Warum Studiomischtechniken nicht Bühnenkompatibel sind

  • So, da hatte ich doch jetzt direkt mal einen Direktvergleich aus einem "passiven" Betrachtungswinkel:


    Gestern Abend besuchte ich eine Vorstellung, die von 2 Kollegen über ein paar Wochen betreut wird. Schepperige Halle, prinzipiell klingt alles halt einigermaßen verschwommen. Stimmen teilweise über Headsets, Gesangpassagen meist über Handfunken, konventionelles Bühnenmonitoring für die Schauspieler, IE für die Musiker.
    Die Band spielt alle Instrumente außer Drums und Bläser direkt ins Pult. Drums stehen hinter Plexiglaswänden.


    Live merkte man bei den Stimmen, dass man da aufgrund der Koppelgefahr über PA nicht mehr viel komprimieren kann und das Schlagzeug macht über Umwege immer noch einen ziemlichen Radau im Saal. Wo ich aber z.B. direkt Verbesserungsbedarf sah, war die Gitarre, da hätte man in diesem Fall die Dosenemulation mit ein paar Studiotricks durchaus aufpeppen können (doppeln (links/rechts), verzögern, mit unterschiedlich eingestellten Dynamics bearbeiten,... ) Also alles so nach dem Motto "ganz ok"...


    Jedenfalls kommt heute nachmittag dann die Mail vom Monitorkollegen mit einem Musiktitel-Auszug aus seinem "Happy-InEar-Mix" :D
    Naja, der war halt Knochentrocken... schon ordentlichst vorkomprimiert (für die Wedges gab es separate Einstellungen) und ich habe dann spaßeshalber noch einmal das komplette Masteringpaket drübergejagt (inkl. Summenhall, also "Glue" ;) ) Im Falle einer Einzelspuraufnahme wäre somit fast alles machbar.


    Es ist schon witzig, wenn man das selbe Signal aus Zuhörersicht (d.h. man hat den Kopf frei und muss sich nicht mit irgend etwas rumärgern) in beiden Situationen hört und sich dann überlegt was man in welcher Situation damit machen könnte...

    Freelancer für Audio Beschallung/Recording seit 2003 - Alle Beiträge spiegeln meine persönliche Meinung/Erfahrung als von Herstellern & Vertrieben unabhängiger Tonmensch wieder

  • Naja, geht so. Die Mischen auf dem InEar für sich selber (extra Weg, nicht der für die Musiker) entspricht bei trockenen und rückkopplungssicheren Signalen ja weitestgehend einem "Live"-Recording mit Roughmix im Studio. Prinzipielle Unterschiede zwischen Kopfhörer- und Lautsprecherwiedergabe einmal außen vor.


    Der FoH wiederum regt mit seinen Lautsprechern den Raum an und muss diesen möglichst gekonnt in seine Arbeit einbinden.


    Jedenfalls war der akustische Unterschied immens und im Direktvergleich wird einem richtig bewusst was halt geht und was nicht. Gerade wenn man das Thema aktuell dank des Threads so im Kopf verankert hat.

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  • Hallo,


    ich komme eher aus der klassischen Ecke, also Chöre, Orchester, Ensembles, Solisten (Klavier+Gesang, Orgel, ...) und startete mit einem Studio. Inzwischen bin ich auch live unterwegs, weil man mich nach Aufnahmen mehrfach fragte, wieso es denn nicht möglich sei, auch akustische Konzerte zu übertragen. Damit arbeite ich aber unter anderen Voraussetzungen als die meisten andern ...


    + es ist meist leise (sowohl Quellen, Publikum, Räume als auch die Erwartungshaltung des Publikum - "muss das denn so laut sein?" ;-))
    + es wird fast immer eine "unsichtbare" Technik gefordert (keine Mikrofone oder Kabel sichtbar, ...)
    + die Technik unterstützt, beschallt aber in der Regel nicht alleine (viel Direktschall, auch in großen Konzertsälen)


    Unter diesen Voraussetzungen habe ich keine Probleme mit der "klassischen" "Überkopfmikrofone", also ein paar Kleinmembran auch vorne am Bühnenrand und in den hinteren Gefielden. Das Standard-Hauptmikrofon gebe ich aber meist nicht auf die PA, das ist dann nur für den Mitschnitt gedacht. Das Hauptmirkrofon fehlt aber auch nicht wirklich, da ich ja genügend Direktschall habe. Ich nehme aber meist Nieren anstelle von Kugeln und setze dann eher ein zweites kleines "ab" näher am Publikum, damit ich das Ambiente des Bühnen- und Zuschauerbereichs separat mischen kann.


