Ich bin seit einigen Jahren, spätestens seit der Verfügbarkeit von Controllern mit vielen Allpassfiltern hoher Güte oder mit FIR Blöcken, in die man selbstdesignte FIR Daten importieren kann, viel mit dem Thema der absoluten Phase bzw. des Phasenfrequenzgangs, beschäftigt.
Es geht darum, ob man grundsätzlich die sozusagen glattere Phase eine einzelnen Systems hört oder nicht, oder ob das am Ende eine Frage die Geschmacks ist, wie beim Amplitudenfrquenzgang auch - was mittlerweile ein bisschen zu meinem Eindruck wird.
Phase ist zunächst mal im Grunde die Angabe in Grad, wo bzw. in welchen Schwingungzyklus, auf der Zeitachse sich die jeweilige Frequenz gerade befindet und kann wiederum in Groupdelay umgerechnet werden. Das bedeutet: Je mehr der Phasengraph ins Negative abfällt, desto später kommen typischerweise die tieferen Frequenzen bei uns an.
In der Debatte darüber, ob das nun hörbar ist oder nicht, scheiden sich die Geister massiv. Es gibt Studien und geschätzte Kollegen, denen ich in keiner Weise Kompetenz absprechen will, die besagen, dass das nicht hörbar sei. Das wiederum entspricht jedoch keineswegs meinem Empfinden oder meiner Erfahrung aus den letzten 20 Jahren.
Ich habe, um das ein bisschen zu verifizieren, bei fast allen meinen Seminaren in den letzten Jahren, Blindtests mit meinen Teilnehmern gemacht.
Hierbei wurde bei fast jedem Seminar jeweils die gleiche Box, einmal im mit der unbearbeiteten Phase und einmal mit einer, mit 512 Taps realisierbaren, entzerrten Phase vorgespielt, ohne dass die Zuhörer wussten worin der Unterschied liegt. Umgeschaltet wurde via FIR bypass oder aktiv in der Controllersoftware. Die Lautsprecher mit denen das stattfand waren bei jedem Seminar andere, je nach dem was die Rentalbude oder der Vertrieb gerade so da hatte.
Der Trend, nämlich dass von ca. 150 Seminarteilnehmern etwa 130 die entzerrte und somit glattere Phase mit weniger Groupdelay favorisierten, ist recht eindeutig.
Hinzukommen ähnliche Versuche in vielen verschiedenen Arenen, Clubs, Theatern und open Air Situationen mit einer Vielzahl an FOH Kollegen, Systemern und sonstigen Tontechnikern in der Praxis. Teilweise bekamen das sogar unbeteiligte Lichtoperatoren mit.
Die Größe der Systeme bei den Versuchen außerhalb der Seminare variiert von 2 x 6.5" Arrays, ab einer Länge von ca. 8 Elementen, bis hin zu 2x 15" Arrays und einer länge von 16 Elementen. Der Trend war auch hier der gleiche. Ohne dass die Probanden zunächst wussten was sie da hörten, entschied sich der Großteil für die entzerrte Phase. Wissentlich habe ich von den Versuchen on the Road nur zwei Kollegen im Kopf die sich für die nicht entzerrte Phase entschieden haben.
Die Ausdrücke um das Verhalten mit entzerrter Phase zu beschreiben, reichen von tighter, impulstreuer, mehr Grip, detailgetreuer, aufgeräumter, mehr Information, jetzt höre ich sogar den Pinsel und den Teppich der Snare, bis hin zu "ich höre nun mehr und kann sogar leiser machen" oder "ich höre heute Details in meinem Mix die ich sonst höchstens auf dem Kopfhörer wahrnehme".
Es gibt ja bekanntermaßen zwischen den in Deutschland verbreiteten Brands die Aussagen von einigen Kollegen, dass Brand A, der in Regel mit einer glatteren Phase ab Werk aufwartet, mehr ins Gesicht springt, oder nach Rock 'n' Roll klingt als Brand B der auch mal 1000 Grad im System hat. Was nun besser oder schlechter ist soll gar nicht gewertet werden.
Mich würde, vor dem Hintergrund dass FIR Design und Laufzeitentzerrung per IIR und FIR ein Block in meinem Level II sein wird, interessieren, ob euch da schon Unterschiede aufgefallen sind, wenn ja welche und ob ihr damit mal in irgendeiner Form herumprobiert habt?
Im Anhang habe ich noch eben einen Screenshot von den Phasenfrequenzgängen zweier ähnlich großer Systeme mit völlig verschiedenen Verläufe, um zumindest zu zeigen was ich meine.
Grüße Matze