Hörgeräte und Hörschwäche

  • Liebe Kollegen und Kolleginnen!


    Es ist ein heikles Thema...aber ich würd gerne über Hörgeräte und Hörschwäche diskutieren.

    Ein leider gerade und uns Tönern wohl eher stigmatisiertes Thema...


    Kurz zu mir:

    (Ich arbeite praktisch ausschließlich als Live Techniker und da hauptsächlich im Corporate Bereich)


    Ich geh davon aus, dass ich nicht der einzige bin, der durch eine Jugend mit zu wenig Gehörschutz in Konzerten verbracht hat oder auf die eine oder andere Art sein Gehör beschädigt hat (bringt ja auch der Job ein bissl mit...hab früher mehr Musik gemischt als heute).


    Ich hab mittlerweile auf jeden Fall einen recht deutlichen Einbruch zwischen 3 und 8khz und merke seit einiger Zeit dass ich in lauten Umgebungen oft Schwierigkeiten habe, Gesprächen zu folgen und es würde wahrscheinlich mittelfristig Sinn machen, für das tägliche Leben eine (offene) Hörhilfe anpassen zu lassen, die die Schwächen ausbügelt.



    Jetzt hab ich zum einen Angst dass mir dann mit einem Hörgerät meine Referenz kaputt geht. Ich weiß ja grundsätzlich wie Sprache und Musik für mich klingt und versuche auch im Mischen dies als Referenz zu nutzen.

    Und ich bekomme auch immer dass Feedback, dass meine Mischungen sehr ausgewogen klingen und mit super Sprachverständlichkeit.


    Ich kann überhaupt nicht einschätzen inwieweit sich ein Hörgerät da auswirkt.

    Bei Sprach Beschallung kann ich mir noch vorstellen dass es funktioniert und ich das auch mit Hörgerät mischen kann.


    Bei Musik aber stell ich mir das schwierig vor. Gehe davon aus dass ich das ohne Hörgerät machen müsst, dann aber halt nicht mehr das Hören ohne Hilfe gewöhnt bin und dementsprechend nicht mehr einschätzen kann, wie es klingen soll und tut.


    Dazu kommt natürlich noch das Stigma als Tontechniker mit Gehörschutz. Was sagen die Kollegen? Werd ich dann noch gebucht? Vertraut man mir weiterhin gute Arbeit abzuliefern?


    Wär schön wenn sich der eine oder die andere mit Erfahrung zu dem Thema melden würde.


    Liebe Grüße und Danke schon mal!

    Philipp

  • Ich glaube dieses Thema ist ein Stich ins Wespennest.

    Das Problem wird über kurz oder lang nahezu jeden treffen der Konzerte mischt. Noch dazu erstrecht diejenigen die auf jegliche Pegelmessung verzichten und immer vollgas fahren.

    Der vorgänger von mir (festes Haus) musste tatsächlich den Job aufgeben weil es zu dem Zeitpunkt (ist 7 Jahre her) noch keinen guten Ersatz für das eigene Gehör gab. Laut einem Akustiker ist es inzwischen soweit das die eigenen schwächen ausgebügelt werden können ohne in andere bereiche einzugreifen :)

  • Meine Spezialistin für meine angepassten Gehörschutze ist ja auch Spezialistin für Hörgerate für Musiker und hat gemeint dass sie vor kurzem einen Tonmeister im Klassikbereich geholfen hat, der extrem zufrieden war (allerdings nicht so starke Schwäche wir bei mir und im Studio ist die Situation kontrollierter).

  • Ich denke es geht, man muss die Referenz halt anpassen, d.h. auf einer Referenzanlage das Gehör (bzw. die Auswertung) mit einem bekannten Lied neu justieren.
    Die Problematik sehe ich eher im Bereich Dynamik. Aber es gibt inzwischen da einiges an smartphonekontrollierbarer Hightec (und oft auch die Möglichkeit des 'Probetragens'.

    SIM II Operator and Dante Level I-II-III (alles sogar zweimal :)
    Jugendschwimmabzeichen, Rettungsschwimmabzeichen in Bronze
    Meine kommerziellen Softwareprodukte SATlive und LevelCheck

  • Danke für deinen Input. Das mit der Dynamik kann ich mir auch vorstellen. Feinjustierung wäre bei meiner Spezialistin einiges dabei im Packet.


    Wär spannend, ob sich hier noch jemand findet, der aus der Praxis berichten kann.


    Bzw. wie ist eure Meinung: würdet ihr jemanden buchen, der eine Hörhilfe hat?

