Nicht-Systemamps - Macht das Sinn?

  • Zitat von "ThomasL"

    Hm...das mag eine Philosophie-Frage sein, aber ich habe noch nie vor Ort in irgendwelche Hersteller-Presets eingreifen müssen. Lauter, Leiser ja, Master-EQ und Delay auch - aber Crossover, Delay zwischen den Komponenten und EQ der einzelnen Treiber?


    ...

    dem möchte ich mich anschliessen.
    wann hat man auf nem gig denn überhaupt mal zeit, wirkliche entwicklungsarbeit zu machen?
    so ein controller-preset ist in der regel eine ausgetüftelte sache. ich kenne persönlich einen hersteller, der immer sehr betrübt ist wenn er mal wieder kaputte lautsprecher reparieren muss - weil der kunde die presets eigenhändig geändert hatte. mit den korrekten presets ist dagegen den lautsprechern noch nie etwas passiert. und genau so soll es auch sein.
    mag ja sein, das man in der ein oder anderen situation noch 1-2dB rauskitzeln könnte, aber mal ganz ehrlich: da sollte man seine PA dann doch lieber etwas grösser dimensionieren, statt sie immer an der leistungsgrenze zu betreiben.


    raumanpassungen kann man heutzutage sehr gut mit den in den digitalpulten enthaltenen möglichkeiten erledigen, evtl. sogar über externe grafikEQs.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • und was die Vertec EQs angeht:
    ja, das kann ich fast genau so bestätigen. hier in Karlsruhe gab es vor vielen jahren mal eine grössere menge dieser boxen auf vielen veranstaltungen, und ich dachte immer: warum baut dieser amerikanische hersteller, der früher mal absolut amtliche sachen produziert hat, bloss boxen, die dröhnen und nach plastikgehäuse klingen??
    irgendwann hatte ich dann mal im saarland eine veranstaltung, bei der ich die vorband bei einem JoeCocker konzert mischen sollte. dort gab es auch ein vertec. ich dachte dann eben:" na ja, was solls, musst du eben mit den dröhnboxen klarkommen, ich kann ja schlecht ne andere PA fordern... ;)
    aber, siehe da: das system dort klang plötzlich absolut sahnemässig!
    kein dröhnen, kein plasiksound... der dortige techniker hat mir dann auch erklärt, das wohl jeder verleiher in den controllerpresets sein eigenes süppchen kocht.


    etwas später hab ich mich mal mit einem entwickler von Schoeps unterhalten, der damals bei der premiere der Vertec von den amis eingeladen war. und der sagte mir:"ich habe eines nicht verstanden: noch bevor auch nur ein ton aus der anlage gekommen war, stürzten sich die techniker auf die controller und diskutierten, was man an den presets noch verbessern konnte..."


    und ganz ehrlich: spätestens in dem moment wusste ich, das geschützte systemamps ein segen sein können ;)

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Zitat von "wora"


    ob dann in den jeweiligen systemamps grössere verbiegeaktionen stattfinden oder nur geschmacks-eq werkelt, spielt hier dann doch gar keine rolle. hauptsache das endergebnis, also das was aus den boxen rauskommt, stimmt.
    oder ?


    Sebstverständlich ist das Gesamtergebnis entscheidend. Die EQ's spielen aber mit Sicherheit eine Rolle. Fast jeder Filter hat mehr oder weniger starke Auswirkungen auf die Phasenlage der Lautsprecher. Je nachdem, was für Filter verwendet werden und wie (z.B. beim 'Grade biegen' von halbguten Lautsprechern) geht man Kompromisse ein.


    Was bei einem einfachen Stereoaufbau mit 2 MuFu Boxen noch wenig Probleme macht, wird dann so richtig interessant, wenn du mal Subwoofer (Arrays) mit einbindest, Lautsprecher Arrays (horizontal, als auch vertikal) bilden musst und versucht Dein ganzes System akustisch gut ankoppeln zu lassen, sowohl was die Phase, als auch den Klangcharakter angeht. Herhersteller, die hier in sich sehr sauber konstruierte Lautsprecher anbieten, akustisch komaptible Treiber & Technologien verbauen, diese dann noch mit sauber ineinandergreifenden Systemverstärkern anbieten und dann auch noch phasenkoheränte Filter (FIR z.B.) einsetzen sind da aus meiner persönlichen Erfahrung klar im Vorteil, was die akustische Leistungsfähigkeit ihrer Systeme angeht.



    Nicht-Systemamps haben aber auch Ihre Daseinsberechtigung.
    Ich sehe z.B. oft, dass Firmen Lautsprechersysteme (insbesondere Speziallösungen, die es sonst nirgendwo gibt) in ihrem Portfolio ergänzen. Da man aber nicht für nur sehr wenige neue Lautsprecher (zumindest anfänglich) direkt teure, meist 4-Kanal Systemverstärker, mit Anschaffen will, die dann nur und ausschließlich mit den neuen Lautsprechern funktionieren, werden sog. Universal-Amps gekauft. Diese in der entsprechenden Leistungsklasse und mit einem DSP, der in der Lage ist das neue Lautsprechersystem bestmöglich, aber auch sicher, anzufeuern - aber auch jedes andere System, welches noch so im Lager zur Verfügung steht.


