Shure Beta87A vs. Beta87C

  • Ja, und damit kommen wir auch direkt zur Frage nach der Empfindlichkeit für 'spill' zurück. Da ist Billbos Beispiel ein ganz passables Erklärungsmodell für das Verhältnis von Nutzpegel für die "Nahnutzquelle" zu spill. Nah am Mikrofon können schon 1-2 cm eine relative Entfernungsvervielfachung darstellen und im gleichen Verhältnis ändert sich auch das Verhältnis Nutzpegel/Spill. Hier sehe ich das höchste Erklärungspotential für das angesprochene Problem. Der tatsächlich wirksame Quelle-Korb/Membranabstand ist bei den meisten Kondensatormodellen der handgehaltenen Mikros verhältnismäßig ungünstiger als bei ihren dynamischen Kollegen. Gerade beim KMS105 mit dem "eingepackten KM185" ist der besagte Abstand relativ groß, was zwar gut für Naheffektreduktion, Reduktion von Pop/Windgeräuschen, Reduktion von Feuchtigkeits/Kondensateffekten auf der Membran ist, jedoch schlecht für Spill. :wink:
    Das "Massenträgheits/Dämpfungsmodell" halte ich für keine gute Erklärung für die "Spillempfindlichkeit". Wenn das tatsächlich dazu beitragen würde, dann allenfalls in einem winzigen Bruchteil des gesammten zu beobachtenden Phänomens oder umgekehrt: Wenn das die Erklärung wäre, müssten dynamische Mikros noch viel schlechtere Wandler sein, als sie es in der Praxis sind.

  • Zitat von "wora"

    also ich erkläre mir das einfach damit, dass eine kondensatorkapsel schon aus prinzip empfindlicher auf luftbewegungen reagiert.
    die bewegte masse der membran ist bei diesem wandlerprinzip ja deutlich geringer als die der dynamischen kapseln (die ja zusätzlich zur membran noch eine kleine schwingspule bewegen müssen).


    ich glaube also, das es mit der massenträgheit des schwingsystems zusammenhängt.


    Ich beobachte den Effekt auch sehr deutlich, aber nicht (nur) auf lauten Bühnen. Wir setzen bei uns in der Kirche Beta57 als Rednermikros ein. GBF im Vergleich zu den typischen Kondensator-Kandidaten ist um mindestens eine Größenordnung besser obwohl die Richtcharakteristik etwas völlig anderes erwarten lassen würde.


    Als gelernter Physiker erkläre ich mir das so, dass Partialschwingungen auf der flachen Membran des Kondensatormikros kaum gedämpft werden und im Signal des Mikros dann auftauchen. Vielleicht mit dem Schwingverhalten einer runden Wasserpfütze vergleichbar. Bei dynamischen Mikros ist die Membran tiefgezogen und hat eine Form, die Partialschwingungen dämpft. Die angebundene Spule tut ihren Teil auch mit dazu (Massenträgheit und Versteifung der Membran). Seitlich einfallender Schall regt vermutlich eher Partialschwingungen an als frontal homogen einfallender Schall. Aber vielleicht gibt es ja ein paar Mikrofonentwickler die hier mitlesen? Würde mich jetzt auch interessieren.

  • Zitat von "audiobo"


    Es geht um die Entfernung Mund -> Membran - diese fällt bei einem Beta57-Korb aufgrund der kurzen Bauweise ein paar mm geringer aus, was noch einmal einige dB zusätzlich bringt. Wenn du jedoch einen 58er Korb auf ein 57 schraubst, geht dieser Vorteil verloren.


    Ach so war das gemeint, das hätte ich dann doch deutlicher machen müssen, z.b. Mit dem Hinweis das der 58er Korb für die "unbelehrbaren" ist ;)
    Ich besitze zwar die genannten Körbe, zum Einsatz kommt aber wirklich nur der original 57er Korb. Getauscht wird nur auf expliziten Wunsch von fremdtechnikern :)


    Jetzt warte ich auch auf die Erklärung eines Entwicklers und werde in der Zwischenzeit mal diverse Mikrophone nachmessen :)

    Privater Account mit meiner persönlichen Meinung.

    Sollte es ein Problem mit meiner Neutralität zu einem Thema geben mache ich das im Beitrag kenntlich. :thumbup:

    http://www.noon.ruhr


    Application Support Engineer - HK Audio

  • @ mslr


    Das halte ich gleich an drei Stellen für unwahrscheinlich:


    - Wäre das Membransystem der Kondensatormikros tatsächlich relevant empfindlicher für "Partialschwingungen", würde es auch messbar mehr dazugehörige Verzerrungen erzeugen. Das Gegenteil ist der Fall.


