Haftung als Freelancer (Einzelgewerbe)

  • Hi,

    könnt ihr mir mal einige Szenarien aus der Praxis durchgeben, wodurch ich besser verstehen kann mit welchem Risiko ich rechnen muss wenn ich im Einzelgewerbe Veranstaltungstechnik mache? In meinem Fall Tontechniker für andere VAT-Firmen als Freelancer oder als Band-Tech.


    Vieles covert ja die Betriebshaftpflicht, aber was ist z.B. wenn ich einen Termin verpeile oder deutlich zu spät erst ankommen kann. Angenommen die Veranstaltung kann nicht durchgeführt werden. Zahlende Gäste wollen ihre Tickets zurück oder Nachholtermin. Ansprüche aus Reputationsschaden Veranstalter/Band. Ist das Spinnerei oder reale Gefahren was auf mein Privatvermögen gehen würde?


    Ich denke die meisten nutzen Rechtsform Einzelgewerbe für ihre Freelancer Tätigkeit. Kennt ihr Kollegen oder ihr selbst die entschieden haben eine Kapitalgesellschaft stattdessen zu nutzen?


    Danke,

    Grüße.

  • Das ist im wesentlichen eine Frage was Du mit dem Auftraggeber ausgehandelt hast und in welcher Position man zueinander steht. Verpeilt sein interessiert eine Versicherung meist wenig und auch eine Kapizalgesellschaft findet es meistens weniger witzig Geld zu verlieren oder Konkurs zu gehen.

    Händsärmlig mag es da gehen wo Vertrauen ist und jeder Mal dran ist (man mal später ist oder mal eine gebuchte VA abgesagt wird - da findet sich meistens doch ne Lösung ohne das es einen Blick ins Vertragwerk braucht) oder eben da wo es vielleicht eh eher eine Art von Scheinselbstständigkeit ist. Ansonsten sagst Du eine Leistung zu, die es unter gewissen Umständen und Bedingungen zu erbringen gilt. Genauso wie Auftraggeber und Veranstalter eben auch in der Pflicht sind gewissen Probleme proaktiv einzukalkulieren.

  • Grundsätzlich gilt das BGB und ferner was in deinem Vertrag steht, welcher ja zwischen dir und deinem Auftraggeber geschlossen wird. Bei B2B gilt auch die mündliche Zusicherung/Absprache (so mein Kenntnisstand - bitte korrigieren falls nicht zutreffend), daher immer schriftlich fixieren.


    Falls du verspätet am Wirkort des Vertrages eintriffst oder gar den Termin verbummelst, kann dies Regressansprüche nach sich ziehen, mitunter weitere Schadensersatzansprüche, wie schon von dir erwähnt. Diese würde man dann per Anwalt prüfen und einfordern und am Ende gar gerichtlich feststellen lassen.


    Es ist also keine Spinnerei, sondern eine reale Gefahr, wenn man so einen vereinbarten und geschlossenen Vertrag platzen lässt und je nach Rechtsform geht das auch ganz schnell an das Privatvermögen.


    Letztendlich sind dies immer EInzelfallprüfungen, denn es kann ja so etwas wie höhere Gewalt vorliegen, was dann wiederum festzustellen wäre.


    Die oben genannten Statements entbehren keiner Rechtsberatung und sind auch nicht als solche aufzufassen, sondern sind mein Verständnis zur Sache.

    Laut heisst nicht immer gleich gut und toll und wer schreit ist meist im Unrecht.

  • Hallo,


    Termin verbummeln geht gar nicht. Dafür solltest du auch abgestraft werden.


    Verkehr ist auch mehr oder weniger ein kalkulierbar. Hier hilft frühzeitiges Los fahren und lieber eine Stunde früher da sein als eine zu Spät. So kann man auch mal die Zeit nutzen um gewisse unvorhergesehene Umstände vor Ort nochmal glatt zu bügeln.


    Wenn du Krank bist musst du halt einen Ersatz finden/das entsprechend in deinem Vertragswerk einpflegen. Auch höhere Gewalt wie Hochwasser, Autounfall auf der Anfahrt usw. sollte man da ausschließen. Genauso wie das technische Risiko bzgl. Pultausfall (so du ein eigenes hast).

    Viele viele Dinge die da rein gehören ins so ein Vertragswerk.


    Auch sehr zu empfehlen ist ein guter Bekanntenkreis. Wenn du mal wirklich nicht kannst oder die Kacke am Dampfen ist wg. xy. dann sollte man vlt. einen Kollegen schicken können.