  • das ist jetzt sehr interessant.

    gerade letzte woche war ich mal beim ohrenarzt und habe meine ohren vermessen lassen. das habe ich auf anraten eines guten freundes machen lassen, der selber musiker und hörgeräteakustiker ist... und was soll ich sagen: ich habe jetzt tatsächlich eine ärztliche empfehlung für hörgeräte ;)

    ja, der rock´n´roll und das alter gehen definitiv nicht spurlos an uns vorbei!


    erfahrungswerte zum thema "mischen mit hörgeräten" kann ich jetzt natürlich noch nicht beisteuern, denn ich habe ja noch keine. aber ich werde das jetzt demnächst mal angehen und bin schon sehr gespannt, wie ich zurechtkomme :)

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • mein audiogram war noch ohne sichtbare einbrüche vor 3 jahren. bei mir ist es so, das ich, wenn es mal richtig laut wird, ohren schmerzen bekomme.

    ich würde nie jemanden verurteilen, wenn er gehörschutz verwedet. den trage ich ja auch :)

    vom tonkutscher würde ich aber den teuren erwarten der angepasst ist. hörgerät wäre für mich auch kein problem, wenn das ergebnis stimmt.

  • Ohne eigene praktische Erfahrung, rein theorethische Überlegungen:


    Das Gehöhr ist je nach Lautstärke für verschiedene Tonhöhen unterschiedlich empfindlich. Untersucht von Harvey Fletcher und Wilden A. Munson, dargestellt in Kurven gleicher Lautstärkepegel. Zwischen Hörschwelle und Schmerzgrenze ergibt sich dementsprechend die Hörfläche.


    Das Blöde ist, daß die Grenzen der Hörfläche unveränderlich sind. Wird also ein verbogener Frequenzgang des Gehöhrs mehr oder weniger lautstärkerichtig durch ein Hörgerät nach oben korrigiert, wird in diesem Frequenzbereich die Schmerzgrenze früher erreicht.

    Das ist in lauter Umgebung, z.B. einer Veranstaltung mit PA, eher ein Problem, als in normalen Alltagssituationen.


    Zusätzlich gibt es den Party-Effekt, eine Beeinträchtigung des selektiven Hörens, der mit Hörgeräten auftreten kann. Das Richtungshören besteht neben Pegelunterschieden mindestens gleichwertig auch aus Laufzeitdifferenzen des Schalls von ca. 0,3ms zwischen den Ohren. Je kürzer die Wellen (höher die Frequenz) desto deutlicher die Laufzeitdifferenz.


    Interressant wären praktische Erfahrungen wie sich diese Effekte auswirken.

  • Wenn es Dir zusätzliche Lebensqualität bringt dann besorgt Dir so ein Teil!!!

    Wärst schon blöd wenn Du aus Angst vor eventuellen unpässlichen Kommentare irgendwelcher Kollegen darauf verzichtest. In dem Fall kannst Du ja das Hörgerät demonstrativ ausschalten...

    Bei mir in der Familie sind aus der Generation 70+ zwei Personen altersbedingt schwerhörig - eine isoliert sich zunehmend, die andere ist wieder voll im gesellschaftlichen Leben integriert.

    Keiner hinterfragt bei einem (Licht) Designer ob er ob er eine Farbsehschwäche hat, oder ob ein Architekt 3D sieht.


    Spannend ist tatsächlich die Frage was ein Hörgerät bei größeren Pegeln macht (und ob man es dazu überhaupt benötigt oder besser einen angepassten Gehörschutz mit passendem Filter) - ich würde mich dazu eingehend vom Hörgerateakustiker beraten lassen, das sind wirklich Wunderdinger und von Uropas Hörrohr Lichtjahre an Entwicklung entfernt.


    Das Gehirn ist außerdem unglaublich lernfähig wenn es darum geht sich an geänderte Rahmenbedingungen anzupassen! Lies mal das hier, dagegen ist eine geänderte hörkurve ein Klacks...

    Umkehrbrille – Wikipedia
    de.m.wikipedia.org

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    Nächste Messe: PLASA Leeds am 14. und 15. Mai, Stand R-C10

  • Bzw. wie ist eure Meinung: würdet ihr jemanden buchen, der eine Hörhilfe hat?

    Das ganze Publikum braucht eine Hörhilfe, deshalb karren wir LKW voller Lautsprecher hin... :) und ein Tonler ohne Kopfhörer? Oder InEar? Haben wir alle.