    - Partialschwingungen enstehen dann, wenn die Membran groß im Verhältnis zur Wellenlänge der zu empfangenden Frequenz ist. Das sehe ich bei den üblichen 1/2" bis 1" Membranen nicht. Die Membran schwingt für den größten Teil des Frequenzspektrums nicht "partial".


    - Seitlich einfallender Schall nimmt bei Gradientenempfängern beider Bauformen Prinzip bedingt weniger am wirksamen Antrieb teil als frontal eintreffender Schall. :wink:

  • Mal ganz unwissenschaftlich mit einem Zentimetermaß und unter der Voraussetzung das ich
    die Oberseite der Membran als solche richtig erkannt habe bei den verschiedenen Konstrukten hier mal ein paar Zahlen, jeweils Membranoberseite zu Korb-mundseite in cm
    SM58 mit 58er Korb: 2,5
    SM58 mit 57er Korb: 2
    B57 mit 58er Korb: 2,3
    B57 mit 57er Korb: 1,8


    Alle folgenden mit ihrem originalkorb:


    E835: 1,8 (evtl. 2 das Ding ist mein delliges talkback)
    C535: 2,3
    AE3300: 2,9
    AE5400: 2,5
    AE6100: 2,4


    Spannend wäre es jetzt zu wissen ob z.b. Ein SM58 und ein AE5400 gleich viel
    spill hätten wenn sie beide die gleiche Charakteristik hätten?!?


    Spannendes Thema :)

    Privater Account mit meiner persönlichen Meinung.

    Sollte es ein Problem mit meiner Neutralität zu einem Thema geben mache ich das im Beitrag kenntlich. :thumbup:

    http://www.noon.ruhr


    Application Support Engineer - HK Audio

  • Das ist nicht ganz einfach zu messen. Du hast jetzt wahrscheinlich die Differenz aus Oberkante Korb zu einem definierten Punkt z.B. Anfang des Schraubgewindes am Schaft und Oberkante Kapselgehäuse zum selben Bezugspunkt gebildet. Du weißt jedoch nicht, wie tief die tatsächlich wirksame Membran im Kapselgehäuse sitzt. Das kann von Mikrofon zu Mikrofon sehr unterschiedlich sein und ist für Dich so erst mal nicht messbar. Von AT gibt es eine sehr schöne Schnittzeichnung durch ein AE5400. Da kann man das Problem gut erkennen. :wink:

  • Zitat von "Karel Noon"

    ...
    E835: 1,8 (evtl. 2 das Ding ist mein delliges talkback)
    ...


    Was mich auf die Punk-SM-58-Modifikation bringt: Korb durch geschicktes auf-den-Boden-werfen vorne abflachen -> wieder wichtige Millimeter gewonnen. Das funktioniert leider nicht beim gehärteten Beta-58-Korb, der bricht und das will dann keiner besingen...

  • Das habe ich vor knapp 30 Jahren auf der Tour einer damals aufstrebenden jungen Spaßmetalkapelle tatsächlich so gemacht, im Anschluss an eine kurze Zwangspause wg. plattem Sänger. Danach war halt das Mikro vorne platt – aber der Sänger ausgesprochen dankbar.


    Sämtliche Theorien über ein grundsätzlich 'anderes' Verhalten von Kondensatormikros 'auf Entfernung' scheitern an einer ganz simplen Überlegeung: der Wandler ist dumm und interessiert sich nicht dafür, welchen Weg die Schallwelle/ Druckänderung bereits zurückgelegt hat, wenn sie ihn erreicht. Er wandelt sie einfach.
    Es ist tatsächlich ein reines Spiel mit Entfernungsverhältnissen; der englische Physiker Ian Fraser K. hat das als einer der ersten erkannt und bei seinen Gesangsdarbietungen in geräuschintensiver Umgebung seither konsequent auf SM57 gesetzt (Beta kam erst später).
    Der Rest ist Psychologie. Ja, ein Kondensatormikro überträgt aufgrund geringerer bewegter Masse hochfrequente Signalanteile besser und sauberer. Auch die aus einiger Entfernung, und das hört man. Trotzdem drehen wir bei einem dynamischen Gesangsmikro kaum je 'Höhen rein' - ganz einfach weil sie bei Gesang nicht wirklich gebraucht werden und im Kontext einer Band – Gesamtdarbietung nicht selten sogar kontraproduktiv für die Sprachverständlichkeit sind. (Gibt’s hier vielleicht noch jemanden, der in Gesangskanälen von Rockbands grundsätzlich das obere Parametrikband als Hicut nutzt? :D)


    Und ja, natürlich hat die Richtcharakteristik eines Mikrofons einen großen Einfluss darauf, wie viel (Stör-) Signalanteil aus welcher Richtung im Gesamtsignal enthalten ist. Beim in der Hand gehaltenen Gesangsmikro ist das aber schon allein deshalb irrelevant, weil das Mikro in jeder Sekunde in eine völlig andere Richtung zeigt.