  • Hier hilft frühzeitiges Los fahren und lieber eine Stunde früher da sein als eine zu Spät. So kann man auch mal die Zeit nutzen um gewisse unvorhergesehene Umstände vor Ort nochmal glatt zu bügeln.

    Leider läuft dieser Punkt in unserer Branche gerne diametral zum Thema „Arbeitszeiten/Ruhezeiten“. Nach meiner Erfahrung wird es auch nur dann tatsächlich zum Problem, wenn bereits im Vorfeld viel zu eng geplant wurde. (Was nicht heissen soll, dass man einfach „irgendwann“ kommt.)

    Gute Projektleiter planen etwas mehr Zeit ein und kalkulieren entsprechend die GetIn-Zeiten (btw.: was soll ich z.B. glatt bügeln wenn die Hemden noch im Truck sind?)

    Also: kenne die Leute, kenne die Jobs, sei rechtzeitig fertig. Und wenn man merkt, dass es zeitlich einfach nicht passen kann darf man auch gerne mal einen Auftrag ablehnen.


    Ansonsten gilt vor allem eines:


    Schadensersatz ist nur dann fällig, wenn tatsächlich ein Schaden entsteht!!! (Es gibt leider genug Leute, die mit dieser Angst spielen).


    Kapitalschäden (welche in der Haftpflicht gerne mal ausgeschlossen werden) in beträchtlicher Summe als Einzelperson zu generieren ist gar nicht mal so leicht. Wenn jemand seinen Flieger verpasst weil die Veranstaltung zu spät statt fand… so what. Eigene Entscheidung was wichtiger ist.

    Wenn Konzertbesucher ihr Geld zurück haben wollen weil das Konzert nicht statt gefunden hat? - Ja, bist du denn der einzige der da ein Pult bedienen kann? Da muss halt der Kollege von der Vorband/Aftershowparty/whatever für nen Extragroschen ran. Klar sagt der evtl. „Doppelter Tagessatz“ an dem du dich beteiligen solltest. Und klar ist dann mal das Delay an der falschen Stelle.


    JEDER Beteiligte ist in der Pflicht in so einem Fall Schadensminimierung zu betreiben - einfach abwälzen ist nicht.


    Der Hauptaspekt bei derlei Dingen ist eigentlich: möchtest du weiter gebucht werden?

  • du solltest dir als Tontechnik auch eins vor augenführend: sollte wider erwarten tatsächlich mal ein schaden von 30tsd e durch dich verursacht worden sein, was sehr schwierig ist, dann rettet dich im schlimmsten fall die Privatinsolvenz. der erste schritt in so einem fall wäre auch immer erst mal das verhandeln. man sucht sich jemanden der dann mal schaut wer was genau verursacht hat und wer eben was nicht getan hat. Schadenminderungspflicht !!

    dann werden die meisten sich eh nicht vor ein Gericht bewegen wollen, weil das einfach viel zeit und geld kostet.

    ich bin selber mal an einer Schadenersatzforderung von 1 mio knapp vorbei geschrammt, weil ich mich mit dem Auftragnehmer so geeinigt habe. war von 28 jahren.

  • ich habe einem Kollegen eine Zeichnung und eine Bestellung für truss geschickt. leider war dem alles egal. er hat also truss geliefert und mir cornerblöcke mit 6,5cm hülsen mitgegeben. das rigg bestand aus 4 Feldern mit 5*5m. auf der einen langen seite mußten noch 5 Corner zusätzlich verbaut werden. das das natürlich alles nur mit Sonderbauteilen passt, war dem Kollegen egal. wir haben dann also bis auf den letzten Drücker irgendwas daraus gebaut und der kunde hat dann nicht so genau hingeschaut. hätte er sich rein formal verhalten, dann hätte die va nicht stattfinden dürfen. das Gesamtbudget war eben 1mio euro. zu meinem glück habe ich nur auf meine Bezahlung verzichten müssen.

  • Die bisher genannten Punkte sind sicher alle richtig, aber wie schon beschrieben auch oft vertraglich explizit geregelt oder durch konsequente Lösungsorientierung der meisten Beteiligten auch oft am Ende des Tages weniger tragisch als sie sein könnten.


    Für mich droht Unheil eher aus einer anderen Richtung: Personenschäden. Egal ob wirklich etwas passiert ist oder nur jemand behauptet, geschädigt worden zu sein, in diesen Fällen beginnt der Spaß.

