Populäre Audio-Mythen - heute: Der Haas-Effekt und Delayline

  • Da es immer wieder vorkommt:


    Der Haas-Effekt hat etwas mit Ortung zu tun. Selbst in der Wikipedia steht die falsche Abhandlung, die behauptet, daß ein zusätzliches Delay von ca. 20ms auf Delay-Lines dazu führt, daß die Ortung auf dem Hauptsystem bleibt (richtig) und daß der Zuhörer vom erhöhten Schallpegel der Delay-Lautsprecher profitiert (falsch). Aufgrund der interessanten Politik bei der deutschen Wikipedia mache ich mir nicht die Mühe, das dort korrigieren zu wollen, aber ich finde, man kann es hier schon mal ansprechen.


    Bei der Benutzung von Delay-Lines ist die Zielsetzung eine Aufholung von Pegel. "Verhaaste" Delay-Lines sind nicht in Phase mit der ersten Wellenfront, die von der PA kommt. Das hat dann zur Folge, daß man die Ortung auf dem Hauptsystem hat (super), aber anstatt Pegel aufzuholen hat man nun mit der Delay-Line eine destruktive Wirkung erzielt, es treten Auslöschungen auf, die Kohärenz nimmt ab, man erhöht den Pegel hinten eben nicht. Im Endeffekt hat man dem Kunden jetzt einen Lautsprecher verkauft, der keinen positiven Effekt hat. Betriebswirtschaftlich ist das natürlich großartig, tontechnisch nicht. Einfachste Methode, dies zu testen ist, die "verhaaste" Delay-Line auszuschalten. Messen kann man die Auslöschungen natürlich auch.


    Mein Fazit: wenn man Delay-Lines einrichtet, am Besten messen. Dabei ist der Messpunkt für den spatialen akustischen Crossover-Punkt (der Punkt, an dem PA und Delay-Line gleich laut sind) wichtig. Der muß stimmen. An diesem Ort bringt man die beiden Systeme in Phase. Das heißt: gleich laut, in Phase -> Addition. An allen anderen Stellen im Raum sind die beiden Subsysteme dann natürlich nicht in Phase, aber auch nicht gleich laut, d.h. wenn Auslöschungen auftreten, sind sie nicht so schlimm, weil ein System lauter ist.
    Wenn man nicht messen kann, sollte man auf keinen Fall ohne weitere Überprüfung einen "Haas draufgeben" sondern eher hören.

  • Hallo simonstpauli, aus meiner Sicht ist deine Darstellung falsch. Selbst wenn du misst, kannst du die zwei Systeme an einem Ort nur für eine Frequenz (und vielfache davon) in Phase bringen.


    Insofern glaube ich erstmal weiterhin den Büchern, in denen ich das gelesen habe.


    btw: Haas gibt nicht pauschal 20ms vor, sondern ist letztlich eine Tabelle, die die maximal mögliche Pegelerhöhung als Funktion von der zusätzlichen Verzögerungszeit angibt, bevor man die Delayline als Quelle orten kann. Natürlich mit Mindest- und Maximalverzögerungszeit. und natürlich kann man die Delayline auch lauter stellen, dann allerdings mit dem Effekt, dass diese hörbar(er) wird.


    Bislang hatte ich delaylines auch durchaus hörbar, aber nur an wenigen Plätzen, bzw. in kleinen Bereichen.

    Beste Grüße
    Wolfgang


    Im Verleih: K&F CA1215, K&F Line212, K&F SW115E/SW215E, Neumann KM18x.

  • Man darf auch nicht vergessen, dass wenn man an einem Referenzpunkt (Hallenmitte, ganz hinten z.B.) schon mit Haas anfängt, dann wirds überall anders unter Umständen noch schlimmer, sodass man auch für den Herrn Haas aus dem Fenster fällt, da die Verzögerung allzugroß wird. Ich messe ganz gerne an dem Punkt der der Verlängerung Main-System - Delay-Line am nächsten kommt. Bei üblicherweise geflogenen Systemen also genau in einer Linie der beiden Systeme am hintersten zu beschallenden Ort. Hier stimmt die Addition dann, weiter vorne nicht, da ist es aber auch vom Pegelabfall her noch lauter und eher verkraftbar, und hier wirkt sich der Herr Hass auch noch positiv aus. Natürlich gibt es Situationen, in denen diese Vorgehensweise nur begrenzt Sinn macht.


  • Bei Haas-Effekt geht es um Ortung. Und er ist gut beschrieben, bewiesen und nachvollziehbar.


