Veranstaltungs- und Discothekenbranche in der Rezession...


  • Ich bin zu alt, um das aktuelle Balzverhalten junger Menschen beurteilen zu können. Auf jeden Fall war das vor 35 Jahren im Westen genau so wie im Osten. Wenn es wirklich heute generell nicht mehr vorrangig bei Veranstaltungen stattfindet, wäre es nett, wenn uns die jüngeren Forenuser mal aufklären würden?

  • Die werden das vermutlich bestätigen.
    Dadurch; das ich ziemlich viele Sachen mit jüngerer Zielgruppe mache, kenne ich natürlich auch viele davon.
    Und da ist eigentlich kaum jemand, der seinen momentanen Partner auf die altmodische Art kennengelernt hat.
    Es ist aber auch zu beobachten; das es viel mehr Singles als früher zu geben scheint. Vor allem in den Städten...

    Never stop a running System

  • Ich hatte erst heute Nacht wieder eine gute Party bei der meine Garderobenkräfte beobachtet haben, dass viele Pärchen mit Nummern heim gegangen sind, die 100 Stellen von ein ander entfernt waren. Das lässt mich darauf schließen, dass diese Menschen nicht zusammen gekommen sind. Und wir hatten auch in einer großen Stadt eine gute Patry.

  • Zitat von "blade11"

    Warum ziehen dann schon lange keine Singlepartys mehr? Das ist bei uns seit 3 Jahren rückläufig gegen 0.


    Ich kenn mich in der Szene nicht aus, würde aber vermutlich selbst als Single nicht auf Selbige gehen.
    Aber ich hab ja auch meine Frau im Internet kennengelernt, ich zähle also nicht :)


  • Könnte das konsequente Aussperren der Grund für den Erfolg sein? Ein Grinsen kann ich mir da nicht verkneifen.

  • Also ich bin gute 29, falls das zur Einordnung folgender Eindrücke irgendwie relevant ist ;).
    Alles spontan aus der Hüfte geschossen:


    - 90% aller "Clubs" sind/waren nie auf Langlebigkeit ausgelegt, sondern auf das möglichst hippe Abfischen des aktuellen Mainstreams. Alle paar Jahre kommt dann die zwingend notwendige Häutung zur Existenzsicherung, pardon, "Neuerfindung", nach 2-3 Durchgängen ist die Lokalität dann einfach durch bzw. wird einmal auf Links gedreht und der Spaß fängt von vorne an.
    Ich nenne das jetzt mal liebevoll den "Döner-Buden-Effekt". Alle irgendwie ok, die grottigen sterben sofort, wirklich herausstechende gibts es kaum - an die erinnert man sich aber.


    - die 10% Überzeugungstäter leben entweder "brauchbar" von einer gut kultivierten Nische oder haben einen eigenen "Vibe" der eben auch die jeweils nächste Generation anzieht.
    Stichwort "Kultfaktor" und so.


    - provokant, aber nicht unrelevant: warum soll ich, evtl. noch dem suboptimalen Nahverkehr ausgeliefert, mich in eine Lokalität begeben, wenns dumm läuft die meiste Zeit die falsche Musik oder einen schlechten "DJ", pardon, Titelsortierer ertragen und das ganze noch mit - super GAU - dem grottigen Bräu aus dem Hause XY ertränken.


    Die Entscheidung ist doch einfach die:
    - letzte Bahn nehmen; damit ist der Abend früh aus (bzw. die Nacht)
    - die erste Bahn morgens nehmen - "boah ne, is nich so prickelnd heute, lass mal..."!!!
    - gleich mit dem Auto kommen und damit ist der Party-Faktor dann eh vom Tisch (glorreiche Ausnahmen mögen die Regel bestätigen, keine Frage...)


    Also, was tun? Genau, Geselligkeit unter Freunden, bei Freunden, mit Freunden. Da läuft dann die ultimative spontan-90er-Party-Playlist vom letzten Festivalaufenthalt und die Couch kennt man schon von früher, Frühstück gibts am nächsten morgen auch kollektiv...


    Äh, worum gings..."Club"? Achso...joa. Unterliegt wie so vielem dem Wandel der Zeit, der Mensch hat genügend Alternativen, wer meint, mit Bum-Bum und Schnappes das Rad neu erfinden zu können, bitte schön, "Nachhaltigkeit" in der Party-Branche ist das sicher nicht.



    Nachtrag: achso, Paarung und so...das findet meines Erachtens immer noch hauptsächlich auf kulturell getarnten Fummel-Veranstaltungen a la Karneval/Fastnet oder eben Wasen/Wiesn statt; ich habe zumindest den Eindruck, dass sich beide Geschlechter ein wenig von dieser Club-Anmache "emanzipiert" haben...

  • Das Phänomen Großraumdisco habe ich ja noch nie verstanden - aber bitte, jeder so wie er mag.


