oder: wat is dat?
In einem Anfall nostalgischer Liebhaberei habe ich in ‚Analog’ investiert. Für eine übersichtliche dreistellige Eurosumme steht „Es“ nun in der Werkstatt. „Es“ diente mehr als zwanzig Jahre lang in der wohlklimatisierten Regie einer sehr großen Veranstaltungshalle im Wesentlichen dazu, gelegentlich ein paar Einspieler und Durchsagemikros in verschiedene Bereiche zu verteilen. Dementsprechend ist der Zustand sensationell: ein paar Tropfen Ballistol auf die Laufschienen der P+G 3220 Fader, einige Kleinteile aus dem seit Jahren schlummernden XL3 Sparekit, drei oder vier neue NE5532 – und das Teil könnte im Prinzip als Vorführmodell zurück in den Ausstellungsraum. Makellos selbst der Gehäuselack und die Lederne Handballenauflage, nicht einmal das original Packhorse Flightcase hat irgendwo eine ernstzunehmende Schramme.
Geld verdienen werde ich damit sicher trotzdem nicht mehr. Hätte ich es nicht übernommen, wäre es wohl früher oder später im Elektronikschrottcontainer gelandet – und das konnte und wollte ich ihm nicht antun. Ein gutes Werk also, sozusagen :-D.
Es stellt sich nun die klitzekleine Frage: was ist das für ein Teil? Keine Modellbezeichnung, keine Seriennummer, nichts. Lediglich die internen Prüfsiegel verweisen auf seine Geburt im Oktober 87.
Auf den ersten Blick scheint die Sache klar: aha, ein 32 – Kanal XL2. Wie seine beiden großen Brüder XL3 und XL4 ein ‚echter’ XL. Da muss kein Poti die Last der Kanalzugelektronik tragen; alles einzeln verschraubt und fein säuberlich mittels S – förmigem Kabelbaum per Hand mit der Platine verdrahtet. Heutzutage unbezahlbar, selbst unter Annahme chinesischer Stundenlöhne.
Auf den zweiten Blick fehlen zunächst einmal die LEDs für die Mute – und Subgruppenzuordnungsschalter. Und bei näherer Betrachtung der Schaltung hat diese bei den meisten Baugruppen außer dem EQ so gut wie nichts mit den im Netz oder von Midas erhältlichen XL2 - Serviceunterlagen gemein. Zwar tragen die Platinen den gleichen Namen wie dort, die darauf befindliche Technik ist jedoch meilenweit von ‚XL2’ entfernt. Dafür finden sich so exotische Sachen wie echte Line Driver (in Form eines BD 131/132 – Pärchens) in allen Ausgängen; die Erbauer haben offenbar die Möglichkeit von übel langen und/ oder schlechten Multicores mit einkalkuliert. Kann man im Prinzip auch direkt einen kleinen, hochohmigen Lautsprecher dran anschließen. Und obendrein ist das gesamte Teil ausgangsseitig auch noch trafosymmetriert. Mit Teilen, die größer sind als das, was man heute als Netztrafo in so mancher ‚Digitalendstufe’ findet.
Frage an die Altprofis: wer weiß, was das ist? Gab es je einen ‚XL1’ ? Besitze ich jetzt die Urmutter aller XL2s ? Handelt es sich um eine Sonderanfertigung/ Einzelstück?
Und noch etwas ziemlich Technisches: die (hm, nennen wir es mal so) Mute Automation arbeitet mit 5V Hamlin Reedrelais 1x Um. Die Dinger haben einen Spulenwiderstand von 1 kOhm; knapp 1V heißt ‚ungeschaltet’, rund 3,5V müssen für ‚geschaltet’ reichen. Eine technisch ziemlich ‚wackelige’ Angelegenheit; demzufolge sind nach fast 22 Jahren einige davon auch müde und schalten spät oder gar nicht mehr, bei einem ist definitiv die Spule hin.
So etwas gibt es heute nicht mehr. Versuche mit heute erhältlichen Reedrelais waren bislang zum Scheitern verurteilt; der Spulenwiderstand von 200 oder 300 Ohm bedeutet für den Schalttransistor in Gestalt eines einsamen BC184 den Kollaps.
Da ich am Originalzustand jedoch möglichst wenig verändern möchte (und mir obendrein die Schaltungsunterlagen fehlen; das Herausarbeiten anhand von doppelt kaschierten Platinen ist mehr als mühselig), würde ich dennoch am Liebsten ein paar Originalrelais einbauen. Doch woher nehmen? M.W. wurden solche Teile seinerzeit hauptsächlich in Telekommunikationsanlagen verbaut. Kennt jemand vielleicht einen Telekommunikationsanlagenausschlachter oder Verwerter? Oder hat jemand eine andere Idee?
Einstweilen besten Dank fürs Interesse,
mit freundlichem Gruß
BillBo