    Wie entscheidend dagegen der Einfluss der letzten paar Zentimeter ist kann man am besten mit einem Lavalier (bei dem die Membran 2-3mm unterm Gitter sitzt) und einem Kopfhörer ausprobieren. Aus 5cm Entfernung reinsprechen, sauber aussteuern – und dann mit Lippenberührung noch mal reinsprechen.
    Mit ein bisschen Pech anschließend Kopfhörer entsorgen. :wink:


    Mit freundlichem Gruß
    BillBo

    "Okay. Wir machen das mit den Fähnchen."

    Einmal editiert, zuletzt von billbo ()


  • Die Argumente kann ich nachvollziehen. Mit den Verzerrungen von Kondensatormikrofonen habe ich mich bis jetzt noch nicht auseinandergesetzt.
    Partialschwingungen sind prinzipbedingt deutlich hochfrequenter und würden wenn sie auftreten dann durch einen Filter im Vorverstärker weggefiltert werden also nicht in der NF am Ausgang feststellbar sein. Die Schallgeschwindigkeit in Luft und in Festkörpern/Oberflächen ist eben deutlich unterschiedlich und die Dimensionen der Membran geben Frequenzen im Hörbereich nicht her, das hängt aber im Wesentlichen von der Spannung der Membran ab.
    Partialschwingungen sind komplizierter da wir nie eine ideale Membran haben. Es gibt hier eine interessante Untersuchung der Schwingungsmoden einer Pauke, das lässt sich im Prinzip doch auf ein Kondensatormikrofon übertragen?
    http://www.unibw.de/lrt4/mecha…hfleischer/0501_pauke.pdf
    Da werden Schwingungsmoden erwähnt die sich aufteilen und die durch Inhomogenitäten der Membran nahezu gleiche Frequenz haben und überlagert dann eine Schwebung ausbilden, die wieder im akustisch wahrnehmbaren Spektrum liegen könnte.
    Beim (Druck)gradientenempfänger erzeugt Schall von vorne eine gleichmäßige Krafteinwirkung (stimmt nicht ganz - sie ist in der Mitte maximal) auf die Membran und sollte im Idealfall keine Partialschwingungen anregen. Schall von der Seite (90°) erzeugt keine Kräfte und sollte damit auch keine Partialschwingungen auslösen, dazwischen (z.B. 45°) wird es aber vorkommen. Der 'Spill' kommt ja von überall her. Möchte aber die Community hier nicht mit hypothetischen Themen langweilen.

  • Zurück zur Praxis :D

    Weil's so interessant ist und ich eh gerade Mikrosätze sortiere, hab ich mal ein bisschen rumgespielt.
    Fazit: wer Beta 87 mit 10 dB weniger 'Spill' möchte - der schraube DA mal einen 57er Korb drauf. Ja, passt. Da geht was! :shock:
    Bin mir allerdings nicht sicher ob es eine Funkstrecke gibt, die das bei einem potenten Sänger noch mitmacht...
    Das wird selbstverständlich bei nächstbester Gelegenheit mal in der Praxis erprobt. :D


    Mit freundlichem Gruß
    BillBo

    "Okay. Wir machen das mit den Fähnchen."

  • Apropos unwissenschaftliches Herumspielen - ich habe mal 4 Mikrofone genommen und parallel zum Messmikrofon (als Referenz anstatt des Link-Kabels am Interface) gemessen. Die Membran des Messmikrofon liegt dabei auf gleicher Höhe wie die Korbfront.


    Als Schallgeschwindigkeit habe ich zuvor 347,7m/s ermittelt, der Rest ist selbst zu interpretieren/errechnen.



    (P.S.: habe gerade leider keine 58er hier)

    ...zunehmend Gefallen an Ignorieren-Funktionen findend.

  • Zitat von "mslr"

    Es gibt hier eine interessante Untersuchung der Schwingungsmoden einer Pauke, das lässt sich im Prinzip doch auf ein Kondensatormikrofon übertragen?