    Im Ernst: Warum nicht? Mag ja mal komisch aussehen oder Sprüche hervorrufen, aber am Ende zählt das Ergebnis. Und das man kein Arsch ist und mit dem Team umkann. Beim Mischer weiß man wohl direkt wo es her kommt ("früher zu laut").


    Werden betagte Stars, Politiker, etc. mit Hörhilfe nicht mehr gebucht oder eingeladen? Es gibt aich genügend Musiker die mit Hörhilfe spielen.


    Wichtig ist, dass der Tonler seinen Job machen kann. Vielleicht sinkt nur die Toleranzgrenze für Patzer - das schiebt man dann aufs Gehör und nicht auf Ablenkung oder so... Und es gibt ja auch noch Unterschiede in den Anforderungen zwischen Tagung und Livemusik.

  • Danke für deinen Input.


    Das mit der Hörschwelle und Schmerzgrenze ist ein guter Input. Werde das bei meiner Spezialistin nachfragen.

    Ansatzweise hat sie das schon erwähnt.

    Es ist ja auch so, dass ich im Bereich meiner Einschränkung ab einer gewissen (lauten) Lautstärke empfindlicher bin (der Effekt den man bei alten Leuten kennt mit "ich kann dich nicht hören" und " schrei nicht so").

    Das dürfte aber mit Kompression im Hörgerät zu einem gewissen Teil eingearbeitet sein und außerdem soll sich das auch ein bissl verbessern, weil die Hörnerven im beschädigten Beteich durch besseres Hören dank Hörgerät besser stimuliert werden und sich erwas verbessern.


    Zum Thema Partyeffekt gibt es bei aktuellen Hörgeraten schon KI gestützte Systeme, die verschiedenen Gesprächspartnern folgen können. Mehreren gleichzeitig.


    Kosten halt auch richtig viel. Über 9000.-

    Wobei in Österreich zum Glück die Kasse 3800.- übernimmt.

  • Vllt. wäre ein guter (bzw. für dich funktionierender) Analyzer für die Übergangszeit sinnvoll. Dann aber jetzt schon mal damit anfangen (Zielkurven erarbeiten, Lautstärken & Dynamik definieren), sonst ist das nur ein weiterer Unsicherheitsfaktor...

    Freelancer für Audio Beschallung/Recording seit 2003 - Alle Beiträge spiegeln meine persönliche Meinung/Erfahrung als von Herstellern & Vertrieben unabhängiger Tonmensch wieder

  • Wenn das Gehör schon so kaputt ist, wäre meine erste Empfehlung den Job zu wechseln. Lieber heute als morgen. In 5 Jahren hast du keine Zeit mehr dir in Ruhe was neues zu suchen. Jetzt aber schon noch!

    Den Rest an hörfähigkeit würde ich dann auch noch mit 70 genießen mit einem schönen Hörbuch

  • ich würde nie jemanden verurteilen, wenn er gehörschutz verwedet. den trage ich ja auch :)

    das habe ich auch immer gemacht, sobald ich nicht mehr am mischpult stand. schon in den späten 90ern habe ich mir Elacin gehörschutz machen lassen. das nachfolgemodell habe ich immer noch im einsatz.






    vom tonkutscher würde ich aber den teuren erwarten der angepasst ist. hörgerät wäre für mich auch kein problem, wenn das ergebnis stimmt.

    ich habe damals auch probiert, mit Elacin zu mischen... das hat für mich leider überhaupt nicht funktioniert, denn ich habe damit den bezug zur wahren lautstärke für das publikum komplett verloren. ausserdem war es klanglich etwas ganz anderes, denn auch wenn die Elacin als gehörschutz sehr gut sind: sie verändern den klang.


    ob ich dann mit hörgeräten besser arbeiten kann, muss ich noch abwarten. denn wenn die lautstärke durch die lautsprecher erhöht ist, höre ich ja auch wieder ganz gut. sobald der schallpegel 70-80dB übersteigt habe ich ja keine hörprobleme mehr. dann höre ich auch den blöden tinnitus nicht mehr ;)

    mein problem sind die leisen geräusche, nicht die lauten.


    aber im prinzip sehe ich das ebenso: wenn das ergebnis stimmt, dann ist es egal wie das ziel erreicht wurde.


