IEM und Gesangsqualität

  • Nachdem ich persönlich gestern einen guten Tag am Pult hatte mit meinen 10 IEM Strecken ist leider nicht alles Gold was glänzt - der Kollege im Ü-Wagen hatte schwer mit ca 80% der Sänger*innen gekämpft. Die haben nämlich alle nicht gesungen (nach Vorne, laut, kontrolliert projeziert) und die Dynamik war unstet.


    Wo die ganze IEM Geschichte und Heimstudio Situation nicht ganz unschuldig ist, denn die jungen Musiker*innen müssen nicht mehr laut und kontrolliert singen können. Ich hatte Gain Unterschiede von über 10dB zwischen der handvoll guten Sänger und dem Rest.


    Wie handhabt Ihr das?

    * Kompressornutzung bei IEM?

    * extra leiser machen und dann kommunizieren dass sie einfach lauter singen sollen?

    * Nicht unser Problem, die Kids sollen alle mal 5 Jahre in kleinen Clubs gegen laute Drumkits und schlechte Wedges kämpfen?

  • Gutes Thema, weil es inzwischen durchaus zum Problem wird.

    Erste Regel für mich: das eigene Signal wird nicht komprimiert. Was schwieriger ist, als gedacht. Denn Summenkompression wirkt ja auch auf das "me"-Signal. Und wenn man IEM-Sendestrecken "heiß" fährt, muß man das fast zwangsläufig tun.
    Zweite Regel: andere Signale sehr gerne komprimieren. Was nach Nodal Processing schreit.

  • * Nicht unser Problem, die Kids sollen alle mal 5 Jahre in kleinen Clubs gegen laute Drumkits und schlechte Wedges kämpfen?


    Corona ist vorbei, so jedenfalls kommunizieren ich das meinen Studenten ... Zeit aus dem Wohnzimmer auf die Bühne zurückzukehren. Ich gebe 100% ... du gibst 100% ... sonst ist es nur lauwarmer Mist der aus den Boxen kommt ... kann jeder Musiker lernen ... und dann gibt es auch keine Probleme mehr.

  • Was verstehst Du unter Nodal Processing?

    Ein Begriff von DiGiCo. Man kann bei den Quantum-Konsolen Processing pro Abgriff machen, also je nach Ziel-Aux unterschiedlichen EQ und Dynamics anwenden. Nicht direkt unbegrenzt, das würde dann doch den Rahmen sprengen, aber es ist trotzdem ein mächtiges Tool am Monitorplatz.

  • Ah ja, darüber hatte ich gelesen und dachte mir dass das super nützlich für alle Monitor Anwendungen ist, bzw etwas was ich sicher hier und da vermisse.

    Schließt das übrigens auch Recall Safe Optionen mit ein? Z.B. „bestimmte Instrumente nie recallen für eine Auswahl Aux-Sends”

  • CIch gebe 100% ... du gibst 100% ... sonst ist es nur lauwarmer Mist der aus den Boxen kommt ... kann jeder Musiker lernen ... und dann gibt es auch keine Probleme mehr.

    nur leider geben Drummer + Gitarre gerne mal jeweils 150%, Keyboard kann sich in seinen Sounds nicht zwischen 10% und 200% entscheiden und nachdem nun 3/4 der Band schon 350% liefern bleiben für alle Sänger (und meistens die im Background) halt nur noch max. 50% übrig. Und um die muss man oft schon betteln.

  • Wie handhabt Ihr das?

    * Kompressornutzung bei IEM?

    * extra leiser machen und dann kommunizieren dass sie einfach lauter singen sollen?

    * Nicht unser Problem, die Kids sollen alle mal 5 Jahre in kleinen Clubs gegen laute Drumkits und schlechte Wedges kämpfen?

    Ich erinnere mich an eine Show da hat die Band IE selber mitgebracht und IE Monitor eigenständig gemischt. Ich habe nur gesplittete Signale übernommen und FOH gemischt.

    Da hat der Sänger extreme Dynamik Sprünge verursacht.

    Ich bin fast gestorben weil es total unkontrolliert war.

    Meistens hört man ja wo die musikalische Reise hingeht und erwartet dann das es gleich lauter oder leiser wird beim Gesang.

    Bei dem war das teilweise entgegen gesetzt. Nach den ersten Liedern habe ich dann den Kompressor so hart eingestellt wie eben noch erträglich und habe aber trotzdem den Finger nicht von diesem Fader nehmen können.

    Der Grund Pegel änderte sich auch ständig. Nach kurzer Zeit bemerkte ich dann das er ständig an seinem IE Beltpack fummelte.

    Da war ich echt sauer und bin nach der Show hin und habe ihn darauf angesprochen. Er verwies mich dann an den Gitarristen der den Monitor für ihn macht. Der sagte mir dann das der Sänger so dynamisch singt das er einen Kompressor in dem Kanal benutzt.

    Threshold -35dB, Ratio 1:6

    Für den Sänger war es egal wo er das Mikrofon hinhält. Die Lautstärke änderte sich für seinen Gesang nicht nennenswert.