    Es ist aber auch korrekt, dass sich viele Leute überschätzen, wenn es darum geht entsprechende Presets selbst zu erstellen. Wenn ich als Techniker unterwegs bin sind mir Lautsprechersysteme also auch deutlich lieber als Universalamps als Alternative. Bis auf einen Hersteller professioneller DSP-Enstufen, da weiß ich sehr genau, was ich bekomme... aber das ist ein anderes Thema :wink:

  • Ein Systemamp funktioniert immer gleich, noch besser als McDonalds.


    Wenn ich also nur Eigenproduktionen mache, bei denen ich mit meinem Material auskomme ist alles egal, sofern die Presets vernünftig sind.
    Vermiete ich mein Material an Endkunden, ist es auch wurscht, sofern die Presets vernünftig sind.


    Wenn ich aber an Kollegen vermieten will um dort ein bestehendes System zu erweitern, wird es schwierig. Gleiches gilt für die Zumietung.


    Beispiel:
    Es meckert vermutlich niemand, wenn z.B. L-Acoustics Systeme (oder d&b oder oder...) an vernünftigen Presets an einer PLM oder von mir aus auch einer Höllstern oder was vergleichbarem betrieben werden. Ab wer hat Lust auf einer Baustelle an einer Bühne das Zusammenspiel von LA8, PLM's und Höllstern (um beim Beispiel zu bleiben) zu koordinieren, vermutlich niemand. Also sind Fremdamps dann problematisch wenn man häufiger für Großbaustellen zumietet oder vermieten möchte. Sind es nur vereinzelte, kann man sich ja im Zweifel die Amps mit mieten.


    Ich denke man kann das Thema noch 20 Seiten diskutieren und immer wieder wird es Argumente für oder gegen das ein oder andere geben.
    Kurz: hat man wenig Zeit und mehr oder weniger nur Lautsprecher eines Herstellers, kauft man m.E. Systemamps.

  • Also die Ausgangfrage war ja; wer solche Verstärker -4 mal 5 kW- kaufen soll bzw. es auch tut.
    Ich denke; es gibt
    a) genügend ältere Systeme auf dem Markt, welche in punkto Audioqualität immernoch up to Date sind und sich durchaus mit aktuellen Produkten messen können. Neue Verstärker können die Sachen erheblich aufwerten und die Racks verkleinern. Oft sind die Anlagen gemischt und viele umbestückte Doppel18er am Start. Statt 4-5 Racks noch eins mit z.B. H 20.4ern drinne..
    b) viele neue Semi-Pro Systeme, die relativ frei sind, wie z.B. Seeburg. Grade wenn Bässe im 2kW-Bereich im Spiel sind.


    In der Liga braunschwarz & Co. ist das -wie oben ausführlich ausgeführt- natürlich eher nix; obwohl ich mir vor allem am Bass mit Höllstern einen deutlichen Gewinn an Performance vorstellen könnte.
    In dieser Richtung sollen die -ich sage mal zugehörigen- Amps einfach das viele Geld nicht wert sein.


    Wie mir dieser & jener Systemer allerdings abends beim Bier berichtete; wöllte er mit Höllstern Konfigurator auf die Schnelle mal kein größeres Setup erstellen müssen. Da liegen wohl Welten z.B. zu LAcou zwischen...

    Never stop a running System

  • Im Prinzip war das Thema schon auf den ersten zwei Seiten hier von Christian und Wolfgang ausreichend erörtert. SystemElektronik vom BeschallungstechnikHersteller ist absolut sinnvoll. Andere Endstufen mit anderen Controllern und Presets für andere Anwendungen auch. Dahinter steckt eine historische Entwicklung. Irgendjemand hat auf die d&b C-Serie mit SystemAmps zurückgeblickt, dabei fiel mir auf, daß es schon viel früher begonnen hatte. Deshalb will ich auf die schnelle einen historischen Überblick der Entwicklung abgeben:


    Am Anfang waren die LautsprecherSystemHersteller ohne ElektronikProduktion, die EndstufenHersteller ohne SchreinerWerkstatt, und die LautsprecherHersteller (Driver + Woofer) hatten weder Schreiner- noch Elektronik-Produktion im eigenen Haus. (ausgenommen Produzenten von Studio- und HiFi-Geräten). So hat sich jeder Hersteller, jeder Vertrieb und jeder Anwender seine Komponenten selbst zusammengestellt. Folglich waren vergleichbare Systeme betreffend Klang und Sicherheit so gut wie nie identisch. Da aber die Hersteller und die Anwender verläßliche und gleichbleibende Qualität und Sicherheit ihrer Systeme haben wollten, war es erforderlich ihre Kisten mit definierter Elektronik und geringsten Toleranzen anzutreiben.


    den Anfang machten Unternehmen wie Klein&Hummel, die die gesamte Elektronik, damals noch analoge Signalverarbeitung, Frequenzweichen, Entzerrer, Laufzeitkorrektur, Limiter, Endstufenblocks und Netzteile in ihre Lautsprecherboxen integrierten. Das war das non-plus-ultra bei Studio-Abhören in den 1980ern. Bei später entwickelten PA-Systemen haben K&H eine andere Philosophie verfolgt, und wie alle anderen Hersteller auch, die Elektronik in 19" Gehäüse verbaut.