    Spannend ist tatsächlich die Frage was ein Hörgerät bei größeren Pegeln macht (und ob man es dazu überhaupt benötigt oder besser einen angepassten Gehörschutz mit passendem Filter) - ich würde mich dazu eingehend vom Hörgerateakustiker beraten lassen, das sind wirklich Wunderdinger und von Uropas Hörrohr Lichtjahre an Entwicklung entfernt.

    ich bin, wie erwähnt, schon sehr gespannt auf diese teile.

    mein hörgeräteakustiker hat angekündigt, mir verschiedene typen zum ausprobieren zu geben. ich kann mich dann entscheiden, welchen typ ich nehme.


    eine wichtige info hat er mir auch schon gegeben: ich soll auf diese ganz miniaturisierten teile verzichten, also die, die ganz im ohr verschwinden. denn die sind sehr teuer für das was sie können, ausserdem braucht man dafür batterieen. und seiner persönlichen erfahrung nach ist das ein wiederkehrender grund zum ärgern. er empfiehlt auf jeden fall eine akku-lösung. denn die lädt man einfach über nacht auf und hat dann am kommenden tag durchgehend funktionierende systeme. da sollte man auf jeden fall drüber nachdenken.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Wenn das Gehör schon so kaputt ist, wäre meine erste Empfehlung den Job zu wechseln. Lieber heute als morgen. In 5 Jahren hast du keine Zeit mehr dir in Ruhe was neues zu suchen. Jetzt aber schon noch!

    Den Rest an hörfähigkeit würde ich dann auch noch mit 70 genießen mit einem schönen Hörbuch

    für mich ist es zu spät, einen neuen job zu suchen. ich mache das auf jeden fall noch bis zur rente - die bereits in erkennbarer entfernung ist.
    mein vater war mit 80 übrigens komplett taub - und der hat nie in seinem leben leute musik gehört. insofern ist es die frage, ob meine einbußen wirklich von zu lauter musik kommen, oder einfach nur altersbedingt in der familie sind.
    ich gehöre ja eher zu der fraktion, die eine angenehme lautstärke für das publikum vorziehen - und nicht grundsätzlich alles aus den lautsprechern rauskitzeln, was sie hergeben. letzteres habe ich schon immer abgelehnt. und im übrigen mische ich heute sowieso deutlich weniger rockbands als früher, ich mache mittlerweile mehr sprachbeschallungen. das hilft den ohren ja auch :)

    dazu kommt dann noch meine jahrzehntelange erfahrung, die mir niemand nehmen kann (außer der alzheimer vielleicht...) insofern mache ich mir da jetzt keine allzu großen sorgen, dass ich den job nicht mehr sinnvoll ausüben könnte. und wenn es mit guten hörgeräten zu einer verbesserung führen kann, dann erst recht nicht.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Musik mischen ist so nebenbei ja auch mehr als das erkennen von Frequenzen über 10kHz… - wie war das noch mal mit dem HiCut beim grossen OpenAir? billbo (wo steckt der eigentlich?)

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  • Einer meiner Kollege trägt ein Hörgerät um seine Lärmbedingte (Bassist in einer Metalkapelle) Schwerhörigkeit auszugleichen. Ich schätze sehr wie er das Thema offen anspricht. Je nach Situation mischt er mit oder ohne, Industrie eher mit.


    Es ist ein bißchen ein Tabuthema, aber warum auf Lebensqualität verzichten nur weil man über Hörbeeinträchtigung unter Tonlern nichts wissen will? Für meinen Kollegen war es definitiv eine Erleichterung als die Hörgeräte kamen.


    Wenn das Gehör schon so kaputt ist, wäre meine erste Empfehlung den Job zu wechseln. Lieber heute als morgen. In 5 Jahren hast du keine Zeit mehr dir in Ruhe was neues zu suchen. Jetzt aber schon noch!

    Den Rest an hörfähigkeit würde ich dann auch noch mit 70 genießen mit einem schönen Hörbuch

    Warum? Meine erste Reaktion war, dass das ja genau die Kommentare sind, die es Leuten so schwer macht das anzusprechen.


    Altersbedingte Höreinbußen sind ebenso normal wie altersbedingte Sehschwäche, und man kann das heute gut und gezielt ausgleichen. Warum deswegen den Job aufgeben? Auch Lärmbedingter Hörverlust läßt sich gut „behandeln“.


    Wir reden ja nicht über 20 jährige, das ist ein ü40/50 Problem.

    Und wenn es wirklich nicht mehr geht; unser Job besteht ja aus viel mehr als nur mischen, und man kann auch weiter, zB. Richtung TM / PM (TL / Produktions Management, Eventmanagement, Meister irgendwas) etc.


    Ich hätte da aber noch die Frage wie man das als Monitörler mit IEM hält - EQ auf den Solobus?