    Fazit: das war ein Lehrstück für mich warum im Monitor keine Kompression auf den eigenen Signal benutzt werden sollte.

    Das war echt gruselig.


    Bei Bands die ich gut kenne kommuniziere ich wenn ich Probleme sehe.

    Bei anderen Bands (Tagesgeschäft) ist es abhängig von meinem Gefühl ob es Erfolg verspricht. Manche sind ja Beratungsresistent und das wird mit dem Alter auch nicht besser.

    Bei jungen unerfahren Musikern spreche ich Probleme fast immer an. Wie sollen die das sonst auch lernen wenn keiner was sagt.

    Meist sind die Dankbar für Verbesserungsvorschläge (um es nicht Kritik zu nennen).

    Manchmal perlt das aber auch so ab.


    Ich hatte mal einen Sänger da habe ich nur sein IE vom FOH betreut und habe je nach Tagesform über seinen Aux Send die Lautstärke seiner Stimme regeln dürfen. Also wenn ich merkte das da zu wenig Druck kommt habe ich ihn im IE etwas leiser gemacht. Das war aber natürlich vorher abgesprochen und der hatte halt auch verstanden das der FOH Mix die Schnittstelle zum Publikum ist.

    Festgemacht habe ich das an der Kompression (natürlich nur für FOH Mix). Wenn der Kompressor nicht arbeitete war zu wenig Pegel > IE leiser

    Wenn der Kompressor zu stark arbeitete zu viel Pegel > IE lauter

    Aber das habe ich seit dem leider auch nicht wieder erlebt.

  • Gutes Thema, weil es inzwischen durchaus zum Problem wird.

    Erste Regel für mich: das eigene Signal wird nicht komprimiert. Was schwieriger ist, als gedacht. Denn Summenkompression wirkt ja auch auf das "me"-Signal. Und wenn man IEM-Sendestrecken "heiß" fährt, muß man das fast zwangsläufig tun.
    Zweite Regel: andere Signale sehr gerne komprimieren. Was nach Nodal Processing schreit.

    Wie setzt du das denn in der Praxis dann um? Legst du alle Kanäle * Monitorwege auf? Gar keine Kompression auf Gesängen? Irgendwie muss das ja auch noch händelbar sein

  • Wie setzt du das denn in der Praxis dann um? Legst du alle Kanäle * Monitorwege auf? Gar keine Kompression auf Gesängen? Irgendwie muss das ja auch noch händelbar sein

    Wie geschrieben, mit Nodal Processing kein Problem.

    Ohne sieht es so aus:

    Die wichtigen "me"-Kanäle doppelt aufgelegt, ein Mal für "me", ein Mal für die Anderen. Das ist ggf. ein bißchen Aufwand, der sich aber lohnt. Es muß auch nicht immer bei allen Kanälen sein. Es gibt auch Pulte, bei denen man den Aux-Abgriff pro Kanal und Aux pre/post dynamics schalten kann.

  • Threshold -35dB, Ratio 1:6

    Für den Sänger war es egal wo er das Mikrofon hinhält. Die Lautstärke änderte sich für seinen Gesang nicht nennenswert.


    Fazit: das war ein Lehrstück für mich warum im Monitor keine Kompression auf den eigenen Signal benutzt werden sollte …

    Aus dem Grund wäre Kompression auf dem inear Weg grundsätzlich und nicht nur wegen der extremen Einstellung Teil des Problems aber nicht die Lösung.

  • ich bin grundsätzlich gegen kompression auf dem monitor, auch bei inear.

    wie soll der musiker denn seine dynamik kontrollieren, wenn er die gar nicht mitbekommt?


    und was extrem dynamische sänger oder sängerinnen angeht: es gibt da leider welche, die haben für dynamik überhaupt kein gefühl.

    eine kleine anekdote dazu:

    vor wenigen jahren hatte ich mal eine halbplayback sängerin vor der nase, die von ganz laut bis ganz leise alle nuancen drauf hatte - leider aber innerhalb von millisekunden dazwischen wechselte, auch wenn es dem song gar nicht diente. da hab ich dann auch einen limiter auf den kanal gesetzt, anders ging das nicht. übrigens: sie sang mit normalen wedges auf der bühne, nicht mir inears.

    das beste war dann aber die aussage des mitgreisten betreuers der dame, der mir die playbacks gegeben hat und die ganze zeit wie ein schiesshund neben mir am FOH stand. als ich sagte: "wow, also ihre extreme dynamik muss ich jetzt leider einigermaßen heftig mit nem kompressor ausbremsen"... daraufhin der typ:

    " ja, sie hat schon eine tolle stimme! im studio mussten sie sogar mehrere kompressoren hintereinander schalten, um ihre stimme in den griff zu bekommen!"

    der war total überzeugt, dass dies ein besonderes qualitätsmerkmal ihrer stimme wäre ^^:D

    ich hab dann nix mehr gesagt und den ratioregler einfach auf 1:unendlich gedreht.

    immerhin war sie sehr hübsch, sowas kann bei der karriere bekanntlich mehr helfen als talent...