    Ortung ist meines Erachtens aber nicht der Zweck einer Delay-Line. In welchen Büchern wird denn explizit Zusatzdelay für Delay-Lines empfohlen? In der grünen Bibel steht jedenfalls nichts davon.

  • Das steht nicht nur in so gut wie allen Büchern, die im Fach Tontechnik für Fachkräfte herhalten müssen, sondern kommt in fast jeder Klausurfrage zu dem Thema vor.
    "Eine Delay-Line hängt x m vor dem Hauptsystem, welche Zeit stellen Sie ein?" Dann ist die "richtige" Standardantwort:
    "Entfernung in m * 3ms + 10-30ms Haas-Zeit nach Gehör."
    Wer das mit der Haas-Zeit nicht erwähnt, bekommt nicht die volle Punktzahl.
    Ist im übrigen auch in den Anschlussprüfungen so...


    Für mich ist das richtigste an der Musterlösung oben "nach Gehör". Die Entfernung bzw. errechnete Zeit nehme ich nur als Anhaltspunkt, das Feintuning mache ich dann nach Gehör bis es passt.
    Grundsätzlich erstmal an einem Ort (wie schon jemand schrieb, meistens weit hinten in der Achse Haupt-System > Delay), wenn ich dort zufrieden bin laufe ich die Strecke mal nach vorne und auch zur Seite, um zu schauen wie sehr es dort ggf. nicht passt, um dann nochmal anzupassen. Das ist quasi meine akustische, praktische Haas-Zeit wenn man so will.
    Bei mir laufen Delays in den meistens Fällen auch so (laut), dass sie nicht als eigene Quelle wahrgenommen werden, dadurch bleibt die Ortung automatisch beim Hauptsystem.
    Bei Nearfills verfahre ich übrigens oft genau so.


    gruß
    gylo

    ... kann man da nich was löten ? ;)

  • @ simonstpauli: Delayline hat was mit Ortung zu tun. Nach haas kannst du nämlich dafür sorgen, dass du noch den Höreindruck der ersten Wellenfront zur ortung (also z.b. Schall kommt von vorne) heranziehst, obwohl die eigentliche Lautstärke von oben, links oder rechts (je nach Standort der delayline) kommt. Damit kannst du die Lautstärke erhöhen, ohne dass die Zuhörer merken, woher sie eigentlich wirklich bespasst werden.

    Beste Grüße
    Wolfgang


    Im Verleih: K&F CA1215, K&F Line212, K&F SW115E/SW215E, Neumann KM18x.

  • Zitat von "gylo"


    Bei mir laufen Delays in den meistens Fällen auch so (laut), dass sie nicht als eigene Quelle wahrgenommen werden, dadurch bleibt die Ortung automatisch beim Hauptsystem.



    dann laufen meine Delays 10dB lauter.


    Ich behaupte, dass das Delay dort wo es früher eintrifft als das Hauptsystem mindestens 10dB leiser als das Hauptsystem sein muss, um die Lokalisation nicht zu beeinflussen.


    Dann kann ich aber genausogut auf das Delay verzichten.

  • meine delays laufen auch lauter als von haas gewollt. einstellen ein bisschen formel und dann die ohren! wenn ich das delay gleich laut am delay standplatz als die front p.a. hätte, bräuchte ich das delay nicht. die ortung zur bühne ist nicht immer gegeben. aber das war bei einem springsteen konzert auch, wo ich 20 m neben dem delay gestanden bin. dafür wird die mit druck beschallte fläche grösser.

  • Ich muß gestehen, daß ich lange genug ohne zu hinterfragen die berühmte Formel mit Haas-Zugabe als Anhaltspunkt genommen habe.
    Nach einigen Systemdesign- und -messworkshops sieht das anders aus. Und ich habe durchaus den Antrieb, auch nach 20 Jahren noch Methoden zu hinterfragen, noch genauer hinzuhören, nachzurechnen und zu messen.


    Nehmen wir mal an, wir bestimmen einen Punkt, an dem die Delay-Line 10dB lauter ankommt und mit der Haas-Formel verzögert ist. Dort ist eigentlich alles schön, es gibt kaum destruktive Effekte und die Ortung ist auf der Bühne. Betrachten wir aber den spatialen akustischen Crossover-Punkt, sieht das ganz anders aus. Dort sind wir weit entfernt von Addition. Und in einem nicht so kleinen Bereich um diesen Punkt auch. Und ich bin der Meinung, daß Systemdesign das Ziel haben sollte, ein Gesamtsystem auf der gesamten Zuhörerfläche möglichst gleich klingen sollte.


