Charakter von Klein(membran)kondensatormikrofonen

  • Obwohl das Hersteller nicht gerne hören:

    Natürlich steigt bei diesem Mikrofontyp, obwohl er ja prinzipbedingt als der Klangneutralste unter den Mikros gilt, die Neutralität mit dem Preis. Trotzdem gibt es nicht DAS NEUTRALOFON, auch in der Oberliga nicht.


    Wir Beschaller haben gegenüber den Studioleuten die besondere Situation, dass das „Hochtonergebnis“ mehr als alles andere von der verwendeten Hochtontreiber-Horn-Kombination abhhängt, auch wenn die Entzerrung im Systemcontroller noch so toll ist. Obwohl die Treiber in den letzten 40 Jahren nochmals deutlich besser geworden sind, ist der Unterschied von Lautsprechersystem zu Lautsprechersystem groß, alles andere als linear und sicher größer als von KM zu KM.


    Da ich in der letzten Zeit nicht nur mehr über wechselnde Lautsprechersysteme gemischt habe sondern auch häufiger die KMs in sehr unterschiedlichen Anwendungen gewechselt habe, hat sich für mich gezeigt, dass es durchaus Sinn macht, das Mikro nicht nur nach Quelle und Musikstil auszusuchen, sondern auch den Systemhochtöner zu berücksichtigen.

    Mikros, die hier im Forum im Lauf der Jahre als harsch oder spitz beschrieben wurden, können je nach Quelle, Musikstil und System exzellent klingen! Ich verwende ganz unwissenschaftlich die bei den Studioleuten üblichen Umschreibungen „dark“, „silky/seidig“, „edgy/harsch“ und „spitz“.


    Bevor ich ins Detail gehe, möchte ich von euch aber wissen, ob ihr das prinzipiell für Mumpitz haltet oder ob es ähnliche Überlegungen/Erfahrungen gibt?

  • Sehe ich ganz genauso und versuche auch, soweit wie möglich das praktisch zu berücksichtigen. Also immer mit der Überlegung; was ist der Inhalt, wie ist der Raum, welche spezielle Schwierigkeit gibt es in diesem Zusammenhang, welche Mics setze ich ein.


    Manchmal ist es auch nicht möglich, zu experimentieren und dan ist halt sm57/58 und feddisch

    Der Ton macht die Musik.

  • Sag ich eigentlich seit Jahren. Wenn ich meine Lieblings Mikrofone zusammen mit meiner Lieblings PA nutze, ist alles schön. Wird eine der variablen ausgewechselt muß ich eigentlich darüber nachdenken ob es bei den anderen Variablen auch einer Veränderung bedarf.


    Ich würde das aber nicht nur auf die kleinen Membranen beschränken.

    Privater Account mit meiner persönlichen Meinung.

    Sollte es ein Problem mit meiner Neutralität zu einem Thema geben mache ich das im Beitrag kenntlich. :thumbup:

    http://www.noon.ruhr


    Application Support Engineer - HK Audio

  • Da kommt doch die Frage nach der Praktikabilität auf. Auf jedem Job erst mal an jeder Position 10 Mikrofone durchtesten? Das halte ich für unwahrscheinlich.


    Bisher ist es doch so, dass man versucht eine Schnittstelle konstant zu halten. D.h. möglichst linear klingende Anlage mit wenig Verzerrungen als Übergabepunkt.

    Das wird man so nie hinbekommen, da ja nicht nur die Pa, sondern auch der Raum mitspielt. Lange Nachhallzeit in irgendwelchen hohen Frequenzbereichen? Dann wird heute halt das etwas "dumpfere" Mikrofon verwendet. Ja, das kann man machen, aber sind wir mal ehrlich: Wird da nicht in 99% der Fälle einfach zum EQ am Pult gegriffen?


    Zum Thema "Mikrofon muss zum Lautsprecher passen" gibt es ja auch das gute Beispiel Sm58 und Feedbackanfälligkeit. In vielen Clubs sind die Monitore einfach (aus Gewohnheit) auf dieses Mikrofon optimiert worden und die unschönen Nebenkeulen-Frequenzen/Überhöhungen des Mikrofons stärker bedämpft. So kann man in dem Beispiel so ein SM58 vielleicht wirklich lauter bekommen, wenn man nicht gewillt ist z.B. den Monitor-EQ an ein anderes Mikrofon genau so anzupassen.

