Dynamischer EQ vs. Multiband Kompressor

  • Liebe Gemeinde,


    dass das Thema ein alter Hut ist und es dazu tonnenweise Material im Internetz gibt ist mir vollkommen bewusst. Trotzdem konnte ich bisher keine richtig zufriedenstellenden Antworten auf meine Fragen bekommen und würde mich vor allen Dingen auch über ein paar Praxiserfahrungen freuen. Hintergrund ist, dass ich mich gerade für eine meiner Bands in den Dyn8 auf der dLive einarbeite. Dieser Prozessor hat ja 4 Bänder Multibandkompression sowie 4 Bänder dynamischen EQ. Nun stellen sich bei mir zwei Fragen:


    1) in meiner Welt ist ein EQ nichts anderes als eine Funktion, welche die Lautstärke eines definierten Frequenzbereichs regelt. Das selbe gilt für einen Multibandkompressor. Beide Prozessoren regeln die Lautstärke des entsprechenden Frequenzbereichs nun nicht statisch wie ein klassischer EQ sondern reagieren auf die Über- bzw. Unterschreitung eines Schwellwerts. Nun hat man in der Praxis für beide Prozessoren etwas verschiedene Einstellmöglichkeiten (Attack/Releasezeiten, Filtergüte, etc...) aber nach meinem Verständnis unterscheiden sich beide in dem was sie tun nicht wirklich voneinander. Ist das korrekt oder versteh ich hier etwas nicht richtig? Also was sind audiotechnisch gesehen die Unterschiede zwischen den Beiden?


    2) erzählt mal aus eurer Praxis! Warum und in welchen Szenarien benutzt ihr das ein oder andere lieber?


    Für meine Ohren haben beide Prozessoren den selben Effekt und es fühlt sich für mich in der Praxis danach an als läge die Antwort auf die Frage welchen Prozessor ich nun grad lieber benutze nur im jeweiligen Featureset der Maschine bzw. in dessen Bedienungskomfort....?!?



    Vielen Dank für Eure Anregungen und Erfahrungen!

  • Für mein emfinden haste Du beim Dynamische EQ die Chance gezielt bestimmte Frequenzen beim überschreiten abzusenken, Q-Faktor ist dein Freund. Wähend beim MultibandComp. ein relativ breiter Frequenzbereich (band) komplett geregelt werden. also irgend eine Frequenz im band schlägt an, zieht der Comp das komplette band runter, also auch Frequenzen die nicht den Peak hatten.

  • Für mein emfinden haste Du beim Dynamische EQ die Chance gezielt bestimmte Frequenzen beim überschreiten abzusenken, Q-Faktor ist dein Freund. Wähend beim MultibandComp. ein relativ breiter Frequenzbereich (band) komplett geregelt werden. also irgend eine Frequenz im band schlägt an, zieht der Comp das komplette band runter, also auch Frequenzen die nicht den Peak hatten.

    das sehe ich beim dynamischen EQ ebenfalls als Vorteil an. Beim Multibandkompressor hingegen gibt es in der Regel die Attack/Release Parameter und die Ratio, welche das dynamische Regelverhalten genauer steuern lassen. Es erschließt sich mir jedoch weiterhin nicht, warum es dafür zwei verschiedene Prozessoren braucht. Hat das nur historische Gründe? Es wäre doch absolut offensichtlich einen Dynamikprozessor mit allen Regelungsmöglichkeiten zu designen (schmaler sowie breiter Q möglich, Kompressions- und Expansionsmöglichkeit mit regelbarer Ratio und Attack/Release/Hold Funktion sowie einzelne Sidechain Möglichkeiten für alle Bänder...)


    Was mir noch auffällt: Der Multibandkompressor teilt ja immer das komplette Frequenzband in mehrere Bänder mit nicht einstellbarer Flankensteilheit des Crossovers auf. Beim dynamischen EQ sind die Bänder einfach frei wählbar und können sich auch relativ frei überlappen. Liegt hier ein technisch begründeter Unterschied der sich in der Praxis irgendwie relevant niederschlägt?