    :arrow: Fazit: Ich arbeite Live fast unter Studiobedingungen.
    Die Einschränkung "fast" musste sein, weil auch ich natürlich ein wenig aufpassen muss, dass ich keine Rückkopplungen bekomme, ...


    Einige Beispiele:


    Chorkonzert eines Sängerbundes: 1 Konzert mit 14 Chören á 20 Min in unterschiedlicher Besetzung, Größe, ... in einer staubtrockenen 3-fach Turnhalle, keine Umbaupausen erlaubt
    Anforderung: hier brauchte ich aussergewöhnlich viel "Direktschall" über die PA, aber auch ganz viel "Raum" aus dem Hallgerät, um die Stimmen besser "zu tragen".
    Realisierung: Äquivalenz-Hauptmikrofon mit 2 KM184 und 2 DI-Boxen am E-Piano zuzüglich einiger Funken für die Moderationen, PCM90 und 2 K&F CA1001 für die PA (ohne Subs)


    Gemeinschaftskonzert Chor und Blasorchester:
    Anforderung: Nur Chor musste gestützt werden, das Orchester so gut wie nicht. Die Moderation lief natürlich voll über die Anlage.
    Realisierung: kleines "ab" am Pult, also im Veranstaltungsraum, für Live-Mitschnitt (Ambiente, keine Live-Übertragung), Einzelmikrofone (KMxxx, C414, ...) auf der Bühne für Chor und Orchester, Funken für die Moderation, kleines ferngesteuertes Digitalpult um im Publikum sitzen und mischen zu können, Tops und Subs (ohne Druck), fertig.


    Ein drittes Beispiel

    Der Chor wird von einem Flügel begleitet. Im Halbdunkel links und rechts stehen die Tops auf Ständern. Die zwei kleinen Dreiecke links und rechts des Dirigenten sind die Monitore für das Halbplayback des "Special Guest" mit volkstümlicher Musik zum Mitschunkeln und Mitsingen ;) der rund 500 Gäste im Zuschauerbereich. Die Monitore waren aus Zuschauersicht übrigens vollständig von den Blumen am Bühnenrand verdeckt. Auf dem Foto kann man die Monitore nur deshalb sehen, weil ich das Foto von oben gemacht habe.


    btw: Ich habe neben den klassischen und volkstümlichen Veranstaltungen auch eine Rockband zum Mischen (selbstverständlich akustisch ;-)). Aber zu Rock & Co wurde ja schon viel geschrieben ... deshalb hier mein kleiner Ausflug in die "klassische" Variante.


    Viele Grüße
    Wolfgang

    Beste Grüße
    Wolfgang


    Im Verleih: K&F CA1215, K&F Line212, K&F SW115E/SW215E, Neumann KM18x.

  • Da der Faden eh ein bisschen verloren gegangen ist, traue ich mich auch mal.
    Als ich vor über 20 Jahren angefangen habe Live zu mischen, war es das größte Handycap eben kein Studio
    oder Computer/Sequenzer zu haben. Es ist unheimlich mühsam sich die Routine und das Wissen nur Live zu holen, gerade am Anfang. Ich habe mir damals Samplitude (noch auf Diskette) gekauft, um stundenlang mit EQ`s, Kompressoren und Gates zu experimentieren oder mich bei meinem Mentor ins Studio gesetzt und die Adat´s gestartet, um den eigentlichen Mix zu üben.


    Ich denke da haben Leute die aus dem Studiobereich kommen, klar ihre Vorteile. Sie gehen detaillierter vor, sprich mehr in die Tiefe.


    Mir hat die Arbeit im Studio Live einiges gebracht. Umgekehrt würde ich eher sagen, nein bis wenig.


    Was WW über die ganze Technik im Studio sagte, stimmt absolut. Gerade wenn es in Richtung Metal geht, klingt das Alles so langweilig gleich. Getriggert, überproduziert und zu Tode gemastert.