    Meine Erfahrung mit dem Verzögern der PA zur Bühne ist übrigens ähnlich, für mich ist es am Besten, wenn die Signale zeitgleich am Punkt gleicher Lautstärke ankommen.

  • Zitat von "simonstpauli"

    Mein Fazit: wenn man Delay-Lines einrichtet, am Besten messen. Dabei ist der Messpunkt für den spatialen akustischen Crossover-Punkt (der Punkt, an dem PA und Delay-Line gleich laut sind) wichtig. Der muß stimmen. An diesem Ort bringt man die beiden Systeme in Phase. Das heißt: gleich laut, in Phase -> Addition. An allen anderen Stellen im Raum sind die beiden Subsysteme dann natürlich nicht in Phase, aber auch nicht gleich laut, d.h. wenn Auslöschungen auftreten, sind sie nicht so schlimm, weil ein System lauter ist.


    Diesen Ort gibt es nicht. Nimmt man den Schallpegel breitbandig, dann ist das eine - meist geschlossene - Linie, die ähnlich einer Höhenlinie auf einer Karte oder ähnlich einer Isobare auf einer Wetterkarte liegt. Die sieht unregelmäßig aus, bestenfalls ist sie L/R-symmetrisch. Nimmt man den Schallpegel frequenzabhängig, dann liegt diese Linie bei jeder Frequenz wo anders.


    Die Chancen, da beide Systeme in Phase zu bringen, stehen in einem reziproken Verhältnis zur Komplexität - und letztere ist ganz erheblich.

    Bitte keine fachlichen Fragen per PM - Inhaber von dBmess

  • Zitat von "ADMIN"

    Nimmt man den Schallpegel frequenzabhängig, dann liegt diese Linie bei jeder Frequenz wo anders.


    Das 3., oft vergessene -und mein liebstes- Werkzeug zum Finetunig der Delaylines oder Nearfills: der EQ!
    Für Nearfills brauch ich meistens viel Pegel um mit Subs und Bühnensound mitzuspielen. Entschärft wird das mit einigen -dB HiShelf.
    Bei Delaylines (gearde bei kleinen 8 oder 6 Zöllern) die unter 400Hz beinah in jede Richtung abstrahlen gibts ein großzügiges absenken der Tiefmitten/Bässe.


    Grüße

  • Zitat von "simonstpauli"

    Meine Erfahrung mit dem Verzögern der PA zur Bühne ist übrigens ähnlich, für mich ist es am Besten, wenn die Signale zeitgleich am Punkt gleicher Lautstärke ankommen.


    Da bleibt die Frage welche Signale. Klar, Snare... Gitarrenamp steht auch eh daneben in etwa auf gleicher Höhe, passt schon. Oder doch nicht?


    Ich habe bei mittleren Veranstaltungsgrößen mit lauter Coverband auch oft auf die Snare verzögert, hatte in ein paar Fällen den gravierenden Nachteil, dass von den Gesangsmonitoren der ganze Low-Mid Müll deutlich vor dem Signal aus der PA ankommt. Ich bilde mir ein, dass ich in solchen Situationen im Vergleich zu einer nicht delayten Front eine deutlich verschlechterte Sprachverständlichkeit hatte. Die Monitore waren in den Fällen natürlich prügellaut, aber grad bei kleineren Gigs mit lauten Bands kommt diese Situation doch immer mal wieder vor.


    Achja: Und immer schön die Polarität beachten, gerade bei Boxen unterschiedlicher Hersteller, die nicht mit aufeinander abgestimmten Presets laufen.

  • Zitat von "kob1"

    Das 3., oft vergessene -und mein liebstes- Werkzeug zum Finetunig der Delaylines oder Nearfills: der EQ!
    Für Nearfills brauch ich meistens viel Pegel um mit Subs und Bühnensound mitzuspielen. Entschärft wird das mit einigen -dB HiShelf.
    Bei Delaylines (gearde bei kleinen 8 oder 6 Zöllern) die unter 400Hz beinah in jede Richtung abstrahlen gibts ein großzügiges absenken der Tiefmitten/Bässe.


    Grüße


    Sehr guter Einwand. Natürlich muß man mit einer Delayline nur dort aufholen, wo etwas fehlt. Das ist tendenziell der Hochmitten-Bereich. Der Rest kann am Delay Weg rigeros beschnitten werden. Damit wird die Ermittlung des Crossover-Punktes erheblich einfacher.