  • Der Multiband teilt das Signal immer in Frequenzbereiche auf. Das ergibt schon leichte Klangveränderungen. Manchmal hörbar.
    Der dynamische EQ tut dies nicht, nur wenn er arbeitet, wird etwas beeinflusst.


    Den dynamischen EQ benutze ich oft, um störende Dinge zu bearbeiten. Geht auch gut als De-Esser.

    Beim Multiband geht es eher um dynamikabhängiges Shaping und Frequenzabhängiges verdichten.

  • Multi Band nutze ich gerne um die tonale Balance etwas zu glätten.

    Bei Gesangs Vocals z.B. ca. 300Hz Low/Mid und ca 1,6kHz Mid/High

    Das Mid und High Band greift dann nur in lauten Passagen.

    Mit dem Low Band kann man dann die Nahbesprechung etwas dämpfen.

    Dazu gerne noch ein dynamischen EQ bei ca. 3kHz der nur greift wenn es lauter wird bzw. Sänger*in im Grenzbereich singen und es nervig wird in dem Bereich.

    Ich komprimiere aber eh sehr vorsichtig meist nicht mehr wie 3dB Gain Reduction.

    Bei Konserven Musik wie Playbacks oder DJ erleichtert der Multiband Compressor das Leben ungemein abhängig von der Qualität mit zusätzlichen dynamischen EQs.


    Man sollte aber nicht vergessen das man Diese ganzen Dynamics im Blick haben muss. Sprich wenn das Programm sehr dynamisch ist muss man Zeit dafür haben. Daher ist im Zweifel weniger meist mehr. Den Finger auf dem Fader kann man durch keinen Compressor ersetzen.

  • Genau das mache ich mit einem Dynamischen EQ. :)


    Letztlich sehe ich auch so wie einige hier schon geschrieben haben: Multibandkompressor teilt das gesamte Frequenzspektrum in 2-x Bänder ein, die ich unterschiedlich komprimieren kann. Für tonale Balance sicherlich ganz nett. In der DAW hängt ein C6 eigentlich immer im Master. Live habe ich das weniger gemacht bislang. Vielleicht aber auch, weil auch ansonsten sehr selten den Master komprimiere.


    Den Dynamic EQ sehe ich da eher als "Skalpell" (auch wenn man damit natürlich breitbandig arbeiten kann): Ich gehe wirklich nur an die Frequenzbereiche ran, die ich dynamisch bearbeiten will.


    Ich nutze Dynamic EQ gerne für die üblichen Sidechain Geschichten (Bassdrum/Bass -Vocals/Instrumente). Ansonsten eigentlich immer in den Gesangskanälen (200-300 / 1,5-3k / seltener 800-1k oder als De-Esser Ersatz). Wobei ich grade 200-300 nur einen Teil der Arbeit dynamisch machen lasse und einen Teil mit dem Kanal-EQ ziehe, weil mir sonst Ansagen untenrum zu dick werden.


    my 2 Cents

  • Der Multiband teilt das Signal immer in Frequenzbereiche auf. Das ergibt schon leichte Klangveränderungen. Manchmal hörbar.

    Interessant wird dieser Aspekt wenn das Signal wiederum mit dem unbearbeiteten gemischt wird bzw. bei Multimikrofonierung (z.B. am Drumset).


    Ein Hoch-/Tiefpassfilter macht ja pro Ordnung 45°-Phasenverschiebung an der Übergangsfrequenz. Bei Filtern 2. Ordnung (12dB/Okt) also 90°, das ganze mal 2 (wg. TP + HP) = 180°. Daher muss zusätzlich abwechselnd die Polarität umgekehrt werden. Kennt man ja vom Frequenzweichendesign bei Lautsprechern.


    Ob und wie das auffällig werden könnte darf wie immer jeder individuell entscheiden.


