
Hoffentlich hab’ ich bloß nichts Fundamentales übersehen :roll:. Falls doch, zerreißt mich! :lol:
Mit freundlichem Gruß
BillBo