Latenzzeiten: wie viel ist praxistauglich im Monitorbereich?

  • Ich stelle mal die These vom Kollegen 'Jeremy' hier ein, die wahrscheinlich so wissenschaftlich nicht bewiesen ist, aber doch eine denkbare Erklärung bietet:


    Zitat von "Jeremy"

    Ich denke, dass das vor allem eine hörpsychologische Geschichte ist. Mit den Stöpseln im Ohr verfolgt einen der ja eher künstliche Raumeindruck überall hin, egal ob und wie man sich bewegt. Das Ohr geht somit davon aus, dass die Schallquelle ganz nahe ist (stimmt ja auch) und zeigt sich irritiert, dass es sich im Vergleich zum Knochenschall, der sich ja sonst gleich nahe anfühlt, um ein ganzes Stück versetzt ist (7,5 ms sind ja in etwa 2,5m Entfernung). Beim konventionellen Monitoring liefern die Augen dem Gehirn die Zusatzinfo, dass man sich jetzt von der Schallquelle weg- bzw. zu ihr hinbewegt. Das wiederum ermöglicht es dem Gehirn, in gewissem empirischem Umfang fiktive Laufzeitkorrekturen vorzunehmen. Diese Info fehlt bem IEM, sodass das Gehirn auf die "hochauflösende Ortung" schaltet, und da können ja Laufzeitunterschiede im Bereich einer Schädelbreite durchaus wahrgenommen werden.


    --
    Jeremy


    Was mir in diesem Zusammenhang auch noch eingefallen ist, das Ganze aber nicht unbedingt einfacher macht:


    Ich habe über zwei Jahre mal als Sänger ausschließlich mit einem Kopfhörermix geprobt. Damals war ich ein absoluter Fan von massiven Chorus- und Doubling-Effekten auf der Stimme und habe mir die entsprechend laut gemacht. Trotz des delays zwischen 20 und 40 ms zum Original habe ich das überhaupt nicht als störend beim Singen empfunden. Möglicherweise war der so erzeugte "Haas"- oder Präzedenzeffekt für das eigene Hören im Mix bedeutsamer im positiven Sinne als die dabei "ruinierte" räumliche Orientierung.

  • Öps, wenn wir jetz den Hr. Haas auch noch ins Spiel bringen, können wir gemeinsam eine Wissenschaftliche Abhandlung über das Thema schreiben.
    Und das meine ich jetz nicht mal als verarsche.


    Ich hab zugegeben darüber noch nicht nachgedacht, wobei da natürlich auch die Pegel ( zuerst eintreffende und die als 2. Eintreffende bis +10db mehr ) ins Spiel kommen.


    Das Ganze ist für mich aber wirklich interessant und auch würdig, sich damit zu befassen.


    Wenn man denkt, jetz kann man mit der Materie schon umgehen, dann fällt einem ein neues Thema ein und beim darüber grübeln macht man die nächste Tür auf.
    Und jetz geht das mit wissen wollen weiter.


    Wie gesagt, ich finde das nicht unwichtig, wenn man sich wirklich mit seinem Job beschäftigt und da was "Gutes" machen will.
    Man kommt einfach eine Ebene weiter

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  • Zitat

    Man hat dann in das Pult einen analogen Kanalzug für die Voc eingebaut


    da ich diese Aussage durchaus interessant finde, habe ich mal versucht, genaueres zu finden - leider gibt es wohl überall nur diesen Interviewschnipsel:


    "I’m running George’s IEM chain from his vocal in analogue, but I make up the effects returns and band mix from the D5. (...) they made my main fader analogue so I could snapshot the level of this vocal, even though it is analogue."

  • genau so.


    Der Brite ( dessen Name ich vergessen habe, aber einer von den "Hohen" von Digico), war dabei und hat mir die story erzählt.


    Und genau so.
    Eben wegen der Snapshot Sache usw

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  • Zitat von "simonstpauli"


    Welche Latenz hat denn ein In-Ear-System an sich? Gibt es dazu Messwerte?