    Sind alle Geräte geprüft (DGUV) und zugelassen (CE), korrekt aufgebaut, gesichert, gekennzeichnet, gibt es Gefährdungsbeurteilungen, Sicherheitskonzepte etc., haben alle Beteiligten die erforderliche Qualifikation in der jeweils gültigen Fassung, waren alle Verantwortlichen vor Ort usw.

    Ich bin mir sehr sicher, dass gerade bei kleinen und mittleren Veranstaltungen ohne eine Armada von Dienstleistern (die ggf. auch selber mit in der Haftung sind) und Unterstützern viele Dinge einer genauen Überprüfung nicht 100%ig standhalten. Da muss nicht mal böse Absicht dahinterstecken, oft reicht schon ein kleiner formaler Mangel oder eine sich jüngst geänderte Vorschrift (die eher mehr als weniger werden) aus, um Versicherungen einen Ausweg zu bieten - und dann kann es durchaus existenzbedrohend werden.


    Einfaches Beispiel: Technoparty mit Laser. Gast behauptet in der Folgewoche, auf einem Auge irgendwie nicht mehr so gut zu sehen wie vor der Veranstaltung. In diesem Fall hat man besser alle Dokumente sauberst parat, denn falls nicht, braucht man gar nicht erst versuchen nachzuweisen, dass ein solcher Schaden bei der verwendeten Technik gar nicht hätte entstehen können. Der Jurist hat dann bereits alles, was er braucht...

  • Zusammenfassend kann man sagen das man als Unternehmer immer einem gewissen Risiko ausgesetzt ist.


    Das ist dann auch egal ob das Veranstaltungstechnik, Baugewerbe oder sonst irgend was ist. Mann kann/muss sich halt auch gegen Personenschäden bei grober Fahrlässigkeit absichern wenn man nicht sicher gehen kann das man alle Vorschriften/Normen/Gesetze (die sich teilweise widersprechen) halten kann/tut.


    In vielen Fällen ist auch der Veranstalter in der Pflicht. Wenn für eine Veranstaltung nur Equipment und Aufbauhelfer/Bedienpersonal gefordert sind, dann kann ja ich nicht wissen ob da ein Meister vorhanden ist, welcher alles kontrolliert. Oder Ein Stadtfest wo ggf. ein Meister nötig wäre aber verschiedene VA-Technik Firmen unterwegs sind. Woher soll ich wissen das dieser nicht vom Veranstalter gestellt ist, oder diese Aufgabe von einer der anderen Firmen übernommen wird.

  • das mit den Personenschäden hat ja schon mal jemand gemacht. der hat din15906 abschnitt Besucher schutz genutzt und jedesmal als vergleich 4000e bekommen.

    wenn du rein als Techniker auf einer Baustelle bist, dann sind ja die ganzen Prüfungen nicht dein beritt. was man allerdings anmerken könnte sind die Pegel im Zusammenhang mit Besuchern und Werktätigen.

    allerdings ist dann die frage ob die Delegation rechtens ist.

  • Mein persönlicher Tipp ist klare und zeitige Kommunikation. Zug fällt aus, Auto hat einen Schaden oder Krankheit - das erste ist ein Anruf beim Auftraggeber, damit dieser genug Reaktionszeit hat. Das schlimmste ist zum vereinbarten Ankunfts-Zeitpunkt anzurufen und anzukündigen, dass man dort erst zwei Stunden später aufschlägt. X/


    Wie bereits angesprochen findet sich eigentlich immer eine Lösung, wenn genug Zeit bleibt. Damit ist der "Schaden" im Bereich des entgangenen Tagessatzes und der Zusatzkosten einer Ersatzperson.


    Wenn man in der Position ist, eine unersetzbare Fachkraft mit entsprechenden Tagessätzen zu sein, findet man bestimmt auch eine passende Versicherung, um das Risiko abzufangen.

  • ich hätte noch ein kleine anekdote zum thema risiko:

    2008 wurde ich eines schönentages morgens um 7:30 per tel geweckt. nachricht war, das mein nicht feuerversichertes lager abgebrannt sei. ich war eine woche vorher gerade dabei eine versicherung abzuschließen. das ganz wurde dann von der duetschen zustiz noch getoppt: die richterin, die dann meine klage gegen den hallen besitzer wegen nicht vorhandenem echeck, eigenmächtig abgeschalteter sprinkler auf dem tisch hatte, war so nett mir zu nahezulegen, das ich doch ihren vergleichsvorschlag anehmen soll. andernfalls würde sie dafür sorgen, das ich, wenn ich nicht an den schäden durch den brand pleite gehen würde, an den gutachter kosten pleite gehen werde.

    seit dem sind für mich leider die din normen reine willkür und haben vor gericht einen nur sehr begrenzten wert !!

    ich habe die prozess akten vielleicht noch irgendwo. da gab es noch mehr so dinger in einem prozes über 500tsd e.

  • war so nett mir zu nahezulegen, das ich doch ihren vergleichsvorschlag anehmen soll. andernfalls würde sie dafür sorgen, das ich, wenn ich nicht an den schäden durch den brand pleite gehen würde, an den gutachter kosten pleite gehen werde.

    Starker Tobak... Wie dürfen wir uns dieses "nahelegen" vorstellen?!

    Kein Applaus für Scheiße!

  • das hat sie so formuliert, da ihr ganzes bestreben war, diesen prozess schnell im vergleichsstadium zu beenden. ihr dritter satz zur eröffnung war, das sie diesen fall eigentlich gar nicht haben wollte, nun hätte sie ihn auf dem tisch. man hätte damals auf befangenheit gehen müssen. meine anwältin hat das leider versäumt.

  • Nach euren Rückmeldungen verstehe ich, dass besonders mit Materialeinsatz und -Verantwortung ein erhöhtes Risiko besteht von Personenschäden oder VA kann nicht stattfinden wie dem Beispiel eines inkompatiblen Truss Aufbau/Bereitstellung.


    Für mich als Tontechniker sehe ich 3 reale Risiken:

    1. mein Pult fällt aus

    2. Job verbummelt oder zu spät vor Ort - klar darf nicht vorkommen aber wenns doch passiert wie im Kalender fehlerhaft eingetragen. Oder Auto-Unfall.

    3. ich komme mit dem mir gestellten Material (PA/Pult/Funk) nicht klar mangels Erfahrung, also in einen "zu großen" Job reingerutscht und angenommen, krieg was nicht zum Laufen: Durch Telefonate etc verzögert sich VA oder ist worst-case eingeschränkt bis gar nicht durchführbar.


    Versteht mich bitte nicht falsch, keines dieser Punkte ist etwas das auftreten darf und man akzeptieren kann, da bin ich bei euch. Ich bin auch nicht der Typ "Schulterzucken" und "not my problem".


    Jetzt hab ich schon paar mal her gelesen dass dies und das ins Vertragswerk reingehört.

    Beispiel Ausfall durch höhere Gewalt Auto-Unfall, Krankheit. Oder Pult streikt.


    Ist es denn wirklich so, dass man als Freelancer mit einem Vertrag ankommt den der Auftraggeber zu akzeptieren und unterschreiben hat? Ich meine ich bin zwar noch ziemlich frisch und eher kleiner unterwegs, da läuft das ab ich krieg ne Anfrage per e-mail/Anruf/WhatsApp, ob ich da und da Zeit hab, okay - fertig und ich bin gebucht. Glaube in dem Umfeld in dem ich arbeiten würde man mir nen Vogel zeigen wenn ich mit einem Vertrag ankomme, insb wenn der dazu dient Haftungen/Verantwortungen auszuschließen. Was meint ihr, was ist hier Praxis?


    Macht von euch jemand seine Freelancer Tätigkeit über ne GmbH?

    Auch das wär ne (etwas teurere und aufwändigere..) Option um Privatvermögen (Privatinsolvenz) von den Gefahren seiner Tätigkeit zu trennen, so für den Fall der Fälle.


    z.B.

    ich bin selber mal an einer Schadenersatzforderung von 1 mio knapp vorbei geschrammt, weil ich mich mit dem Auftragnehmer so geeinigt habe. war von 28 jahren.

  • die gmbh würde vor durchgriffshaftung nicht schützen. wenn du sorge um dein privatvermögen hast, gibt es nur 2 mglichkeitn:

    du brauchst eine juri kalaschnikov, der rechnugen für dich schreibt und dich angestellt hat

    du brauchst jemanden, dem du 100% vertraust und der dann dein vermögen `hält`.

    das lohnt aber eigentlich erst wenn du so 100tsd oder mehr auf der uhr hast.

  • Da beißt sich die Katze aber gewaltig in den Schwanz:


    • Die bist freier Unternehmer und wirst beauftragt - Ergo Dein unternehmerisches Risiko, dass sich seriös nicht ausschließen / einschränken lässt
    • Du bist angestellt, wenn auch nur für die Tage der VA - Ergo Du haftest nur für Fahrlässigkeit im begrenzten Rahmen

    Meine Wahl wäre eine ganz klare...