    Wenn Du mit einer Lokalität oder auch einem wie auch immer gearteten Fest Erfolg haben willst, solltest Du vor allem eins sein: Kaufmann.
    Du musst es schaffen, dass die Leute genau Dein Produkt wollen - oder eben genau andersrum - genau das Produkt anbieten, dass die Leute haben wollen. Die Großraumdiskothek ist ein Relikt der 90er Jahre. Die einzigen Läden, in denen das Konzept noch aufgeht, erfinden sich entweder stetig neu mit allen Konsequenzen und den daraus entstehenden Kosten - oder sind von vorne herein fremdfinanziert. Es gibt einen Grund, warum viele Gastrokonzepte immer kurzlebiger werden - weil Trends es in Zeiten von Social Media auch sind. Und damit ist die Großraumdiscothek, die massive Vorinvestitionen nötig macht und dazu riesige laufende Kosten verursacht, einfach ein Dinosaurier.


    Auf der anderen Seite gibt es so viele "Events" wie nie. Diese finden halt nicht mehr auf den Stadtfestbühnen oder in Discos statt. Sondern in kleinen Läden, in "Clubs", Bars und vor allen Dingen bei den Tausenden von Firmen, die sich gerne selbst und auch ihre Produkte stetig feiern. Und darauf muss man sich einstellen. "Leben" können vom Beruf Discjockey nur ganz Wenige. Die, die ich kenne, machen ihren Job richtig gut. Und dazu gehört am allerletzten Marke X an Lautsprechern oder Y an Lichtequipment. Diese Jungs kennen den Markt und ihre eigenen Möglichkeiten - und passen sich jeden Tag aufs Neue den Erfordernissen an - und haben sich schlussendlich selbst als regionale "Marke" etabliert. Ob sie allerdings in 10 Jahren noch davon leben können - weiss wahrscheinlich keiner so richtig


    Es ist schon so wie billbo sagt, wenn Du ein gutes Produkt hast oder bist - kannst Du Dich in der heutigen Zeit vor Aufträgen oder Kunden oder Gästen kaum retten. Eine Erfolgsformel gibt es dabei nicht, dafür sind regionale Unterschiede und Anforderungen zu unterschiedlich.


    Die bekannte Redensart vom Essen, das dem Gast und nicht dem Koch schmecken muss, ist heute halt immer noch wahr. :)


    Viele Grüße,


    Thomas

  • Zitat von "ThomasL"

    "Leben" können vom Beruf Discjockey nur ganz Wenige. Die, die ich kenne, machen ihren Job richtig gut. Und dazu gehört am allerletzten Marke X an Lautsprechern oder Y an Lichtequipment. Diese Jungs kennen den Markt und ihre eigenen Möglichkeiten - und passen sich jeden Tag aufs Neue den Erfordernissen an - und haben sich schlussendlich selbst als regionale "Marke" etabliert. Ob sie allerdings in 10 Jahren noch davon leben können - weiss wahrscheinlich keiner so richtig


    So ein Kollege ist seit vielen Jahren Kunde bei mir. Er sagt ganz klar, dass es schwieriger wurde, "gute" Jobs zu bekommen. DJs, die sich den Sound aus dem Netz zusammensaugen und danach für einen Kasten Bier "open end" spielen, gibt es immer mehr. Ist ja auch logisch - vor 10 Jahren musste man sich den Sound teuer auf CD oder Vinyl kaufen. Da war es schon ein Alleinstellungsmerkmal, wenn man ein grosses Repertoire hatte (und dies entsprechend einzusetzen vermochte).


    Auch wenn unter den "Billig-DJs" viele Eintagsfliegen sind, hatten diese einen negativen Einfluss auf die Entwicklung der Gagen. Teilweise sind die üblichen Gagen um 30 - 50% tiefer als noch vor ein paar Jahren.


    Also wenn man sich tatsächlich den Lebensunterhalt damit verdienen MUSS, und quasi auf jedes Booking angewiesen ist, kann das schon bitter sein. Bei den Headlinern, die mit eigenen Tracks in den Charts vertreten sind, ist das sicher eine völlig andere Geschichte.


    Ich habe selber lange Zeit viel aufgelegt und picke mir heute nur noch die Rosinen aus dem Kuchen. Aber das sind inzwischen nicht mehr so viele. Bei den Jobs, wo die Spesen 20% der Gage ausmachen, bleibe ich dann lieber zu Hause.



    Heute bin ich froh, dass ich mich mehr in Richtung "Live" entwickelt habe, das öffnet doch sehr viele Türen und bei den Jobs zahlt sich das in verschiedener Hinsicht sehr aus.

    Der Ton macht die Musik.