  • Ich teste nicht 10 Mikrofone durch. Aber klingt die PA eher schrill und scharf, wähle ich z.B. ein SM58 für die Vocals. Klingt die PA eher dumpf, nehme ich ein E845. Ist die Lokalität akustisch schwierig, nehme ich das SM58 anstelle des KMS105.


    Das sind Mikrofone, die ich kenne und entsprechend voraussehen kann, wie sich ein Wechsel akustisch auswirken wird.


    Ab und zu kommt auch jemand mit eigenen Mikrofonen. Auch da kann es sein, dass ich u.U. einen Wechsel vorschlage, wenn das akustisch sinnvoll erscheint.


    Und dann gibt es noch die Mikrofone, bei denen ich spontan keine sinnvolle Alternative dabei habe. Die müssen dann mit dem EQ in Form gebracht werden. Oder die Zeit ist knapp, dass es halt so gehen muss, wie es im 1. Versuch aufgebaut wurde.


    Die ganz grosse Vergleicherei von z.B. Overhead Mikrofonen macht vermutlich dort am meisten Sinn, wo man in einer Lokalität ein fixes System betreibt, wo viele Rahmenbedingungen quasi gleich bleiben.

    Der Ton macht die Musik.

  • Bevor ich ins Detail gehe, möchte ich von euch aber wissen, ob ihr das prinzipiell für Mumpitz haltet oder ob es ähnliche Überlegungen/Erfahrungen gibt?

    Es macht ganz sicher einen Unterschied, ob im Hochton ein BMS 4540 ND oder B&C DE 750 spielt. Ich finde Deine Gedanken sehr nachvollziehbar. Ich bin bei Ingo Haasch in die Mikrofonlehre gegangen und weiß seit dem, das es nie DAS Mikrofon für spezielle Gelegenheiten (Instrumente) gibt.

  • ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich die ausgangsfrage richtig verstanden habe.


    seit vielen jahren benutze ich sehr gerne hochwertige mikrofone, die möglichst wenig "eigenleben" haben. z.b. benutze ich als HH mikro und für drum-OH meistens Schoeps mikrofone. meine erfahrung damit ist, das die bisher mit jeder PA funktioniert haben. wenn es damit mal harsch klingt, dann weiß ich: es liegt mit sicherheit nicht an den mikrofonen!

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich die ausgangsfrage richtig verstanden habe.


    seit vielen jahren benutze ich sehr gerne hochwertige mikrofone, die möglichst wenig "eigenleben" haben. z.b. benutze ich als HH mikro und für drum-OH meistens Schoeps mikrofone. meine erfahrung damit ist, das die bisher mit jeder PA funktioniert haben. wenn es damit mal harsch klingt, dann weiß ich: es liegt mit sicherheit nicht an den mikrofonen!

    Und ist nicht das der Moment wo man dann spontan sagen könnte „heute nehme ich das noch weichere HH Mikro“?

    Eben weil man ja weiß was los ist. ?!?

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    Sollte es ein Problem mit meiner Neutralität zu einem Thema geben mache ich das im Beitrag kenntlich. :thumbup:

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    Application Support Engineer - HK Audio

  • Völliger Mumpitz ist das nicht. Ob es ein besseres Ergebnis bring wage ich zu bezweifeln. Denn es gibt ja viel Einflüsse auf einer Bühne. Also wie verhalten sich die anderen Mikros im Vergleich? Ich versuche immer es so konstant wie Möglich und passe lieber die PA an.

    Das allerdings mehr aus Mangel an Zeit und vor allen Mikros.

    Practice, Practice, Practice

  • Völliger Mumpitz ist das nicht. Ob es ein besseres Ergebnis bring wage ich zu bezweifeln. Denn es gibt ja viel Einflüsse auf einer Bühne. Also wie verhalten sich die anderen Mikros im Vergleich? Ich versuche immer es so konstant wie Möglich und passe lieber die PA an.

    Das allerdings mehr aus Mangel an Zeit und vor allen Mikros.

    Sehe ich grundsätzlich genau so. Vor allem wenn es um Klangverhalten geht, das sich auf alle Kanäle auswirkt. Und dann müsste es ja zu jeder HT-Treiber/Horn/Gitter/Anordnungs-Kombination einen Gegenpart geben, der FG, Impulsverhalten (bzw. Resonanzen) und Klirr exakt kompensiert.