    Zitat von "ADMIN"

    Diesen Ort gibt es nicht. Nimmt man den Schallpegel breitbandig, dann ist das eine - meist geschlossene - Linie, die ähnlich einer Höhenlinie auf einer Karte oder ähnlich einer Isobare auf einer Wetterkarte liegt. Die sieht unregelmäßig aus, bestenfalls ist sie L/R-symmetrisch. Nimmt man den Schallpegel frequenzabhängig, dann liegt diese Linie bei jeder Frequenz wo anders.


    Die Chancen, da beide Systeme in Phase zu bringen, stehen in einem reziproken Verhältnis zur Komplexität - und letztere ist ganz erheblich.


    Hier kommt das Systemdesign ins Spiel. Man kann die Komplexität verringern, indem man die Delay-Line schlau anordnet.


    Grundsätzlich wehre ich mich dagegen, Subsysteme nicht in Phase zu bringen, nur weil es ein komplexes Problem ist. Es ist zum Beispiel möglich, schlechte Zonen in unbestuhlte Bereiche zu verschieben und dafür den Rest zu optimieren.

  • Zitat von "erik"

    Da bleibt die Frage welche Signale. Klar, Snare... Gitarrenamp steht auch eh daneben in etwa auf gleicher Höhe, passt schon. Oder doch nicht?


    Ich habe bei mittleren Veranstaltungsgrößen mit lauter Coverband auch oft auf die Snare verzögert, hatte in ein paar Fällen den gravierenden Nachteil, dass von den Gesangsmonitoren der ganze Low-Mid Müll deutlich vor dem Signal aus der PA ankommt. Ich bilde mir ein, dass ich in solchen Situationen im Vergleich zu einer nicht delayten Front eine deutlich verschlechterte Sprachverständlichkeit hatte. Die Monitore waren in den Fällen natürlich prügellaut, aber grad bei kleineren Gigs mit lauten Bands kommt diese Situation doch immer mal wieder vor.


    Achja: Und immer schön die Polarität beachten, gerade bei Boxen unterschiedlicher Hersteller, die nicht mit aufeinander abgestimmten Presets laufen.


    Sehr richtig. In diesem Fall sind die Monitore der Referenzpunkt.
    Alternativ versucht man, den Monitormann dazu zu bringen, LoMids wegzunehmen oder die Band auf InEars umzustellen. Meist kriegt die Band vorne genug LoMids von der PA ab, wenn die mal auf Arbeitspegel ist.

  • Zitat von "simonstpauli"


    Sehr guter Einwand. Natürlich muß man mit einer Delayline nur dort aufholen, wo etwas fehlt. Das ist tendenziell der Hochmitten-Bereich. Der Rest kann am Delay Weg rigeros beschnitten werden. Damit wird die Ermittlung des Crossover-Punktes erheblich einfacher.



    Hier kommt das Systemdesign ins Spiel. Man kann die Komplexität verringern, indem man die Delay-Line schlau anordnet.


    Grundsätzlich wehre ich mich dagegen, Subsysteme nicht in Phase zu bringen, nur weil es ein komplexes Problem ist. Es ist zum Beispiel möglich, schlechte Zonen in unbestuhlte Bereiche zu verschieben und dafür den Rest zu optimieren.


    Ja, der mentale Trick, den man braucht, um hier die Theorie ( respektive 6o6 :wink: ) in die Praxis umzusetzen, ist zum einen das 'spatial = acoustic crossover' ( hier formuliert der gute Bob nicht immer ganz glücklich obwohl er nicht von einem 'acoustic crossover point' spricht ) zu einer 'Crossover Zone' werden zu lassen. Dann passt auch Michas richtge Aussage.
    Zum Anderen ... und da stimmt Christians Ansatz ... besteht ja gerade die Kunst des realen Beschallens mit mehr als einem Lautsprecher darin, die angesprochene Komplexität der Zone gleicher Lautstärke möglichst gering zu halten und das wird genau mit den genannten Werkzeugen nämlich der Positionierung und der Beschränkung des Frequenzgangs des Delaylautsprechers erreicht.
    Was gerne vergessen wird: man kann den "wirksamen" Anteil der akustischen Crossover Zone auch dadurch einschränken, dass er teilweise ausserhalb der tatsächlichen Hörebene statt findet. Mann sollte nicht vergessen, dass die nur einen physikalisch lächerlich geringen Anteil des Gesammtvolumens eines Auditoriums ausmacht obwohl sie unsere eigentliche Betrachtungsebene ist.