    Meyer, d&b und andere haben versucht ihre Systeme mit eigenen analogen aktiven Controllern zu verbessern, und das unter der Voraussetzung daß ihre Systeme in der Praxis mit beliebigen Amps betrieben worden sind. Diese Controller haben neben den üblichen Funktionen zusätzlich auch die Ausgangsleistung der angeschlossenen Endstufe permanent gemessen, und das EingangsSignal entsprechend Vorgabe gesteuert. Dieses Prinzip nannten sie Sense-Drive und der Vorteil gegenüber anderen "Controllern" die "taub" arbeiten, liegt auf der Hand. Nachteil war, daß ein Controller nur für eine definierte LautsprecherKombination bestimmt war. Beispielweise d&b hatte zu der Zeit einen E1-controller und einen d&B amp als eines der ersten vollständigen Hersteller-Systeme. bis zu C-Serie und D-amp waren noch zwei Generationen hin. Ansonsten war damals immernoch der "FremdVerstärker" der Standard.


    Dann folgten F1 + B1 mit jeweils eigenem Controller-Amp als erste geschlossene Systeme von d&b. Wohlgemerkt je Box ein Controller-Amp mit 4HE und ca. 30Kg, und nicht acht-, vier- oder zwei-Kanal, sondern MONO! Das garantierte immer gleich bleibende Sound und Sicherheit und Kompatibilität der Systeme aller Anwender. Benötigte aber viel Transportkapazität. Währenddessen war der Standard bei den anderen Herstellern immer noch frei zusammengewürfelte Komponenten zu verwenden. Nur teilweise haben die Vertriebe bestimmt, welche Endstufen und Aktiv-Weichen für ihre Systeme verwendet wurden, und Empfehlungen herausgegeben, wie die Systeme konfiguriert werden können. In Folge waren nur wenige wirklich einheitlich und elektroakustisch hochwertig kompatibel, sondern fast jedes einzelne System hatte seinen individuellen Sound.


    Verbesserungen erfolgten auf unterschiedlichen Wegen. Während z.B. Harman in allen erforderlichen bereichen Unternehmen aufkaufte um die gesamte Signalverarbeitungskette mit Produkten aus einem Konzern anbieten zu können, hat Meyer seine Systeme mit integrierten Endstufen und eigenem externen SystemController ausgestattet, und d&b eigene Endstufen mit auswechselbaren eigenen Controller Modulen herausgebracht. Das diente der Qualität und Sicherheit mit zusätzlicher Flexibilität bei geringerem Gewicht und Volumen. Wohlgemerkt sollte die Elektronik überall auf der Welt dieselbe Funktion erfüllen, und das unter verschiedenen Netzbedingungen wie 110V 60Hz, 220V 50 Hz, und sonst noch was.


    Währenddessen wurden die "freien" Controller digital, mit noch mehr Funktionen und Speicherplatz für verschiedene Setups ausgestattet, Class-D Endstufen und Schaltnetzteile mit Automatic Power Factor Correction wurden entwickelt. Das waren die neuen Lösungsansätze gegen die bisherigen Problematiken.


    Next Step waren Selfpowered Fullrange PA Lautsprecher diverser Hersteller, sowie "freie" Amps inklusive DSP. Währenddessen haben verschiedene freie Hersteller von Holz bzw. Elektronik in Kooperationen die Controller-Setups für ihre zusammengestellten Systeme entwickelt. Oder ebebn OEM Lösungen wie LAB für L-Acoustics und Martin Audio, oder Yamaha mit Nexo, wie Crown mit BSS und JBL .... Alle mit dem selben Ziel, aber unterschiedlichen Voraussetzungen und verschiedenen Strategien. So begegnen wir heute in der Praxis eben auch verschiedenen System-Philosophien:


    System mit Amp-Rack und Controller (mit oder ohne Sense Drive), eine oder mehre Marken.
    System mit ControllerAmp (eine Marke (inkl. OEM), oder mehrere Marken)
    selfpowered mit externem SystemController
    selfpowered inklusive netzwerkfähigem DSP in jeder Box



    Aus meiner Sicht machen Nicht-System-Amps nur dann Sinn, wenn ein Anbieter keine Syste-Amps hat, oder nicht zeitgerecht liefern kann, oder erforderliche Leistung nicht bringt, oder oder ... z.B. für eine FestInstallation. Besonders dann, wenn eine Ausschreibung auf ein ganz bestimmtes Produkt abzielt, und ein BeschallungsSystem nicht notwendigerweise auf Endstufen derselben Marke angewiesen ist.

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    there's nothing important like headroom - exempt from more headroom
    Sound is no matter of taste - but an issue of education and recognition