Planung und Genehmigung nach Duisburg 2010

  • Zitat von "timotimo"


    Aber genau diese Qualifikation verlangt der Gesetzgeber eben, und das aus gutem Grund. Der unterschreibende Meister ist mit in der Haftung. Und das sollte er sich gut überlegen! Im Zweifelsfall den Job ablehnen. Aber Aufgabe des Meisters ist es nicht nur immer NEIN zu sagen, sondern mit seiner Erfahrung Lösungswege aufzuzeigen.


    Worauf ich hinaus wollte ist, dass es nicht zwingend der Titel "Meister" sein muss. Meister oder Ingenieur zu sein, bedeutet nicht nur, in bestimmten Fächern (bei mir also Statik, Vermessungskunde, Baustoffkunde, Bauverfahrenstechnik, Sicherheitstechnik, Kostenrechnung, Verkehrswesen, Hydraulik, um nur einige zu nennen) irgendwelche Prüfungen bestanden zu haben, sondern eine DENKWEISE, die mit der Ausbildung einher geht.


    Zu dieser Denkweise gehört dann auch, dass man sich der Haftung, der man unterliegt, voll und ganz bewusst ist. "Haftung? Klar, mach ich!" werden die Veranstalter gedacht haben, weil nämlich die Denkweise eines Lebensmitteleinzelhändlers nicht dieselbe ist wie die eines Veranstaltungsmeisters oder Ingenieurs.


    Edit: Korrigiertes Zitat korrigiert. Dank an timotimo.

    Einmal editiert, zuletzt von Hamster ()

  • Zitat von "treibsand"

    Der haken an diesem Ansatz:
    Bei der LoPa wurde ja nicht primär an "Sicherheit" gespart, sondern es wurden vielmehr die gängigen Verordnungen auf politischen Druck hin ausgehebelt.
    Eine Versicherung wird vermutlich auch leicht unter Druck zu setzen sein, weil es dort Mitbewerber gibt, die ggf. das ganze unterbieten - der Vergleich mit dem TÜV legt dann die Problematik dieser konkurrierenden Gesellschaften (TÜV Nord/Süd etc./ Dekra & Co.) nahe.


    Doch, keine Kameras, keine Durchsagebeschallung, keine 300m breiten Layhertreppen über die Gleise, keine soliden Holzkonstruktionen wie beim Karneval um Treppen o.ä. zu verrammeln, keine qualifizierten Ordner, kein gescheites Betriebsfunknetz, keine asphaltierten Fahrwege für die Floats, usw.


    Alles Geld, das man nicht für Sicherheit ausgeben wollte. Daraufhin wurden die Verordnungen gekippt und alles passte wieder. Natürlich wäre Duisburg auch mit diesen Investitionen kein Ort gewesen, an der man so viele Menschen unterbringen kann, aber Geiz oder Geldnot taten ihr Übriges.


    Vor der Vorstellung, etliche Mio je Todesopfer berappen zu müssen, sollte jede Versicherung Angst haben. Da wird es eher schwer, überhaupt noch Versicherungen zu finden, die VAen mit mehr als einem Besucher versichern wollen.

  • Zitat von "Hamster"

    Vor der Vorstellung, etliche Mio je Todesopfer berappen zu müssen, sollte jede Versicherung Angst haben. Da wird es eher schwer, überhaupt noch Versicherungen zu finden, die VAen mit mehr als einem Besucher versichern wollen.


    Genau darum geht es mir ja. Der Veranstalter wird gezwungen, sein Sicherheitskonzept der Versicherung schmackhaft zu machen, nicht der Genehmigungsbehörde. Wenn die Versicherung bereit ist, das Risiko einzugehen, dann soll es der Behörde recht sein, wenn nicht, dann findet die VA nicht statt. Die Höhe der Prämie ist ein Gradmesser für die Qualität des Sicherheitskonzeptes.


    --
    Jeremy

    Harvard'sches Gesetz für Tierversuche: "Unter sorgfältigst kontrollierten, dokumentierten und jederzeit reproduzierbaren Laborbedingungen verhalten sich Versuchstiere immer so, wie es ihnen gerade passt."

  • Zitat von "Hamster"

    Alles Geld, das man nicht für Sicherheit ausgeben wollte. Daraufhin wurden die Verordnungen gekippt und alles passte wieder. Natürlich wäre Duisburg auch mit diesen Investitionen kein Ort gewesen, an der man so viele Menschen unterbringen kann, aber Geiz oder Geldnot taten ihr Übriges.