    Grundsätzlich fühle ich mich mit Dynamischen EQs wohler, wenn sie die ganzen Filtermöglichkieten bieten die die Digitaltechnik so auffahren kann (z.B. FabFilter Q3). Mit den üblichen Pultmöglichkeiten wird es dann, wenn ich eher eine "gemütliche" Spektrumsangleichung brauche, meist der Multibandkompressor und der DynEQ gegen spezifische Störkomponenten oder um mal die Dynamik in einem Frequenzbereich zu erhöhen.

    ...zunehmend Gefallen an Ignorieren-Funktionen findend.

  • pfeiffe, da ich vermutlich nicht ganz unschuldig daran bin, dass du in deiner dLive mal den DYN8 ausprobieren willst, möchte ich ein paar zeilen dazu schreiben.


    zunächst einmal haben die kollegen hier ja schon viele richtige tipps zu den beiden dynamik-abteilungen des Dyn8 abgeliefert. in der tat sehe ich es auch so: den dyn-EQ nutze ich eher für spezifische problemfrequenzen (z.b. als deesser) und den multiband-eq für breitbandigere bearbeitungen.


    beiden bearbeitungsblöcken gemein ist, dass man für jedes band auswählen kann, ob es auf das "self" signal anspricht, oder auf ein externes signal (per sidechain).


    der Dyn8 ist jedenfalls durchaus ein mächtiges werkzeug und ich habe beileibe noch nicht alle funktionen davon benutzt :)


    als abschießenden tipp möchte ich aber unbedingt noch los werden:

    weniger ist oft mehr!

    ich verwende die bänder wirklich nur, wenn das jeweilige signal das unbedingt benötigt.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang



  • als abschießenden tipp möchte ich aber unbedingt noch los werden:

    weniger ist oft mehr!

    -->

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    Ich hab mal probehalber im LV1 in jedem Kanal den F6 geladen und ausschließlich damit gearbeitet. Das ist wie Automix...bis auf hier und da ein Solo boosten und die Effekte ein/ausschalten brauchte ich gar nichts mehr machen.

    Also irgendwie "weniger durch mehr" ;)


    LG
    WW

  • nun ja, es kommt ja immer drauf an, wie man die prioritäten setzt.

    wenn man möglichst oft im catering sitzen oder sich nebenher mit leuten unterhalten möchte, dann ist das plattkomprimieren aller signale sicher eine gute lösung frech*

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Das Du als Waves Händler das anpreist ist verständlich 8o


    Die Frage die ich mir stelle ist: Wie klingt das?

    Dynamik ist ja auch Teil einer guten handgemachten Musik.


    Ich habe leider zu oft erlebt das Techniker sich in ihren Plugins verrannt haben. Und das ganze dann sehr nach technischem Wunderwerk klang. Wenn das gewollt ist ist das ja auch ok.

  • Ich habe leider zu oft erlebt das Techniker sich in ihren Plugins verrannt haben.

    dito.

    "überprozessing" ist auch sicher nicht immer absicht, kommt aber durchaus vor.

    deshalb bitte ich darum, meine anmerkung "weniger ist oft mehr" entsprechend wohlwollend einzuordnen. :)

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Es geht nicht darum alles platt zu komprimieren, sondern nur da EQ Absenkungen vornehmen (zu lassen), wo es halt Sinn macht.


    Zum Beispiel:

    Palm Mutes EGTR...kloppt das Ding halt 100-250 Hz wat weg, bei offenen Akkorden oder Soli passiert dann in dem Band nichts. Kennt man doch vom Andy:


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    Genauso Nahbesprechungseffekt bei Vocals, oder halt das typische Geplärre zwischen 2-4 kHz. Wenn man es richtig macht, dann klingt der Mix imho sogar offener und natürlicher als mit fixen Einstellungen, gerade weil ein dynamischer EQ (muss ja nicht unbedingt von Waves sein) tonale Änderungen der Quelle "mitgehen" kann. Standard EQ kann das nicht und je komplexer die Quelle/Signal, desto mehr Kompromisse muss man mit einem fixem EQ Setting eingehen.


