Sehr schöne Beschreibung der Problematik. Ein paar weitere Anmerkungen/ Aspekte:
Auditorien sind häufig so aufgebaut, dass sie sich von der Bühne weg nach hinten mehr oder weniger halbkreisförmig aufweiten. Mit dem idealisierten Monodelay kommt man dort aus offensichtlichen Gründen oft nicht weit; das funktioniert zufriedenstellend so nur in der Sondersituation ‚ekliger langer Schlauch‘. Stattdessen betrachtet man die Bühne (bzw. das dort installierte Hauptbeschallungssystem) wohl oder übel als einen Punkt und stellt oder hängt die Delays je nach horizontalem Abstrahlungsvermögen und gewünschter Schallintensität in entsprechender Entfernung zueinander bzw. von diesem Punkt im Halbkreis auf. Schon aus diesem Grund ist die von bwaack erläuterte Problematik des L/R – Stereosystems oft ein echtes Ärgernis; in sehr vielen Situationen wäre die Monoampel über der Bühne akustisch die entschieden bessere Lösung.
Überhaupt noch nicht berücksichtigt wurde die Tatsache, dass sich die in gerts/ bwaacks Zeichnungen erläuterte Vektorproblematik nicht nur auf die Horizontale beschränkt. Selbst wenn wir nur vom simplen Idealfall EIN Hauptsystem/ EIN Delaylautsprecher ausgehen: die Dinger hängen in der Praxis 10m über uns. Gehen wir genau von vorn darauf zu ändert sich zwar unsere Entfernung zu beiden – leider aber nicht in gleichem Maße, weshalb mit jedem Schritt eine andere Delayzeit die ‚richtige‘ wäre.
Nebenbei sind aus diesem Grund auch sämtliche Angaben zum korrekten Timealignment zwischen Tops und Subs eines Systems Makulatur (und so manche Diskussion darüber Mumpitz), sofern sich diese in einiger räumlicher Entfernung zueinander befinden – sprich, Tops an der Truss/ Bässe vor oder unter der Bühne. Wem soll ich’s zurechtalignen, bitteschön? Dem Fan, der vor der Bühne steht? Dem Musikerpolizisten neben mir am FOH? Dem Zuhörer auf dem teuren Vorzugsplatz auf der Empore dahinter (für den ich u.U. sogar die Tops statt der Bässe verzögern müsste)?
Fazit: es gibt in der Praxis der dezentralen Beschallung keine korrekten Delayzeiten; also kann ich mir auch den Versuch ersparen, sie messtechnisch ermitteln zu wollen. Für die grobe Entfernung zwischen den Systemen reicht schätzen oder abgehen, der Rest ist stets ein Abwägen zwischen größeren und kleineren Übeln. Und das geht nur mit guten Ohren, gutem Schuhwerk, viel Sorgfalt und ganz, ganz viel Erfahrung.
Die Praxis sieht leider heute all zu oft ein wenig anders aus.
Bandtoni kommt in die Halle. LA links, LA rechts, vor der Bühne eine Reihe Subs. Schickes Digitalpult, ein Tonchef, zwei Azubis, drei Laptops. Haben wir alles gestern schon aufgebaut und die ganze Nacht eingemessen; passt perfekt. Okay, prima, spiel‘ mal Bassdrum.
Ka.....bumm
??
Ka.....bumm
??? Oha, Moment, da stimmt was nicht. Wie hast Du die Bässe verzögert? Ja nun, genau wie die Systemsoftware mir das angezeigt hat. Gut, schalt mal auf Bypass, und dann bitte noch mal.
Bumm!
Wunderbar, schon viel besser. Lass das mal so, den Rest (also die paar Millisekunden, die tatsächlich hörbar sinnvoll sind) mach ich dann gleich beim Soundcheck.
Leider bei Weitem kein Einzelerlebnis aus der jüngeren Vergangenheit.
Mit freundlichem Gruß
BillBo