    Natürlich wurde auch die Sicherheit unter dem Blick der Kostenoptimierung geplant - wenn man nach Wirtschaftlichkeit gegangen wäre, wäre der Aufwand nicht vertretbar gewesen, weil die Fläche, die Infrastruktur dort und die Besucherzahl nicht vereinbar sind. Hier war das Ergebnis "die LP muss stattfinden" fix - und damit offensichtlich auch der Ort, wenn man die für eine so grosse Menge benötigte Infrastruktur im Umfeld bedenkt.


    Zitat von "Hamster"

    Vor der Vorstellung, etliche Mio je Todesopfer berappen zu müssen, sollte jede Versicherung Angst haben.


    Dafür müsste sich alledings die Rechtssprechung in D deutlich ändern! Todesfälle sind den Versicherungen lieber (weil billiger), als Langzeitschäden.
    Und da Versicherungen auch "kapitalistisch" denken, werden sie immer möglichst viel Schuld auf den Versicherungsnehmer abwälzen wollen. Eine Mitschuld dieses oder Dritter wird für eine Versicherung immer ein rund sein, sich um Zahlungen zu drücken. Das hiesse dan für Opfer, dass sie ihre Forderungen erst langwierig einklagen müssten...

    ...hauptberuflicher Sarkastiker.

  • Zitat von "Jeremy"

    Ein interessanter Ansatzpunkt, der sich mir im Zusammenhang mit jeder Art von Risikoabschätzung immer wieder aufdrängt, wäre die stärkere Einbindung der Versicherungen.


    Das scheint mir der erfolgsversprechendste Ansatz zu sein:


    - Die größte Erfahrung bei der Kalkulation von Risiken dürfte bei den Versicherern liegen.


    - Die Kosten-Nutzen-Optimierung läuft hier implizit: Versicherungen wollen ihr Risiko minimieren, aber von den Konditionen (hier nicht rein die Versicherungssumme) noch konkurrenzfähig sein.


    - Privatwirtschaftliche Vereinbarungen haben deutlich größere Gestaltungsspielräume als behördliche Auflagen.


    - Versicherungen sind nicht an das öffentliche Dienstrecht gebunden und haben somit deutlich bessere Möglichkeiten, Veranstaltungen zu betreuen.




    Wie könnte das in der Praxis aussehen:


    1.) Ein Veranstalter braucht zwingend eine Haftpflichtversicherung mit unbegrenzter Deckung.


    2.) Die Versicherung hat unbedingt zu leisten, also auch in Fällen von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit (darf dann aber die Verantwortlichen in Regress nehmen)


    3.) Die Versicherung darf dem Veranstalter Auflagen machen, diese selbst prüfen, im Notfall die Veranstaltung abbrechen. Vielleicht sollten die Verantwortlichen für Veranstaltungstechnik besser von der Versicherung beaufragt werden.

    Bitte keine fachlichen Fragen per PM - Inhaber von dBmess


  • Daß die dann zuständige Veranstalter-Haftpflicht-Versicherung in jedem Fall ohne Wenn und Aber zu zahlen hat halte ich für den zentralen Punkt. Der sorgt auf dem Markt dann für ein geringeres Risiko weil die Versicherungen sich dann ihrerseits gegen Risiken absichern bzw. diese Risiken auch kontrollieren werden.

  • Ansich mag die Idee mit der Versicherung ja gut sein, nur sind es letztendlich wieder politische Kräfte, die sowas gesetzlich festmachen müßten. Und die werden von der Wirtschaft maßgeblich beeinflußt.
    Zur LP wirds salopp gesagt z.B. ganz einfach gewesen sein; "kommen wir hier und heute nich zu Potte, trage ich meinen 'Geldkoffer' eben woandershin"


    Warum 'tanzen' die Ölkonzerne dem Staat bzw. dessen Kartellbehörde beim Thema Preisabsprachen und Willkür auf der Nase rum? Das es so ist, weiß selbst der dümmste Autofahrer.
    Oder warum gibts kein Tempolimit in Deutschland, obwohl es viele, viele Leben retten könnte?
    Oder der Staat billigt entgegen aller Wahlversprechen die Anhebung der Krankenkassenbeiträge, die Pharmabranche macht Mondpreise und lacht sich eins.
    Oder, oder, oder...