    Ich höre mir so etwas nicht freiwillig an und praktiziere es nicht. Wenn zu mir jemand ins Studio kommt und seine Trommel nicht klingt, soll er sie stimmen, eine andere nehmen oder wieder gehen. Ich komprimiere auch nichts platt, weil es für mich nicht musikalisch ist. Sollen sie ihren Verstärker lauter machen...
    Ich liebe Aufnahmen wo der Sound lebt und authentisch ist.


    Für reine Studiotechniker ist es live wahrscheinlich gerade in kleinen Clubs sehr schwierig, weil sie nicht erkennen, dass man über die PA oft eigentlich nur gezielte Frequenzbereiche mit zum Bühnensound hinzumischen kann.


    Thema verfehlt? Klar, aber die 2 Bereiche vermischen sich eben sehr.

  • Hab nicht alles gelesen.. Aber hat schonmal jemand die Arbeitsweise von Pooch betrachtet ?


    Der Schneidet die Linkin Park Konzerte alle Mehrspur mit und mixt die dann in einer Garderobe auf Grundlage aus einem Studio. Habe von den Mitschnitten 3 Stück. Und alle echt gut.


    Klar vermixt es sich immer mehr. Nur mal ehrlich, welcher Live Mixer kann eine xy von einer ab Anordnung auseinander halten ?

  • Zitat von "MIKE"

    Klar vermixt es sich immer mehr. Nur mal ehrlich, welcher Live Mixer kann eine xy von einer ab Anordnung auseinander halten ?


    Fast jeder!

  • Und wenn nicht kann man sich immer noch einen SAE-Studenten als Aushilfe dazunehmen... :D ;)

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  • Zitat von "audiobo"

    Und wenn nicht kann man sich immer noch einen SAE-Studenten als Aushilfe dazunehmen... :D ;)


    buuaaahhaahhaa... grööööhl :D:D:D:D







    ...
    ähem, da will ich jetzt aber nicht gelacht haben, das leben ist ernst genug

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Als diplomierter Abgänger besagter Schule erlaube ich dir das mal... ;)

    Freelancer für Audio Beschallung/Recording seit 2003 - Alle Beiträge spiegeln meine persönliche Meinung/Erfahrung als von Herstellern & Vertrieben unabhängiger Tonmensch wieder

  • sehr nett von dir, damit hebst du dich von einigen deiner kollegen wohltuend ab :D
    dazu gibt es auch das passende sprichwort: wo viel schatten ist, gibt es auch licht!
    das korreliert übrigens ganz gut mit meinen erfahrungen während meiner bundeswehrzeit... auch dort gab ein ein paar sehr interessante leute, wenngleich auch die anzahl an trotteln ziemlich gross war 8)


    nun aber zurück zum thema.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • wenigstens noch einer der sich Outet;) aber den witz fand ich trotzdem klasse :lol:


    wenn ich mir einige meine komilitonen von damals ins gedächtnis rufe.... oh gott.... nett und im studion bestimmt fitter als ich aber "draußen"?!? :wink:


    Eine weitere "studiotechnik" die mir dazu einfällt, ist die natürliche zerrung eines AC30, genial auf der platte, aber auf bühnen sollte man das den gitaristen
    schleunigst abgewöhnen wenn er das versuchen möchte, bschen laut vielleicht für die meisten räume!

    Privater Account mit meiner persönlichen Meinung.

    Sollte es ein Problem mit meiner Neutralität zu einem Thema geben mache ich das im Beitrag kenntlich. :thumbup:

    http://www.noon.ruhr


    Application Support Engineer - HK Audio

  • Ok


    .... ich erlaube mir mal wieder die Übertragbarkeit auf die Bühne zu prüfen oder eine "Übersetzung" zu liefern:


    1.3.13


    "man soll sich das ungemischte Material erst mal anhören"


    Das ist immer eine gute Idee ! :D:D
    auf live übertragen ist es eine sehr gute Idee, sich vor oder wärend des soundchecks das, was man zu mischen hat, erst mal auf der Bühne zwischen den Musikern anzuhören vor allem wenns mit der Band/Produktion das erste Mal ist. ( schon klar, dass das organisatorisch nicht immer möglich ist. Man versteht ( wenn mans versteht ... :D ) wie's gemeint ist, kann "Problemzonen" erkennen und das als vertrauensbildende Maßnahme nutzen.