Habe neulich nach einem Seminar zum Thema Line-Arrays von einem Teilnehmer per Mail ein paar Fragen bekommen, die ich hier gerne beantworten möchte - dann haben noch mehr was davon.
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Hallo Volker,
Vielen Dank für das Seminar vorigen Donnerstag.
Bei mir sind noch ein paar Fragen offen geblieben, die ich Dich bitte zu beantworten.
Bitte zwischen die Absätze schreiben. Danke.
1. Warum müssen für die großen Entfernungen die Höhen angehoben werden, wenn die Höhen im Fernfeld sowieso zu viel da sind?
Eigentlich reichen ja die tieferen Frequenzen nicht so weit.
Es ist richtig, dass sich das Nahfeld (mit -3 dB pro Entfernungsverdoppelung) bei einem geraden (!) Linienstrahler mit zunehmender Frequenz immer weiter ausgedehnt.
Der Frequenzgang wird bei einem Linienstrahler ohne Curving also mit zunehmender Entfernung immer höhenlastiger, da tiefe Frequenzen ja ab einer bestimmten Entfernung schon mit -6 dB „in den Keller gehen“, während der Hochtonbereich noch mit -3 dB abfällt.
Die Höhen müssen eigentlich nur angehoben werden, wenn sich die Luftabsorption bemerkbar macht. (Unterhalb von etwa 8 kHz wird das erst bei Entfernungen von über 30 – 40 m signifikant.)
Oder meinst du jetzt die Anhebung der Höhen mit dem „Line-Array-EQ“? Hier ist ja der Ansatz, dass dem einzelnen Line-Array-Element an sich ein gerader Frequenzverlauf „aufgezwungen“ wird. Durch die Array-Bildung mehrerer Elemente gibt es eine Kopplung im Tieftonbereich, wodurch dann ein tiefenlastiger Frequenzgang entstehen würde. Mit einem Highshelf mit 6 dB/Oct. bei etwa 1 kHz und einem Highshelf mit 12 dB/Oct. bei etwa 7 kHz wird dieses wieder ausgeglichen.
(Dieser Effekt ist übrigens herstellerübergreifend zu beobachten, und das Signalprocessing jedes Line-Arrays ist in aller Regel mit diesen beiden Highshelfs in den Griff zu bekommen!)
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2. Was gibt es für Erfahrungswerte, wie weit reichen Tiefen (Mitten) bei 2, 4, 6, 8, 10 Systemen? Kann man sagen, mit 4 Systemen komme ich 30 m bei 10 Systemen 100 m?
Das kann man sich eigentlich ganz einfach ausrechnen:
r = (h² * f) / 2c
h: Länge des (geraden!) Linienstrahlers in m
f: Frequenz in Hz
c: Schallgeschwindigkeit (344 m/s)
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3. Da waren mal einige Messdaten an der Wand, die Ihr mit dem Anselm Goertz über die Entfernung gemacht habt. War das auch über die Anzahl der Systeme gemessen? Kann ich die Daten bekommen?
Weiß jetzt nicht genau, was du meinen könntest – die hier?
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4. Die Aussage: Höhen sind zu viel, daraus folgt Curven, widerspricht sich mit der Aussage, bei Entfernungen müssen die Höhen angehoben werden. Warum ?
siehe Antwort 1
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5. Warum wurden die VRX nicht ohne Bässe vorgeführt? Es wäre sehr interessant gewesen die Theorie vorgeführt zu bekommen, wie weit gehen sie als 1 System, dann zwei, dann 4 Systeme.
- Dadurch wäre auch die 6 dB Tiefenanhebeung durch Verdopplung der Systemanzahl vorführbar gewesen.
- die Bündelung der Höhen bei mehreren Systemen
- man hätte auch hören müssen, dass ein System nicht nur 15 Grad hat,
es müsste theoretisch etwas mehr haben da die Bündelung noch nicht stattgefunden hat.
Berichtige mich bitte wenn ich falsch liege.
Wir haben die VRXe doch auch ohne Subs gehört! Der entsprechende Hinweis ist offenbar nicht bei allen angekommen.
- Den Effekt der Koppelung im Tieftonbereich zu zeigen, ist eine gute Idee (fürs nächste Mal)!
- Die Höhen bündeln beim VRX bei mehreren Elementen eigentlich nicht. Im Gegenteil – durch das vorgegebene Curving weitet sich der vertikale Winkel um je 15° pro weiteres Element auf.