    Man könnte genauso eine Landes- bzw. Bundesbehörde fordern, welche für VA's ab einer bestimmten Größe 'gefragt' werden müßte.
    Für den Bau eines Atomkraftwerks z.B. ist schließlich auch nicht der Bürgermeister der Stadt verantwortlich, in der es gebaut wird.

    Never stop a running System

  • spannend wäre natürlich eine Reaktion eines Versicherers auf diesen Vorschlag.


    Ich meine mich noch zu erinnern dass sich bei dem Bau der Sauerstoffarena in Berlin den Sicherheitsvorschriften eine US Versicherers (des Bauherren) Anerkennung geschenkt wurde, da dieser US Arenen nach gleichen Konzept nachweisbar erfolgreich führt.Was ein gutes Argument ist.


    Ein Mitsprache(recht) des Versicherers kann also durchaus Gewicht haben.


    Hingegen weiss ich nicht mehr genau wann die So-be-VO in Berlin eingeführt wurde...


    Das zu versichernde Risiko hätte natürlich auch direkte Durchschlagskraft auf die Kalkulation von Veranstaltungen zum Zwecke der Gewinnerzielung und somit Sicherheit und wirschaftlicher Erfolg sich gegenseitig austarieren sollten.
    Denn je weniger Risiko, desto ... und das zum Wohle aller Beteiligten (Besucher, Fachkräfte, Versicherung, Veranstalter...)

  • Zitat von "swp.de"

    Es müssten nach den gesetzlichen Vorgaben 50 Ordner - einer pro 100 Besucher - auf dem Gelände sein


    woher stammt diese zahl ? gibt es eine solche gesetzliche vorgabe ?


    ich rechne die jetzt mal nicht auf (zu werbezwecken hochgejubelte)
    1,5 millionen loveparadebesucher hoch ...

    ______________________________


    meister vt
    gMA operating
    photo
    dj

  • Zitat von "ADMIN"


    3.) Die Versicherung darf dem Veranstalter Auflagen machen, diese selbst prüfen, im Notfall die Veranstaltung abbrechen. Vielleicht sollten die Verantwortlichen für Veranstaltungstechnik besser von der Versicherung beaufragt werden.


    Je mehr ich drüber nachdenke, desto eher glaube ich, dass das funktionieren könnte - allerdings haben die Versicherungen diesbezüglich einen enormen Nachholbedarf, was ihr Veranstaltungswissen angeht, denke ich. Darüber wird noch einige Zeit vergehen, bis das so etabliert ist wie beispielsweise in Sachen Auto.


    Frage ist nur noch: wer verhindert, dass Veranstalter unversichert veranstalten? Die Gefahr, dass darüber wieder Behörden Augen zu drücken, ist nicht gebannt?

  • Zitat von "Hamster"

    Frage ist nur noch: wer verhindert, dass Veranstalter unversichert veranstalten? Die Gefahr, dass darüber wieder Behörden Augen zu drücken, ist nicht gebannt?


    Das ist aber dann ein ziemlich großes Auge, das da zugedrückt werden muss. Das geht auch nicht mehr heimlich, still und leise. Insbesondere, wenn eine VA schon im Vorfeld umstritten ist, wird sich da mit Sicherheit jemand ganz laut bemerkbar machen, wenn's am Versicherungsnachweis fehlt.


    --
    Jeremy

    Harvard'sches Gesetz für Tierversuche: "Unter sorgfältigst kontrollierten, dokumentierten und jederzeit reproduzierbaren Laborbedingungen verhalten sich Versuchstiere immer so, wie es ihnen gerade passt."

  • Im Moment scheint man laut Nachrichten soweit zu sein, das übergeordnete Stellen beim Land die Sache verbieten können, wenn man der Meinung ist, das die Kommune überfordert scheint oder Konzepte unschlüssig sind.
    Ob's was bringt.....

    Never stop a running System

  • Zitat von "sven"

    spannend wäre natürlich eine Reaktion eines Versicherers auf diesen Vorschlag.


    Ich habe da gestern mal ein paar eMails verschickt und bislang (neben ein paar automatischen Eingangsbestätigungen) zwei Zusagen aus der Versicherungswirtschaft für eine Art Roundtable bekommen.


    Nachdem auf dieser Seite Interesse besteht (was mich wenig wundert - was gibt es Schöneres für die Versicherungswirtschaft als eine Pflichtversicherung...), müssen nun die anderen relevanten Kreise angesprochen werden - ich werde also demnächst noch ein paar eMail verschicken...