    Gerade gemessen: 0,11 ms / 0,04 m


    Shure PSM 700, Smaart Live, Tascam US 122 Audio Interface


    Ich vermute, dass andere In Ear Systeme ähnliche Werte erzielen.


    Thomas

  • zum digico-analog-umbau:


    Ich würde das eher so verstehen, daß man einen Gruppenregler (?) um einen analogen Signalweg ergänzt hat, also XLR rein, entweder direkt oder per VCA über den - digital gesteuerten - Motorregler und wieder XLR raus???


    ich kann mir nicht vorstellen, wie man in eine so komplexe Konsole einen kompletten analogen Kanalzug integriert - allein die Abgriffe für die Mixbusse lassen dieses Unterfangen abenteuerlich erscheinen.


    außerdem ging es auch nur darum, die Pegel des analogen Direktsignals in den Szenen abzuspeichern, und diese Aufgabe läßt sich wie o.g. lösen.


    Trotzdem ist dies nur meine Interpretation der spärlichen Aussagen, an weiteren Informationen wäre ich interessiert.

  • Ich bin in Kürze auf einem Digico Workshop. Da sind auch die Herren anwesend und ich werd das genauer hinterfragen.


    Aber Du darfst eines nicht vergessen.
    Das sind die ehemaligen Midas Entwickler. Die Herren sind echte Freaks. Ich kann mir gut vorstellen, das man sich hinsetzt und da was macht, nur um zu sehen, ob es geht. :D

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  • machbar und sinnvoll ist analoges recall-fähiges signalbearbeiten allemal, also warum nicht, nur dürften diese dann teurer sein als ein digitales pendant.


    offtopic: hatte am mittwoch NOmeansno auf der bühne, die jungs können kurse über bühnenverhalten geben, an solchen tagen frage ich mich dann verstärkt, was andere künstler mit divenhaftem und unprofessionellen verhalten auf der bühne verloren haben... mit und ohne latenz...

  • Da Die A/D Wandlung ja eine Bestimmte Anzahl Samples "dauert" ließe sich die tatsächliche Zeit ja verkürzen in dem man mit 96khz abtastet.
    alledings läßt da bei einigen Pulten die "Rechenleistung" nach. so sind z.B. beim 01v96 nur noch 2 Effekte verwendbar. (braucht man noch mehr im Moni?)
    inwieweit wäre das eine Lösung für das Problem bzw wie sehr wird dadurch die Performance von DM 2k oder PM5 oder M7cl oder sonst welchen Pulten eingeschränkt?


    Fränkie

    Nicht laut, lieber schön.


    Fränkie

  • Hallo,
    ich habe den Thread gerade erst gelesen, eine Anmerkung hätte ich da noch:


    In der Thread-Mitte kam es mir so vor, dass die Meinung vorherrschen könnte, wenn man die AD-/DA-Wandlungen je nur einmal hat, also einmal von der analogen Quelle in den digitalen Eingang (von was auch immer), und einmal zurück vom digitalen Ausgang in den analogen Eingang (z.B. Controller, Weiche, Amp, ...) , dann wäre die Latenz am geringsten und unabhängig davon, ob dann noch ein Pult, ... im Signalweg liegt. Letzteres glaube ich nämlich nicht.


    Meiner Meinung nach verarbeitet jede digitale Stufe das Signal in Abhängigkeit der Abtastrate (Samplingfrequenz) und des eingestellten Buffers (abhängig von der verfügbaren, integrierten Rechenleistung) eine bestimmte Menge Samples. Je größer diese verarbeiteten Blöcke sind, um so größer ist die Latenz, unabhängig davon, ob das Signal erst noch gewandelt werden muss oder schon digital anliegt.