- Der vertikale Abstrahlwinkel wird bis 1,2 kHz vom Hochtonhorn definiert, erst darunter nähert man sich durch Zeilenbildung der 12“ dem jeweiligen nominellen Abstrahlwinkel.
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6. Der Einsatz der 4 x 18“ war für das Verständnis der Line Array Funktion nicht hilfreich. Sie waren für meine Begriffe zu laut, man konnte sich nicht richtig auf die VRX konzentrieren. Die Bässe übertönten die VRX.
Wie gesagt, wir hatten die VRXe auch ohne Subs gespielt.
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7. Für mich wäre auch interessant gewesen, die Verschiebung des Übergangs vom Nah- zum Fernfeld vorgeführt zu bekommen, mit der Erhöhung der Stückzahl. Den Abfall von 3dB auf 6db pro Entfernungsverdopplung. Die theoretische Erläuterung war einleuchtend, ich hätte es gern messtechnisch Live vorgeführt gehabt. Vielleicht mit einem einfachen Schallpegelmesser.
Mit dem VRX geht das nicht, da wir hier ein festes Curving vorgegeben haben und die Elemente nicht gerade untereinander hängen können.
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8. Die horizontale Ausbreitung wurde fast gar nicht erwähnt. Dass die Zylinderwelle eine gleichmäßigere horizontale Ausbreitung hat, als die Kugelwelle aus einem normalen Horn, wurde nicht erwähnt. Die in vielen Boxen eingebauten Hörner z.B. mit 90 Grad, haben zwar den 90 Grad Winkel mechanisch, die Abstrahlung ist dann aber schon unter die –6dB abgesunken. Bilde mir ein, die Verteilung auf den 90 bis 120 Grad Winkel bei der Zylinderwelle erfolgt auch mit weniger Abfall von der Mittellinie. Das Prinzip der ersten Wellenfront auf allen Hörpositionen wird bei der Zylinderwelle besser bedient. Bedeutet leiser, weniger Energie im Raum, dadurch weniger Reflexionen und mehr Auflösung.
Nein, die horizontale Abstrahlung ist prinzipiell bei einem Line-Array nicht besser oder schlechter als bei einem konventionellen Hornlautsprecher.
Mithin ist die horizontale Abstrahlung von Line-Arrays auch als eher trivial zu betrachten und scheint daher manchmal etwas zu kurz zu kommen. Wichtig ist mir indes zu betonen, dass die horizontale Abstrahlung eines Line-Arrays durch den nominellen horizontalen Abstrahlwinkel des einzelnen Line-Array-Elementes definiert wird. Wenn das einzelne Element also mit 100° angegeben ist, hat auch das ganze Array 100°, egal wie viele Elemente untereinander hängen.
Von der Definition des horizontalen Abstrahlwinkels hat ein Line-Array demnach keine besseren Eigenschaften als ein konventionelles Cluster. Man könnte sogar behaupten, ein konventionelles Cluster mit drei 30°-Hornlautspechern ist einem Line-Array überlegen da bei +/- 45° der Pegel rascher abfällt – beim Line-Array mit 90° läuft der Pegel zu den Seiten verhältnismäßig flach aus. (Dessen ungeachtet hat man natürlich mit Interferenzen zwischen den Lautsprechern im konventionellen Cluster zu kämpfen!)
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9. Die Aussage über die verhältnismäßig kleineren Seitenwände zur Decke und zu den Rückwänden fand ich argumentativ sehr gut (Verkaufsfördernd). Wenn ich aber durch curving nicht die Rückwand und nicht die Decke beschalle, können von dort keine Reflexionen kommen. Dann bleiben die Reflexionen von den Wänden. Sind diese nun gut ( hast Du so gesagt ), oder sind die nicht gut?
Noch mal kurz für alle mein „Marketingargument“ pro breite horizontale Abstrahlung: Wir stellen uns vor, wir sitzen im Lautsprecher und schauen in den Raum hinein. Was wir nun sehen ist im Wesentlichen die Decke, der Fußboden und die Rückwand. Verhältnismäßig wenig Flächenanteil in unserem Gesichtsfeld wird von den Seitenwänden eingenommen (Bei eng stehendem Publikum fällt der Fußboden sowie ein Teil der Rückwand und der Seitenwände weg, was aber die Verhältnisse nur marginal verändert.) Es ist also von viel größerer Bedeutung eine gute Directivity in der Vertikalen denn in der Horizontalen zu haben.
Hinzu kommt nun der Effekt, dass die Schallanteile, die durch Reflexion an den Seitenwänden zum Zuhörer gelangen, zeitlich meist noch recht nah am Direktschall liegen. Der Akustiker spricht hier von so genannten „nützlichen Reflexionen“ (ca. 10 – 30 ms bzw. 3 – 10 m Weglängenunterschied). Diese erhöhen den Lautheitseindruck und die Verständlichkeit.
Erst spätere Reflexionen machen sich als störend bemerkbar. Letztere sind aufgrund der längeren Laufzeit aber in erster Linie von der Rückwand zu erwarten.
Daher ist eine breite horizontale Abstrahlung als guter Kompromiss zu sehen. In schmalen Venues wirkt sie sich also gar nicht so negativ aus, wie man gemeinhin glaubt.
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Nun noch etwas Allgemeines wobei ich Dich um Deine Meinung bitte.
Warum spricht kein Mensch über das hervorragende Auflösungsvermögen des menschlichen Gehörs vom leisesten zum lautesten Geräusch?
Wenn aber eine bestimmt Lautstärke (welche?) überschritten wird, kann das Gehör nichts mehr auflösen, weil es zu macht oder verdeckt. Da muß es ja auch eine Grenze geben, über der dann nur noch Brei aufgelöst wird. Hierzu habe ich ein Hörerlebnis:
Lenny Kravitz Dresden Eisstadion open Air mit Vertec.
Die Lautstärke am Mixerplatz war so monumental und basslastig, dass ich keinen Titel erkennen konnte. Es war so ein Braten, Brei, dass ich aus Unwohlsein ans Ende des Eisstadions gegangen bin. Ich nehme an, Fernfeld. Dort konnte ich erst die Titel wieder erkennen, was er gespielt hat.
Der Bass im ersten Drittel des Eisstadiums hat einen schlechten Eindruck bei mir hinterlassen.
Gibt es Erfahrungswerte wie viel Bassmodule zu den Hauptmodulen nötig sind? Ab wie viel Systemen (es sind ja Fullrange Systeme) werden Bassmodule benötigt und wie viel im Verhältnis?
Als Daumenwert kann man für VerTec und VRX eine 18er Pappe pro Topteil ansetzen – je nach Signal kann das natürlich in die eine oder andere Richtung variieren.
Musikpsychologen behaupten ja zuweilen, dass einige Mischer versuchen durch den Effekt, dass laute Bässe den Rest des Mixes verdecken, mangelndes Talent zu vertuschen ... Scheint was dran zu sein!
Es ist schon enorm, wie sich der gemeine Geschmack - und dementsprechend auch die Erwartungshaltung - bezüglich der Akustik bei Konzertveranstaltungen in den letzten Jahren gewandelt hat.
Zum einen ist es sicherlich der Umstand, dass mit jeder halbwegs anständigen HiFi-Anlage ein guter Sound in die eigenen vier Wände zu zaubern ist. Und dann wird halt erwartet, dass der Lieblingskünstler im Konzert genau so klingt wie zu Hause.
Zum anderen ist es heute eben erst möglich, im Tieftonbereich mit akzeptablen Mitteln einen derartigen Schalldruck zu erzielen. Und wie war das noch … Warum leckt sich der Hund die Eier? - Weil er’s kann!
Geschmäcker sind bekanntlich verschieden, und über die Kriterien einer richtigen Basswiedergabe wurde hier ja schon an anderer Stelle ausgiebig diskutiert …
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1. Welcher Schalldruck pro Hörplatz wird angestrebt? Was ist das Ziel?
Natürlich abhängig von der Musikrichtung.
In Ausschreibungen für Mehrzweckhallen und Arenen wird meist ein Spitzenschalldruckpegel von 105 dB verlangt. (Leider steht das da häufig genau so drin – ohne Angabe, wie gemessen wird und mit welchem Material. In der Praxis wird meist Rosa-Rauschen A-bewertet mit langer Zeitkonstante gemessen.)
In der DIN 15905 wird ein Leq von maximal 99 dB(A) empfohlen (über 2 Stunden gemittelt). Das ist meiner Meinung nach auch für ein Rock-Konzert praxisgerecht und ausreichend.
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2. Idealfall ist natürlich überall gleicher Schalldruck. Geht sicher nicht immer.
Was rechnet man für maximale Unterschiede über die zu beschallende Fläche?
In Ausschreibungen findet man meist +/-3 dB für den Direktschall. In den meisten Fällen kann man das recht gut einhalten.
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Freu mich auf Deine Antworten. Muss nicht heute oder morgen sein. Bei Gelegenheit.
mit freundlichen Grüßen