    Das garantiert noch lange nicht, dass dabei etwas heraus kommt, aber die Chancen dürften höher liegen, als wenn man gar nichts tut.


    Ich werde Euch auf dem Laufenden halten.

    Bitte keine fachlichen Fragen per PM - Inhaber von dBmess

  • Zitat

    Ich habe da gestern mal ein paar eMails verschickt und bislang (neben ein paar automatischen Eingangsbestätigungen) zwei Zusagen aus der Versicherungswirtschaft für eine Art Roundtable bekommen.


    Gaaanz prima das. :D
    Finde ich gut dass Du dich mal gleich dran gemacht hast. Hast Du auch die Verbände (VPLT und alle anderen) bedacht ?


    Noch ne Frage; Wie ist dass denn im EU Ausland oder über diverse Teiche geregelt ? Weiss das jemand ?

  • Hallo zusammen,


    Emails versenden und aktiv werden finde ich gut. Ich habe z.b. an Wolfgang Bosbach (CDU-Vorsitzender Innenausschuß des Bundestages), Hannelore Kraft (SPD-NRW-Ministerpräsidentin) und Dieter Wiefelspütz (SPD-stellv. Vorsitzender Innenausschuß BT) gemailt. Inhalt der Mails sinngemäß: wir brauchen nicht mehr Regeln, sondern die bestehenden müssen konsequent angewendet werden. Vor allem bei Vereinen, Kommunen und anderen nicht-professionellen Veranstaltern/Veranstaltungen gäbe es erheblichen Nachholbedarf. Ich verwies darauf, dass es Vorlagen für Großveranstaltungen bereits aus dem Kreis der Feuerwehren gibt. Zusätzlich wies ich auf meinen Verband hin (VPLT) der sicher unterstützt bei Meinungsfindung. Geantwortet hat bisher nur Herr Bosbach und das wirklich eine gute, engagierte Antwort. Also, schließt Euch an die Mails an. Mailt denen auch: wolfgang.bosbach@bundestag.de; hannelore.kraft@landtag.nrw.de; dieter.wiefelspuetz@wk.bundestag.de


    Mailt auch Euren Abgeordneten. Wenn nicht jetzt, wann dann ist die Zeit gekommen, für Besserung zu sorgen?


    ADMIN: Interessant finde ich, dass Du positive Antworten bekommen hast. ein Berliner Kollege hatte schon den Gesamtverband der Versicherungswirtschaft angeschrieben und eine abwiegelnde Antwort bekommen. Vielleicht regt sich jetzt doch was bei denen.


    Das Ausland: In UK ist es meinen Infos nach so, dass der Veranstalter persönlich in die Haftung genommen wird. Es existiert der "The Event Safety Guide" herausgegeben von der HSE, der Health and Safety Executive, der staatlichen Arbeitsschutzbehörde und diverse andere Werke zur Sicherheit von "Places of Assembly".


    Alle dort zitierten Vorgehensweisen, Vorschriften, Regeln, Verantwortlichkeiten usw. existieren in D deckungsgleich. Doch wenn in D der Kollege Techniker schon ein Problem darin sieht, sich einen Helm und Sicherheitsschuhe anzuziehen und die Erfüllungsquote beim Thema Gefährdungsbeurteilung und Arbeitssicherheitstechnische Betreuung hierzulande bei gefühlten 2% liegt... Worüber wollen wir denn hier noch weiter sprechen?


    In Frankreich ist es auch so, dass ein Veranstalter einen Kurs besuchen muss, der nicht nur einen Tag dauert.


    Edit hat den vorletzten Absatz eingefügt...

    -> Arbeitssicherheit, Koordination Arbeitssicherheit auf Großveranstaltungen

    -> Sicherheitskonzepte

    -> Schulungen

  • Da habe ich mit meinem Vorschlag ja in ein Wespennest gestochen ... aber es freut mich ungemein, dass die Idee auf halbwegs fruchtbaren Boden stößt. Für heute Nachmittag habe ich ein Telefongespräch mit meinem persönlichen Abgeordneten (den ich im übrigen sehr schätze) vereinbart. Mal sehen, was der dazu sagt.


    --
    Jeremy

    Harvard'sches Gesetz für Tierversuche: "Unter sorgfältigst kontrollierten, dokumentierten und jederzeit reproduzierbaren Laborbedingungen verhalten sich Versuchstiere immer so, wie es ihnen gerade passt."