  • Das kann ich für mich genauso unterschreiben. Wo das anders aussieht und sich die Kollegen vor Terminen nicht retten können kann in meinen Augen zu großen Teilen regional bedingt sein - es gibt halt gute und schlechte Ecken in Deutschland.


    DJing neu erfinden ist ab einem gewissen Niveau/Level was man erreicht hat, nur schwer möglich. Aktuelle Musik ist als Ausgangslage für alle gleich - gute Mixe und Mashups bekommt man als fähiger DJ auch gut - also wo da ansetzten? Klar kann man in kleinen Clubs und Bars den ein oder anderen Job auftun, aber aufgrund der geringen Gästemassen dort, fallen auch die Gagen im Vergleich zu den Dinosaurierläden der 90er entsprechend geringer aus - der Wirt ist nämlich auch Kaufmann.

  • Da fragt man sich direkt: Was macht einen guten DJ aus. Das ein halbwegs professionell arbeitender DJ technisch und musikalisch einfach ne Menge auf dem Kasten hat, setze ich mal voraus. Und auch die Tatsache, dass er mit den modernen Mitteln, zumindest theoretisch, mehr tun kann, als nur beliebige Songs aneinander reihen.


    Drei Beispiele von Bekannten von mir, die alle vom DJ-Dasein mehr oder weniger gut leben:


    Beispiel 1 - Der Clubrocker
    Der Kollege ist seit Jahren im ganzen Großraum OWL/südliches Niedersachsen einer der richtig gut Gebuchten. Er ist jung, smart, sieht gut aus und hat technisch echt was drauf. Und kann musikalisch alles bedienen von Motown und 70s Funk über klassischen HipHop bis EDM. Dazu ist er ein Netzwerker, kennt unglaublich viele Leute und ist mobil - die Clubs in denen er an verschiedenen Tagen in der Wintersaison-Woche Resident-DJ ist, liegen weit auseinander. Aber naja - wir sind hier auf dem platten Land - da muss man schon mal viel fahren. Dazu kommen unzählige Auftritte ausserhalb der Clubroutinen bei Einzelpartys. Die wiederum werden meist über die Agenturen gebucht, die auch mit den Clubs arbeiten, bei denen er so ist.


    Beispiel 2 - Der Tanzmucker
    Tanzmucker klingt krass, ne? Ist es aber gar nicht. Mein Beispiel 2 hat sich als wirklich guter DJ im Nachtleben unserer kleinen Heimatgemeinde einen Namen erspielt. Meist für wenig Geld - aber für gute Kontakte. Und jetzt profitiert er genau davon. Es wurde ne kleine Anlage gekauft - und er ist im Prinzip an jedem Wochenende drei Tage lang ausgebucht. Hochzeiten, Geburtstage, Firmenevents - alles was es "wegzumucken" gilt, wird gemacht. Und die Gage, die er nimmt, ist zwar nicht billig - aber immer noch einer der kleineren Posten in einer Zeit wo Hochzeiten in der Regel mit fünfstelligem Budget geplant werden.
    Das Ganze immer mit modernem Anstrich, guter Moderation, extrem gepflegtem Auftreten.
    Dazu betreibt er gutes Marketing in den sozialen Medien, hat ne Webradioshow und ist auch sonst sehr rührig und fleißig. Das muss man wollen. Aber dann geht es auch.


    Beispiel 3 - Der Tausendsassa
    Musik beim Abschlussball einer Tanzschule? Kann er. Professionellen Videomitschnitt der Promoveranstaltung des lokalen Bierbrauers erstellen? Kann er. Moderation des Stadtfestes mit B-Promi-Auftritten und Interviews drumrum? Kann er. Der hier beschriebene junge Mann kann das wirklich alles. Er versteht sich als 1-Mann-Dienstleister - und bietet "Alles rund um Ihre Veranstaltung" an - ausser dem, was er nicht alleine bewältigen kann. Das eigene Equipment ist übersichtlich aber hochwertig und höchstmobil. Er hat ebenfalls gute Connections, ist im Gewerbevereinsvorstand, per Du mit den wirklichen Entscheidern der Stadt und hat seit Jahren schon das Medium Internet mit seinen Dienstleistungen als das universale Werkzeug für alle Belange erkannt. Die großen Veranstaltungen mit Bühnen, Licht und Ton überlässt er lieber den anderen. Dafür moderiert er beispielsweise im örtlichen Einkaufszentrum die Eröffnung des neuen Buchladens, macht Musik auf der anschließenden Lieferantenparty - und geht wahrscheinlich mit mehr Geld nach Hause, als die Jungs, die gerade vor der Tür die Stadtfestbühne zusammenkloppen. Und weil er so schlau war, drei Kameras bei der Eröffnung aufzustellen, hat er schon Material für das Imagevideo, dass er dem Einkaufszentrum eh noch verkaufen wollte. Guter Mann.