    LG
    WW

  • diese vorgehensweisen hatten einige kollegen hier ja schon beschrieben. dynamische filter sind bei problematischen signalen durchaus ein gutes hilfsmittel, um problemstellen zu entschärfen.


    doch auch ich habe schon oft beobachtet, dass damit viel zu viel gemacht wird. und dann klingt es manchmal gar nicht mehr wirklich schöner als das komplett unbearbeitete signal, nur "anders" ;)

    gerade junge kollegen versuchen manchmal, möglichst viele optionen in den digitalpulten zu nutzen. das ist aber eher selten der richtige weg.

    das ist jedenfalls meine meinung dazu.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Was einige gerne vergessen ist das man die Dynamics im Blick haben muss. Das kostet Zeit die man Live leider nicht immer hat. Wenn man sie hört ist es meist zu spät.

    Deswegen bin ich für „weniger ist mehr“.

    Konzentration auf das wesentliche.


    Das soll jetzt nicht heißen das man keine Dynamics nutzen soll.

    Man sollte sich nur bewusst sein das jeder zusätzliche Compressor beobachtet werden will. Deswegen zählt das Argument mit dem Catering für mich auch nicht. Je mehr Dynamics ich benutze desto weniger traue ich mich vom Pult weg.

  • Ich hab mal probehalber im LV1 in jedem Kanal den F6 geladen und ausschließlich damit gearbeitet. Das ist wie Automix...bis auf hier und da ein Solo boosten und die Effekte ein/ausschalten brauchte ich gar nichts mehr machen.

    Also irgendwie "weniger durch mehr" ;)


    LG
    WW

    Habe mal bei dem Mitschnitt eines Schulkonzertes (= VIIEEL „Dynamik“ 😁) in jeden Kanal LoCut + TEOTE + APU (LUFS/RMS-Kompressor) geladen -> Mix fertig für alle Songs 🤣 (Selbst der Nachhall des Raumes über die Mikros hat gut gepasst)

    ...zunehmend Gefallen an Ignorieren-Funktionen findend.

  • Habe mal bei dem Mitschnitt eines Schulkonzertes (= VIIEEL „Dynamik“ 😁) in jeden Kanal LoCut + TEOTE + APU (LUFS/RMS-Kompressor) geladen -> Mix fertig für alle Songs 🤣 (Selbst der Nachhall des Raumes über die Mikros hat gut gepasst)

    Jau,

    da braucht man sich nix vormachen, wohin sich unser Jopp unter den KI-Vorzeichen entwickelt.


    LG
    WW

  • Jein. Sagen wir, das Ergebnis war relativ zur Performance gut, gemessen am Aufwand fantastisch, absolut gesehen: Demomix.


    Auch hat das ja nix mit KI zu tun, eigentlich sind das gewöhnliche Regelprozessoren, nur „etwas anders“. Und im Livemix hätte ich so nur Rückkoppelungen gehabt.


    Aber ich weiss was du meinst…

    ...zunehmend Gefallen an Ignorieren-Funktionen findend.

  • Ich bin aktuell auch eher bei "Viel hilft viel". Allerdings habe ich aktuell auch nur Bands, die "hochproduzierte" Songs covern. Würde ich bei einer Jazz-Combo, Blues-Band oder Cream-Cover-Truppe auch net machen.


    Wobei ich es aus meiner Sicht an keiner Stelle übertreibe. Ein Kompression im Kanal und ein wenig in der Gruppe. Dazu ein wenig EQ dynamisch und ein wenig statisch. Sidechain Kompression und auch Parallel Kompression.


    Ich sehe auch den Punkt, dass man sein Setup immer verstanden haben, im Blick haben und im Bedarfsfall an der richtigen Stelle eingreifen können sollte. Da ich aber aktuell nur feste Bands habe und ich mir dort die Presets gut durchdenken und testen konnte, passt das für mich. Wenn ich eine Band erstmalig/einmalig machen würde, wäre meine Herangehensweise ganz anders. Da würde ich es auch "plain & simple" halten.