    Da fällt mir ein, wir hatten letztes Jahr einen Trupp älterer Herren zu Gast, die hatten alle IEM Hörer die speziell für Musiker*innen mit Hörverlust entwickelt wurden. Die haben eine Blase die auf die Knochen überträgt - kann mich leider nicht erinnern wie das Produkt hieß.

  • Ich bin ja inzwischen auch schon in einem Alter, in dem man die besten Zeiten seines Hörtalents längst hinter sich gelassen hat. Das bei 11kHz das Ende der Wahrnehmung erreicht ist, dürfte klar sein. Die verminderte Dynamik der Ohren ist den meisten Menschen dagegen weniger bewußt bzw. erklärbar. Beispiel: mit 20 konnte ich bei Soundchecks von Livebands am Mixer stehend hören, ob am Keyboard ein zu betätigender GND Lift das störende surren beheben könnte. Heute muss ich schon mal was näher vor die Box treten, um überhaupt zu hören ob alles ruhig ist. Das alles führt 40 Jahre später im Umkehrschluss zu folgender Praxis:

    Alltag: hören geht gut, piept zwar durchgehend in beiden Ohren wenn ich drauf achte, aber nicht zu ändern.

    Livesound, Band: geht gut, Sound ist eigentlich immer recht brauchbar bis gut. Unfallfreies Fahren sagen ich immer dazu. Soll heißen, keine spektakulären Effekthaschereien, wenig bis keine Rückkopplungen - halt all das was man nach 40 Jahren so kann. Mir fällt aber auf, dass ich viel bei 300 - 500Hz im Master dünnner mache, und nach wie vor ungern den Mix bei 2 - 4kHz "laut" habe. Mein Verhältnis zu Höhenreglern 10k ist inzwischen neutral - die interessieren mich nur noch zum entschärfen, also eher weniger machen. Grundsätzliches Problem bei Livemix mit alten Ohren: ich neige dazu manchmal insgesamt zu viel Wucht im Mix zu haben, nicht unbedingt zu laut, eher zu dynamisch.

    Sprachveranstaltungen: das mache ich extrem oft, sehr viel Kabarett und Comedy in allen möglichen Größenordnungen. Und da kommt mein verschlissenes Hörvermögen zu gewissen Vorteilen. Was ich am Ende des Saals hören kann, sollten mindestens 90% der anwesenden Gäste auch hören können. Ich achte immer unmittelbar nach Beginn einer Show ob die hinteren Reihen über den/die Gaukler lachen können. Das ist das Zeichen das es laut genug ist, und die Sprachverständlichkeit nicht nur für mich ok ist. Ein junger Mensch mit tiptop Hörvermögen fährt die Sache womöglich um einiges leiser, hat sich viel Mühe gegeben bei 8 oder 10k noch ein paar Filterchen zu setzen - aber einige Leute kommen in der Pause und beklagen sich über die nuschelige Verständlichkeit. Zu viele Mitten (weil der junge Mensch ja "oben rum" noch super hören kann), und oftmals zu nah am Feedback, weil der die Höhen drin lässt. Ich bin inzwischen (und da schließt sich der Kreis) ein Freund des Highcut und Mittenabsenkung geworden. Grade bei Sprache mit Kugelheadsets oder Lavalieren, hilft das enorm die Sache stabil laut zu bekommen.


    Im Fazit komme ich dem Alter entsprechend immer noch gut mit den Ohren zurecht. Weiß aber sehr gut, dass es mal "deutlich" besser war. Das ist übrigens auch normal, denn genau wie mit den Augen lassen die Ohren im höheren Alter auch nach. Bei den Augen merkt es jedoch tatsächlich jeder, weil man nicht mehr gut lesen, oder in die Ferne gucken kann. Bei den Ohren nicht, weil das Gehirn scheinbar einiges kompensiert.

    Letztens hatte ich während einer Veranstaltung ein interessantes Gespräch mit dem inzwischen 72jährigen Soundmann einer extrem bekannten Kölschrock Band, der auf raten eines Ohrenarztes diverse Hörgeräte ausprobiert hatte. Sein Fazit: stört mich bei Fahrrad fahren, der Wind zischt so. Und der Ohrenarzt sagte außerdem zu ihm: wenn er laut genug mixt, könne er genau so hören wie besser hörende Besucher auch. Da ist was dran, immerhin macht er immer noch den Job. Auch der frühere Soundmann von "Bap" erklärte mir letztens noch, trotz seiner mittlerweile Ü70 immer noch gut die Anforderungen der Pavel Popolski Veranstaltungen durchführen zu können.