    Wenn ich die Threads nur falsch verstanden habe, ist ja alles i.O. Aber ansonsten gilt nach meiner Einschätzung, dass jedes digitale Gerät auch in einer rein digitalen Kette noch seine Latenz hinzufügt. (also wora's Darstellungen)


    Beüglich der Größe habe ich bei Bass, Drums, Percussions, die irgendwie in einem Umfeld von 5-6m standen, auch ohne Monitoring noch keine großartigen Probleme gehabt. Für den Drummer in der Mitte bedeutet das, dass auch beim normalen Spielen ein Delay in der Größenordnung 8-9ms auftritt, ohne dass es zu Problemen kommt. Das sind ja fast Proberaum-Maße, also auch unausweichlich notwendig. Für die beiden außen stehenden Musiker verdoppelt sich die Verzögerung auf 15-20ms, was somit ebenfalls noch tolerierbar sein muss (da das ja auch im Proberaum auftreten kann). Darüberhinaus wäre ich vorsichtig. Ich erinnere mich an E. Sengpiel, bei dem ich gelesen habe, dass unsere Ohren ab 20ms Verzögerungen nicht mehr zwingend zu Klangproblemen (z.B. wahrgenommene Interferenzen, Kammfiltereffekte) führen.


    ... oh je, jetzt habe ich soviel geschrieben. Hoffentlich ist es noch verständlich.


    Frohe Pfingsten
    Wolfgang

    Beste Grüße
    Wolfgang


    Im Verleih: K&F CA1215, K&F Line212, K&F SW115E/SW215E, Neumann KM18x.

  • natürlich hat jedes digitale Gerät noch eine Latenz.
    Diese ist in den meisten Fällen nur deutlich geringer als eine AD/DA Wandlung.


    Die Hauptprobleme entstehen meiner Einschätzung nach auch eher im InEar bzw bei der Ortung der Signale

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  • Zitat von "WolfgangK"

    ...Aber ansonsten gilt nach meiner Einschätzung, dass jedes digitale Gerät auch in einer rein digitalen Kette noch seine Latenz hinzufügt... (also wora's Darstellungen)


    Das ist so richtig. Hier machen sich hohe Sample-Raten bezahlt.


    Interessant finde ich auch die Frage nach der Latenz pro Kanal,
    Als Beispiel: verwende ich bei den Toms Gates, kommt hier die Latenz der selben zu der vom EQ und der Pult-Infrastruktur dazu. d.h. wenn das Pult nicht pauschal die Latenz auch für ausgeschaltete Dynamics korrigiert sind die Latenzen je nach Nutzung verschiedener Komponenten im Pult unterschiedlich.
    Im DME Manager kann man die Latenz in Samples pro Processing-Block sehen und bei Bedarf ausgleichen.
    Ich finde bei einem Mix solche Verschiebungen im unteren Zeitbereich sehr schwierig, das fängt ja mit der Mikrofonierung schon an...


    Weiß jemand, wie es mit diesem Thema bei gängigen Digitalpulten aussieht?

  • Ja, die Yammies rechnen zb immer "voll", auch wenn keine Gates, Compressoren Eqs etc eingeschaltet sind.
    Damit ist immer gewährleistet, das dies immer die gleiche Latenz bleibt, egal was man einschaltet.
    Ist aber bei Digico, Soundcraft und Digidesign meines Wissens nach auch so.

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  • Zitat von "simonstpauli"


    Das ist so richtig. Hier machen sich hohe Sample-Raten bezahlt...


    ... soweit ich weiß, hängt die Latenz zwar auch von der Sample-Rate ab, vor allem aber, wie groß die Puffer sind, die abgearbeitet werden.


    Beispiel: Mein Fireface 800 unterstützt von kleinen Buffern, in denen nur wenige Samples passen, bis hin zu Buffer mit mehreren hundert Samples. Stelle ich den Puffer sehr klein ein, sinkt die Latenz auf wenige ms. Dafür muss der daran angeschlossene Rechner eben alle wenige ms die Samples abholen und weiterrechnen, was Rechenleistung kostet. Stelle ich den Puffer jedoch groß ein, steigt die Latenz auf zweistellige ms. Im Gegenzug hat der Laptop dann nur noch wenig zu tun. Selbstverständlich habe ich bei diesen Versuchen immer die gleiche Samplefrequenz gelassen.


    Wenn also ein Digi-Gerät wenig Latenz haben soll, muss (nach meinem Wissen) ein kleiner Puffer und dementsprechend viel Rechenleistung eingebaut sein, damit möglichst wenige Sample möglichst schnell verarbeitet werden können.

    Beste Grüße
    Wolfgang


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