    Zum Haas Effekt stimme ich Christian ( ... und 6o6 :wink: ) 100% zu. Es gibt keine Evidenz für dessen aktiven Einsatz. Allerdings sollte man in der Lage sein, dort wo Laufzeitfehler unvermeidbar sind, sie so zu gestalten, dass sie den Erkenntnissen von Herrn Haas sinvoll folgen, d.h. sehr lax ausgedrückt, die Pegel müssen zu den Laufzeitfehlern passen.

  • Also ich bemühe Haas vor allem dann, wenn ich in halligen Umgebungen den Direktschall beim Publikum erhöhen will.
    Ich finde es klingt irgendwie immer recht unschön, wenn die Delay, selbst mit Haas, am Eintreffort lauter wird als die Front. Selbst wenn die Ortung auf der Main-PA bleibt, der Klang und Sprachverständlichkeit geht verloren, vermutlich durch Kammfilter.


    Habe ich allerdings eine Kirche bspw. und stelle hinter eine Säule eine kleine Delaybox und gebe der Entfernung + Haas als Delay, und fahre sie knapp über der Wahrnehmbarkeitsschwelle zur Front-PA erhöhe ich an der Stelle den Direktschallpegel über die ganzen Reflektionen aus dem Raum.
    Ich vermute mal auch das liegt wieder an Kammfiltern, bzw. dass diese hier weniger stark ausgeprägt sind.

  • Eine Beschallungsanlage wird nicht nach Gehör projektiert. Die regelmäßig übertriebene Zahl der Lautsprecherpositionen folgt im günstigsten Fall dem Ansatz: Hauptsache kein Bereich vergessen - denn die Nachinstallation einer Lautsprecherposition sprengt Termine und Budget ...und Gestellschrank. Nach meiner Beobachtung in freier Wildbahn wird oft die Position der Hauptlautsprecher nicht maximal genutzt, im verständlichsten Fall aus optischen Gründen. Dafür stellt sich dann so manche Halle als Leistungsschau des Beschallungshandwerks dar, und wird stolz an den verlegten Kabel-Kilometern gemessen, der Anzahl der Digital-Delays, der Summe der Endstufen-Watt. Das akustische Erlebniss entspricht dann eben einer Lautsprecheransammlung, in der Regel ohne jede Ortung, Richard Wagner würde das gefallen.


    Wer nun die Stirn runzelt wird mit dem "Lehrbuch" erschlagen, geheuchelte Kompetenz durch Namedropping ...Haas ...Helmut Haas


    Doch der bringt die Ortung nicht zurück. Beschreibt jedoch ganz gut warum nicht. "Zeige mit verbundenen Augen auf den Redner" ;)


    Was bringt es einem Kongress-Gast, wenn er mit verbundenen Augen genau auf das Rednerpult zeigen kann? Ich habe noch nie von der Klage eines Kongress-Gastes gehört, der den Lautsprecher hört, der seine Ecke beschallt. Das genaue Gegenteil kommt vor: "Ich verstehe nix, warum ist der Lautsprecher da nicht an"
    Dann sag mal, daß die Beschallung nach der Dissertation von Helmut Haas, „Über den Einfluss eines Einfachechos auf die Hörsamkeit von Sprache“ von 1951 eingestellt ist...


    ...


    Selbstverständlich hört man bei von mir eingestellten Installationen die Lautsprecher, dafür sind die schließlich da. Ich treffe aber häufig auf Installationen wo einzelne Lautsprecher zu laut eingestellt sind. Dieses Problem ist schwer ortbar. ;)

    ----------------------------[---[--[-[IIIIIII]---------


    ich bezahle nicht fürs hinhören, ich baue Beschallungsanlagen


    Das SD12 Fliegetop ist bei gleicher Endstufe um durchgehend 3 dB lauter
    als "vorbekannte" 12"/1" Bauweisen.


    Der Bass CB18S ist der Beste

  • Zitat von "simonstpauli"

    Ich muß gestehen, daß ich lange genug ohne zu hinterfragen die berühmte Formel mit Haas-Zugabe als Anhaltspunkt genommen habe.
    Nach einigen Systemdesign- und -messworkshops sieht das anders aus.