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Hi,


    man merkt ja recht schnell, wenn Musiker unsicher sind und schlecht abliefern.

    Ohne große Ansagen bekommt jeder erstmal nur sein Signal drauf, zu ca 80%.

    Wenn andere Signale gewünscht sind, dann sind die erstmal min 20db leiser.

    Das zweite für mich ist immer, in den Mix zu hören (egal, ob Wedge oder IEM).

    Ich versetze mich dann in den jeweiligen Musiker rein und höre, was ich bräuchte

    (ggf. mach ich andere Signal dann auch leiser).

    Ich glaube, wenn man sich erst um die Mucker kümmert, kann man danach besser mischen. Oder als Placebo mit iPad auf die Bühne stellen neben die Musiker.

    Beides hilft meistens echt viel!


    Kompressor kommt bei mir im IEM eher als Begrenzer bei ganz heißem Ausgang rein, auch dann nur 2:1 oder 3:1 mit hohem Threshold.

    Ohne eigene Dynamik werden die nur noch schlimmer ;)


    Ich kenne auch den Limited in diesen Personal Mixern von Behringer, aber so ein Limited kann schnell alles zu machen. Da muss zuerst der Mix stimmen.

    Wenn alles laut ist, macht das keinen Spaß mehr mit nem Limiter...



    VG Stefan

    Ey Digger, ich bin Plugger, nich Rigger!

  • . als ich sagte: "wow, also ihre extreme dynamik muss ich jetzt leider einigermaßen heftig mit nem kompressor ausbremsen"... daraufhin der typ

    " ja, sie hat schon eine tolle stimme! im studio mussten sie sogar mehrere kompressoren hintereinander schalten, um ihre stimme in den griff zu bekommen!"

    der war total überzeugt, dass dies ein besonderes qualitätsmerkmal ihrer stimme wäre ^^:D

    ich hab dann nix mehr gesagt und den ratioregler einfach auf 1:unendlich gedreht.

    immerhin war sie sehr hübsch, sowas kann bei der karriere bekanntlich mehr helfen als talent...

    ...ich bin auch ein Freund von mehrfach-Kompression - nur so bekomme ich sämtliche Mikros im Theater durchweg auf ein gleich verstärktes, die Stimme unterstützendes Niveau, um trotz alle dem eine gewisse Dynamic zwischen leisem, lautem un normalem Reden, sowie Schreien auf der Bühne nicht zu verlieren...

    ...weiterhin setze ich bei mir auf die Ortung der Orginal-Stimme im verhältnis zur verstärkten Stimme (aber jetzt wird's eher OffTopic)...

    "geht nicht" ? - gibt's nicht !

    ...ja, das war schon immer mein Avatar :evil:

    "Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens" (Friedrich Schiller, "Jungfrau von Orleans" )

  • OT secluded: Setzt du einen immersive Prozessor ein?

    nein, "nur" Dolby 5.1 auf nem popeligen 01v96i (mit leichten Modifikationen und Wandlern) :S

    ...trotzdem gab's dieses Jahr schon ein Lob von einem doch hoch erstaunten TL eines recht großem Hauses im Südwestdeutschen Raum an den Sound auf meiner Großen Bühne. :)

    Die trotz der unterstützenden Verstärkung der Sprache immer noch vorhandene akustische Ortbarkeit des Schauspielers auf der Bühne hat die betreffende Person ein klein wenig Baff gemacht, laut seiner eigenen, mir persönlich mitgeteilten Aussage 8)

    "geht nicht" ? - gibt's nicht !

    ...ja, das war schon immer mein Avatar :evil:

    "Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens" (Friedrich Schiller, "Jungfrau von Orleans" )

  • Die trotz der unterstützenden Verstärkung der Sprache immer noch vorhandene akustische Ortbarkeit des Schauspielers auf der Bühne hat die betreffende Person ein klein wenig Baff gemacht ...

    wenn man das thema sprachverständlichkeit gut im griff hat, kann man solche verfeinerungen natürlich wagen.


    ich musste mal einen kollegen in einer längeren diskussion überzeugen, dass ich nie anders herum an die sache rangehe. bei mir gibt es immer zuerst die sprachverständlichkeit an möglichst allen plätzen. erst danach denke ich drüber nach, wie ich eine ortbarkeit hinbekommen könnte. er hat das tatsächlich anders herum gemacht: zuerst stand für ihn der präzedenz-effekt, erst danach hat er über sprachverständlichkeit nachgedacht.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Kenne ich den “Experten”? :)


    Zum Thema 'Kompression für Gesang auf iem' fällt mir ein, welche Mühe ich aktuell habe, einen Sänger, der nach 3 Jahren “Corona inear Proben” mit Kompressor satt gewohnt ist, sich mit nem Meter Mikrofonabstand immer noch zu hören, wieder umzuerziehen… :rolleyes: :rolleyes: