Seit Januar 2006 liegt der Entwurf der Neufassung der DIN 15905 Teil 5 (Veranstaltungstechnik-Tontechnik-Maßnahmen zum Vermeiden einer Gehörgefährdung des Publikums durch hohe Schallemissionen elektroakustischer Beschallungstechnik). Nicht nur der Titel ist länger geworden, sondern auch die Norm selbst ist von 3 auf 14 Seiten angewachsen (und der Preis von 30,30 EUR auf 50,80 EUR). Dieser Entwurf wird der Öffentlichkeit zur Prüfung und Stellungnahme vorgelegt, die Einsprüche müssen bis zum 30. April 2006 eingehen (vielleicht machen wir 'nen Forumstag dazu...)
Die bislang geltende Fassung stammt vom Oktober 1989 (da stand noch die Mauer...), zwischenzeitlich hat sich nicht nur politisch, sondern auch technisch viel gewandelt, dementsprechend war eine Überarbeitung angebracht. Darüber hinaus waren einige Teile der alten Norm nicht so ganz praktikabel, gerade beim Einsatz in Discotheken oder anderen langen Veranstaltungen.
Punkt 1 regelt den Anwendungsbereich. Konnte man bei der Formulierung in der alten Norm noch zu der Ansicht gelangen, dass diese für den einen oder anderen Fall nicht unbedingt gelten müsste, vermeidet nun der Entwurf jeden Zweifel:
Zitat von "Entwurf DIN 15905 Teil 5"Im Sinne dieser Norm sind das für das Publikum zugängliche Bereiche z. B. in Diskotheken, Filmtheatern, Konzertsälen, Mehrzweck- und Messehallen, Räumen für Shows, Events, Kabaretts und Varietes, Studios für Hörfunk und Fernsehen, Theatern sowie in Verbindung mit Spiel- und Szenenflächen in Freilichtbühnen, Open-Air-Veranstaltungen und bei Festumzügen oder Stadtfesten.
Dass Discotheken an erster Stelle genannt werden, darf ruhig im Sinne einer Wertung gesehen werden – Discos gelten (neben tragbaren Musikabspielgeräten) nun mal als Hauptproblem beim Thema Lärmschwerhörigkeit bei Jugendlichen. Der langen Rede kurzer Sinn: Diese Norm ist und bleibt die technische Regel, nach der die Branche das Problem Lautstärke in der Griff bekommen muss.
Punkt 2 – DIN-Normen sind alle nach dem selben Strickmuster aufgebaut – sind wie immer die normativen Verweise, Punkt 3 die Begriffe. Das interessiert diejenigen, die Messgeräte herstellen.
Punkt 4 betrifft die Richtwerte und lautet
Zitat von "Entwurf DIN 15905 Teil 5"Ein Beurteilungspegel in jeder 30-minütigen Messperiode von LAr = 99 dB und der C-bewertete Spitzenschalldruckpegel von LCpeak = 135 dB dürfen an keinem, dem Publikum zugänglichen Ort, überschritten werden.
An dieser Stelle haben wir zwei wesentliche Änderungen. Einerseits bekommen wir eine neue, zusätzliche Beschränkung des Spitzenpegels von 135 dB. Oberhalb dieses Pegels ist bereits bei einem einmaligem Impuls mit einer Schädigung des Gehörs zu rechnen. Da hier für den Mischenden keine Chance einer „Korrektur“ besteht, sollte man – auch wenn die Norm anderes zulässt – auf jeden Fall mit einem Limiter sicherstellen, dass dieser Pegel nie erreicht werden kann. Die meisten Beschallungsanlagen dürften aus Gründen des Lautsprecherschutzes ohnehin mit Limiters ausgerüstet sein. Diese 135 dB sind zwar eine zusätzliche Beschränkung, die aber üblicherweise „nicht weh tut“ - zumindest nicht, wenn der andere Grenzwert eingehalten wird.
Die zweite Änderung betrifft den Mittelungspegel: In der bisherigen Fassung der Norm hatten wir eine Dosis-Beschränkung – je länger die Veranstaltung, desto geringer der zulässige Mittelungspegel. Gerade in Discotheken oder bei Festivals war das besonders unpraktikabel. Hier stellt nun die Neufassung eine Erleichterung dar: Der zulässige Mittelungspegel liegt bei 99 dB, und zwar unabhängig von der Zeitdauer der Veranstaltung. Dieser Mittelungspegel ist – um Kontrollen zu ermöglichen – für jede volle halbe Stunde (also von 18:00 bis 18:30 Uhr, von 18:30 bis 19:00 Uhr...) zu ermitteln.
Punkt 5 befasst sich dann mit der Messung und der Auswertung. Auch hier ist – wie schon in der alten Norm – wieder an einem Ersatzort für den maßgeblichen Immissionsort (der lauteste Punkt im Publikum) zu messen, auch hier werden dafür wieder Korrekturwerte benötigt. Geeichte Geräte werden – wie schon in der alten Norm – nicht (!) gefordert.
In Punkt 6 werden dann Schutzmaßnahmen und Informationsmaßnahmen behandelt. Zum einen werden hier Hinweise gegeben, wie die Beschallungsanlage eingerichtet werden soll (dezentrale Beschallung, Limiter...), vieles davon sind jedoch Soll- und keine Muss-Bestimmungen. Zum anderen werden hier Informationspflichten des Betreibers gegenüber dem Publikum eingeführt. Dies entspringt dem Gedanken, dass mit einer Beschränkung auf 99 dB der Schutz des Gehörs nicht vollständig gewährleistet werden kann und die technischen Maßnahmen somit durch die Eigenverantwortung des Publikums ergänzt werden müssen. Damit das Publikum diese Eigenverantwortung qualifiziert wahrnehmen kann, muss es vom Betreiber entsprechend informiert werden.
Hier kennt der Normentwurf zwei Pegelgrenzen: 85 dB und 95 dB. Ab einem Beurteilungspegel von 85 dB is das Publikum zu informieren, dass es lauter als eben diese 85 dB wird, und es ist – beispielsweise an der Abendkasse – Informationsmaterial über Gehörgefährdung bereitzustellen.
Ab einem Pegel von 95 dB muss das Publikum zum Tragen von Gehörschutzmitteln aufgefordert werden, diese Gehörschutzmittel sind vom Betreiber bereitzustellen. Diese Pflicht könnte ein Anreiz sein, die Schwelle „freiwillig“ von 99 dB auf 95 dB zu reduzieren. Die 4 dB Differenz sind kein so bedeutender Unterschied, in einigen Fällen lohnen sie den organisatorischen und finanziellen Aufwand nicht, Gehörschutzmittel bereitzustellen.
Des weiteren wird eine Signalisierung gefordert, ab 95 dB in Gelb, ab 99 dB in Rot, wobei diese Signalisierung an ein Kurzzeitmittel gekoppelt ist – auch wenn ein Beurteilungspegel von 99dB eingehalten wird, kann in den Spitzen immer mal wieder Rot signalisiert werden.
Es folgen einige Seiten Anhang, der informativ und nicht normativ ist. Es werden also Hilfestellungen zur Umsetzung dieser Norm gegeben, diese Hinweise sind aber nicht verbindlich.
Was wären nun die Konsequenzen für die Branche, wenn nun dieser Normentwurf so in eine Norm umgesetzt würde? Erst einmal erfolgt ein Schritt von der bisherigen Dosis-Begrenzung hin zu einer Pegelbegrenzung, was für lange Veranstaltungen eine große Erleichterung darstellt. Zweitens erfolgt eine Beschränkung des Spitzenpegels auf 135 dB. Wer seinen Beurteilungspegel auf 99 dB beschränkt, den stört diese Beschränkung nun auch nicht mehr. Drittens werden die Informationspflichten der Veranstalters ausgebaut. Das ist vor allem lästig, aber nicht wirklich störend. Und viertens muss ab 95 dB Gehörschutz ausgeteilt werden. Das kann dann auch noch ein Kostenfaktor werden.
Nach wie vor gilt die Regel, dass mit einer gleichmäßigen Beschallung (beispielsweise mit geflogenen Linearray-Systemen) ein Leq von 99 dB keine unzumutbare Beschränkung darstellte. Wenn jedoch das Publikum das Ohr direkt vor den 2" halten kann...