    Wenn hingegen die raumakustische Antwort auf die Beschallung plötzlich mehr Spill auf dem Mikrofon erzeugt, dann lohnt es sich durchaus schon mal das "schöner" klingende Mikrofon gegen eines mit einer stärkeren Richtwirkung im problematischen Frequenzbereich zu tauschen. Das geht definitiv nicht mit dem EQ. (klassisches Beispiel: KMS104 vs. SM58 (oder Artverwandte)).


    Eine Ausnahme, um bei dem HT-Beispiel zu bleiben:

    Wenn ein Mikrofon mit leicht phaselnden Charakter (z.B. MD441) über leicht phaselnde Hochtöner/Hochtonarrays nicht mehr genug Klarheit/Durchsetzungsfähigkeit bringt, kann man einen Wechsel auf ein Standard-KM o.ä. in Erwägung ziehen.

    Diese Kombination habe ich aber bis jetzt wirklich seltenst erleben dürfen. Wenn solche Mikros mitspielen, war bis jetzt auch immer das PA-System eines der "klaren" Sorte.


    Die üblichen Standard-KMs bekommt man aber m.E.n. sehr gut mit dem EQ in den Griff. Der Hase im Pfeffer liegt dann meist eher in der Positionierung. Und je nach Entfernung/Bühnencrew/Timetable muss man auch damit einfach damit leben.

    ...zunehmend Gefallen an Ignorieren-Funktionen findend.

  • Wenn die Mikros passend zur Quelle und die PA passend zum Programm ausgewählt sind, dann sollte eigentlich immer alles ganz gut passen.


    Kann schon sein, dass ein hochwertiges Kleinmembran Mikro am Blech eines Punk Schlagzeugs, widergegeben über eine PA mit DE750 als HT nicht notwendig ist, aber es wird nie der limitierende Faktor sein, auch nicht wenn die Woche darauf eine Jazz Band über edel Anlage ansteht.


    Kritisch wird es halt, wenn da PA technisch was quer läuft. Edel PA ohne dick Tiefmitten für Metal oder andersherum wird kritisch.

  • Wenn es darum geht, das Mikro mit der zur Aufgabe passenden Richtcharakteristik auszuwählen, dann bin ich natürlich sofort dafür.

    Aber was kann man denn besser machen, als ein gutes Mikro zu verwenden? Ich sehe das so: wenn die Quelle möglichst gut aufgenommen wird, dann hilft das auch dem Rest der Signalkette.

    Ich habe in den letzten Jahrzehnten jedenfalls nur gute Erfahrungen mit hochwertigen Mikros gemacht.

    Und wenn ich mal über eine PA mische, die mir zu viel Biss hat, dann weiß ich dass es nicht vom Mikro kommen kann und benutze einen EQ. Und wenn das immer noch nicht zu einem nutzbaren Ergebnis führt, dann hilft da sicher auch kein anderes Mikrofon. Ich schalte z.B. die OHs auch schon mal komplett ab, wenn mir zu viel Becken im Mix sind. Das scheinen einige Kollegen noch viel rigoroser zu machen, denn ich höre öfter mal Mixe, in denen man gar keine Becken hört, obwohl da Mikros stehen.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

    Einmal editiert, zuletzt von wora ()

  • Sicher gibt es viele gute Wege mit dem Thema umzugehen und möglicherweise funktioniert das, was ich beschreibe auch nur für mich und niemand sonst aber ich finde die Beobachtung zumindest mitteilenswert:


    Ich selbst bilde mir ein, ein relativ gutes akustisches Gedächtnis zu haben und eine gewisse Fähigkeit, Höreindrücke übereinander zu projizieren. Ferner kommt man auf manche Ideen vor allem dann, wenn die Bedingungen relativ konstant sind und man so eine Voraussetzng hat, Vergleiche zu ziehen ohne gleich ein Doppelblindlabor aufbauen zu müssen. Ich glaube schon lange daran und habe das hier im Forum auch mal ausführlich begründet, dass Mikrofone Klangbeeinflussung können, die ein EQ nicht nachbilden kann.