    Ja, so ein Seminar bei Mr. Bob hat schon so manchem die Augen geöffnet. :wink:


    Rein messtechnisch gesehen ist sein Ansatz die Zeiten (bzw. die Phase) dort zu optimieren, wo die Pegel gleich sind natürlich vollkommen korrekt. Bei Systemen, die relativ nahe beieinander sind (Out-Fill, Down-Fill etc), halte ich das auch für richtig. Anders ist es aber mit Quellen, die räumlich relativ weit auseinander sind - eben typischerweise Delay-Lines.
    Warum? Unser Gehör hat eine ausgeprägte Fähigkeit des räumlichen Hörens. Wir können also die Richtung aus der ein Schallereignis auf uns trifft sehr gut bestimmen - automatisch, ob wir wollen oder nicht. Ein Messmikrofon kann das nicht.


    Und genau hier liegt der Trugschluss. Den Kammfilter, den die Messung zweifelsfrei darstellt, nehmen wir so nicht wahr. Eben weil wir zwei "Messmikrofone" haben - beide mit einer ausgeprägten (unterschiedlichen!) Richtcharakteristik, mit einem räumlichen Abstand zueinander und einem nachgeschalteten sehr leistungsfähigen "Signalprozessor".



    Ein kleiner Versuch: zwei Lautsprecher, von denen der eine ein klein wenig weiter von unserem Empfängerort entfernt ist als der andere. Im einen Fall sind die Lautsprecher aber sehr weit auseinander, im anderen Fall stehen sie sehr dicht zusammen. Der Entfernungsunterschied der beiden Lautsprecher zu unserem Empfängerort ist aber der selbe. Ein Messmikrofon wird in beiden Fällen exakt den gleichen Kammfilter aufnehmen. Unsere Erfahrung zeigt aber, dass unser Höreindruck in beiden Fällen sehr unterschiedlich ist.


    Wenn ich also bei einer Delay-Line die Zeiten auf den Punkt optimiere, wo die Pegel von Front und Delay gleich sind (also irgendwo unter bzw. kurz vor dem Delay-Lautsprecher), Dann versuche ich meiner Meinung nach ein Problem zu beseitigen, das gar keines ist. Deshalb pfeife ich persönlich auf Time-Alignment und mache lieber Haas.

  • @ Volker


    Jetzt machst Du's Dir aber einfach. Bob würde das so erklären:


    Bildchen links bedeutet 'cross fire array'. Du nimmst die in dieser Anordnung immer sehr große Überlappungszone mit gleicher oder nur gering unterschiedlicher Lautstärke deshalb nicht als "besonders mies" wahr, weil Deine Ohren und Dein Gehirn quasi nirgens eine bessere Alternative verarbeiten können, weil Du nahezu überall in einer "kammfilterreichen" Crossoverzone stehst. Daran erzeugst Du gehörmäßig auch keinen wesentlichen Unterschied, wenn Du in dieser Anordnung einen Lautsprecher ein bisschen nach vorne oder hinten schiebst. Das hat nichts mit der Binauralität zu tun und nichts mit ihrer physikalischen Entfernung. Also einfach falsches Beispiel. Diese Anordnung würde 6o6 an sich als unsinnige Anordnung verwerfen und stellt keinesfalls ein sinnvolles Modell für eine Delay-Anordnung dar. Was nicht stimmt, ist die Winkelbeziehung Lautsprecher-Lautsprecher-Zuhörer. Er kritisiert das ja auch in seinem paper über Monoquellen in unseren "Steroanordnungen".


    Es fehlt eine dritte Anordnung, in der die Lautsprecher zwar weit von einander entfernt sind aber in einer Winkel- und Pegelbeziehung so zum Auditorium stehen, das dort die Crossover Zone klein bleibt. Dann macht time alignment auch bei weiter von einander entfernten Lautsprechern in einer Delayline Sinn. Nur so macht delay line Sinn und man hört dann auch den Unterschied. :wink:

  • Die Beispiele sollen natürlich keine Delay-Lines darstellen. Ich wollte damit lediglich veranschaulichen, dass das, was wir messen, nicht (immer) das ist, was wir hören.


    Den Fall, dass wir uns einen glatten Frequenzgang gebastelt haben, es aber überhaupt nicht "glatt" klingt, kennen wir alle. Es gibt aber auch genau den umgekehrten Fall, dass der Frequenzgang messtechnisch katastrophal aussieht, der Höreindruck aber völlig ok ist.


    Um die obigen Beispiele mal etwas praxisgerechter anzugehen, kannst du dir vielleicht eine Bühne mit einer normalen L/R-Aufstellung vorstellen (linkes Bild) und ein Doppel-Cluster mit den selben Lautsprechern (rechtes Bild). Wie gesagt, messtechnisch das gleiche, aber nicht vom Höreindruck.