    Nein definitiv nicht, denn die Membrangröße einer Pauke lässt für ihren üblichen Durchmesser Partialschwingungen für einen großen im Hörspektrum gelegenen Bereich mit Lambda < D/2 zu. Das trifft für eine typische 1/2" oder 1" Membran eines Mikrofons nicht zu. Schräg auf eine 1" Membran eintreffende Wellenfronten sehr hoher Frequenzen im Hörspektrum ( Lambda < 2,54 cm ) eines Gradientenempfängers erzeugen Interferenzeffekte, die sich auf Frequenzgang, Impulsverhalten und Richtcharakteristik in diesem kleinen Bereich auswirken. Dadurch entsteht jedoch kein nennenswerter Spill.


    @ Audiobo


    Prima Messung. In ein C391 würde natürlich keiner ohne Schaumstoffdödel hineinsprechen. Dann wäre der reale kleinstmögliche Sprecherabstand natürlich auch kein solcher Ausreißer nach unten mehr. Interessant ist für die Ausgangsfrage das SM86, dessen Geometrie ziemlich dem beta87a entsprechen dürfte und das erfahrungsgemäß weniger Spill bei typischer Nahanwendung erzeugt als manch anderer Kondensatorkandidat möglicherweise weil besagter Abstand ähnlich wie bei einem 57 ist ! Sehr interessieren würde mich eben, ob der Membran-Korbabstand beim 105er wie vermutet deutlich größer, also auf der Grafik rechtsverschoben ist.

  • Zitat von &quot;billbo&quot;

    ...(Gibt’s hier vielleicht noch jemanden, der in Gesangskanälen von Rockbands grundsätzlich das obere Parametrikband als Hicut nutzt? :D)...


    ja, ich glaube ich hatte das hier schonmal irgendwo erwähnt ;)

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Zitat

    ... der Rest ist selbst zu interpretieren/errechnen.

    Das SM86 ist das 57er für Kondensatorfreunde :D
    Und dass aus einem 421 in der immer wieder mal noch angetroffenen Anwendung als Bass Mic vor einem SVT Stack "nix g'scheits rauskommt" (selbst wenn sich die Lautsprecherbespannung schon nach innen beult) entspricht ebenfalls der Alltagserfahrung. Lösung: Loch rein schneiden (in die Bespannung... ) oder Mikro mit weiter vorn liegender Membran nehmen.


    Mit freundlichem Gruß
    BillBo

    "Okay. Wir machen das mit den Fähnchen."

  • Zitat von &quot;wora&quot;


    ja, ich glaube ich hatte das hier schonmal irgendwo erwähnt ;)


    ... Wobei man ehrlicherweise anfügen sollte, dass ich bei den AE3300, die Wora verwendet, auch erstmalig das Bedürfnis nach besagtem hicut hatte. :D

  • Das hab ich tatsächlich beim hier behandelten (und oft geschmähten) Beta87 gelernt. Das Teil hat m. E. seine Stärken in einem wunderbar sauberen, fast schon analytischen Mittenbereich, der vor allem bei Frauenstimmen prima funktionieren kann. Welche Eigenschaft man allerdings erst dann bemerkt, wenn man das nervige Gebritzel und Gezischel darüber einigermaßen konsequent entsorgt hat.


    Mit freundlichem Gruß
    BillBo

    "Okay. Wir machen das mit den Fähnchen."

  • Zitat von &quot;billbo&quot;

    Das hab ich tatsächlich beim hier behandelten (und oft geschmähten) Beta87 gelernt. Das Teil hat m. E. seine Stärken in einem wunderbar sauberen, fast schon analytischen Mittenbereich, der vor allem bei Frauenstimmen prima funktionieren kann. Welche Eigenschaft man allerdings erst dann bemerkt, wenn man das nervige Gebritzel und Gezischel darüber einigermaßen konsequent entsorgt hat.

    dito beim KSM9 8)


    das von guma erwähnte AE3300 hat eigentlich gar keine sonderlich ausgeprägte höhenanhebung - aber es kann halt die höhen wiedergeben, die viele dynamische mikros gar nicht mehr machen. und sofern die verwendeten lautsprecher diese höhen überhaupt wiedergeben können, kann hier ein hicut eine durchaus sinnvolle anwendung sein ;)

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • So, habs jetzt beim KMS105 selbst nachgemessen ( fällt bei seitlicher Betrachtung im Gegenlicht auch schon auf, was da los ist) geht mechanisch sehr gut zu messen, weil die Membranebene eindeutig zu identifizieren ist:


    3,4 cm von Korb aussen zur Membran ! Das ist sehr viel mehr als beim beta87. Mich wundert nix mehr !