    In der Heimat-Location, in der ich regelmäßig bin, habe ich wiederkehrend seit Jahrzehnten hochkarätige acts, vor allem Guitarrenlegenden und Bluesrock, bei denen Instrumentarium und Spieltechnik so gut sind, dass man eher nicht versucht ist, an der Quelle mächtig zu schrauben. Dort habe ich über die Jahre ohne wirklich darüber nach zu denken, an Becken und Hihat im Wechsel CMC5/MK40, C451, Beta181 und aktuell diese Rode/Oktava Kombi benutzt. PA ist dort B1/F2, wobei die F2en die Urbestückung 2445+2402 haben. Je nach Genre habe ich dann am EQ geschraubt und ein ordentliches aber kein geniales Ergebnis erzielt. Genau genommen war es eben mit den Versuchen es mit EQ zu verbessern, dumpf oder schrill, technisch möglicherweise durch den passiven Übergang vom 2445 zum 2402 bedingt, an dem ich nichts ändern kann. Einmal hatte ich jedoch ein wirklich exzellentes Ergebnis mit C414XLS, welches ich aber ausschließlich dem Drummer und seinem Beckensatz zugeordnet habe.

    Dann habe ich vor einigen Monaten mal zwei KM184 und ein MKH40 mitgenommen, weil das im Rider so gewünscht war und hatte wieder so ein exzellentes Ergebnis wie mit den 414XLS. Dann wurde mir klar, dass ich vorher immer auf eine Art Mikros mit einer 'auf Achse' Anhebung zwischen 8 und 12 KHz hatte, die in Kombination mit den 2445+2405 schrill und nicht seidig wie erwartet waren, dass man doch ordentlich in den EQ greifen musste, um das anhörbar zu machen. Der Wechsel auf Mikrofone, die bei den Studioleuten eben als 'dark' gelten, war schließlich die Lösung, die reproduzierbar bessere Ergebnisse lieferte.

    Vor vier Wochen hatte ich ein kleines Jazzfestival in einem sehr gut bedämpften studioartigen Saal über V-pointsource ,die ich mit viel Zeit einmessen konnte und habe mir gedacht, hier sollte es prospektiv genau anders herum sein. Ich habe für OH zwei AT4041, die hier im Forum als besonders höhenüberbetont bis schrill gelten und das Rode-Oktava für die Hihat mitgenommen. In der Kombination Jazzdrummer, Saal + V wurde das 4041 zu dem wunderbar seidig klingenden Mikro, das ihm „das Forum“ so nicht zutrauen würde.

    Letztes Wochenende NEXO GEO M im Freien, ebenfalls ein System mit eher unaufdringlichen Höhen + ziemlich buntem Programm. Hier empfand ich MKH40 höhenmäßig eher als 'layed back' trotz 10 KHz +4dB im Master. Für die hochkarätige Bigband am letzten Tag habe ich wieder auf die 4041 gewechselt und wieder haben sich angenehm seidige Höhen eingestellt.

    Ich habe für mich beschlossen, dass ich in Zukunft die KMs nicht mehr nur nach Genre, sondern auch dem zu erwartenden Hochton der PA auswählen werde.

  • Ja ist ja gut, man nimmt halt eine PA der Neuzeit und keine F2 und jaja ein Altherrenluxusproblem aber ich fand’s halt spannend, dass das Tröten/Zitronenpressenproblem mit 'Mikrofon' zu behandeln war und umgekehrt ein angeblich schrilles Mikro plötzlich seidig/teuer wurde, wenn Band, Akustik und PA passten. ;)

  • Es ist halt eines dieser Probleme die man oft zuletzt löst weil vorher noch so viel anderes da ist.


    Aber mit der Idee im Hinterkopf trifft man sicher oft unbewusst heute schon solche Entscheidungen.

    Privater Account mit meiner persönlichen Meinung.

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    http://www.noon.ruhr


    Application Support Engineer - HK Audio

  • Ich habe für mich beschlossen, dass ich in Zukunft die KMs nicht mehr nur nach Genre, sondern auch dem zu erwartenden Hochton der PA auswählen werde.

    ok, ich werde nochmal drüber nachdenken.

    mit den ATM450 oder AT4050 hätte ich ja auch ein paar mikros in petto, die einem system mit schwächelndem hochtöner ein bisschen auf die sprünge helfen könnten. und da die KM184 in den höhen nicht mit den Schoeps gleichziehen können wären sie dann die richtige wahl für höhenbetonte lautsprecher.


    das auswählen der passenden mikrofone setzt dann allerdings genaue kenntnisse über die zu erwartende situation voraus.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang