PS-H210 Horntop

  • Nach fast einem Jahr Entwicklung und gut 550 Messungen und einigen Entwicklungsschritten möchte ich meinen Entwicklungsstand des PS-H210 Horn-Lautsprecher teilen.


    Motivation
    Ziel der Entwicklung war ein leistungsfähiges Horngeladenes Top, welches da zum Einsatz kommt, wo Direktstrahler ala PS12 nicht ausreichen. Das kann ein langer Saal sein, oder ein Veranstaltungsszenario im freien. Gleichzeitig sollte das Horntop durch eine einzelne Person in Betrieb zu nehmen, und Stativfähig sein. Die Box sollte zudem das Front-Maß des PS-Bass V2 endsprechen. Somit war die Höhe und Breite von 42cm x 60cm bereits gegeben. Weiterhin sollte ein 4ter Weg vermieden werden, und das Horntop spätestens ab 150Hz voll Einsatzbereit sein.
    Es gibt heutzutage zwar viele (und nicht unbedingt teure ) fertig Horn-Tops, welche die genannten Anforderungen auch (teilweise) erfüllen. Doch irgendwelche Kompromisse geht man dann immer ein, und sei es nur dass das eigene Wissen wie man etwas Baut / Konstruiert nicht weiterentwickelt wird.


    Konstruktive Merkmale

    Durch diese Basis Anforderungen fiel die Wahl der Treiber auf eine Doppel 10" 1,5" Bestückung. Um nicht zu groß zu werden, als auch die gewünschte Ankoppelungsfrequenz zu wahren. Nützlich dafür ist die Hybridbauweise aus Bassreflex und Hornladung der Tiefmitteltöner. Somit wurde eine tiefe ankoppelung von ca 130Hz realisiert. Durch die Vorgaben war es unerlässlich eine Koaxiale Treiberanordnung zu wählen, deren Vorteile in der Summe überwiegt. Konstruktive Inspirationen lieferten u.a das TW-Audio TW24N / HK L5 LTS als auch das neue PL-Audio HT-210.
    Zur Wahl stehen 2 Versionen, eine Standard mit 60 -70° und eine mit klassischer 90° Dispersion.
    Nach vielen Tests verschiedener Gehäuse / Bestückungen und Frequenzweichen Abstimmungen bin ich bei der Kombination aus 18Sound 10nmb420 und Faital HF146 gelandet.


    Bemerkungen zur Entwicklungs-Historie

    Die ersten Prototypen wurden mit Eminence Delta 10B , Faital HF146 und LTH142 gebaut und in einer örtlichen Diskothek hinsichtlich des Maximalpegels getestet. Schnell wurde klar, dass das LTH142 zu sehr einschnürt, als auch der Eminence unbefriedigende Klangergebnisse lieferte.
    Daraufhin wurde der Faital 10pr300 mit gleichem HT Treiber als auch Oberton H1464 getestet. Das Oberton Horn weißt ausgesprochen gutmütige Eigenschaften auf Achse und 30° off-Achse auf und liefert auch klanglich eine gute Performance ab. Das Horn ist zwar mit 60° Horizontal angegeben, strahlt aber etwas breiter ab und würde es eher als 70° Horn ansehen.
    Das breiter strahlende 18Sound XR1496C zeichnet 30° Off-Achse ein anderes Klangbild ab als auf Achse. unterhalb 2KHz ist die Abstrahlung enger als dadrüber, so ensteht eine deutliche Badewannen Kurve, was klanglich auch ok ist, aber nicht unerwähnt bleiben soll.

    Da der Markt an leistungsfähigen Mitten 10er als 4 oder 16 Ohm Version recht Dünn ist, wurde als High End Produkt der 10nmb420 von 18Sound gewählt.

    Der 10nmb420 ist mal eben 3db lauter als der Faital 10pr300 & Eminence Delta 10b. Gleichzeitig klingt der 18s unter Last bedeutend angenehmer als der doch recht früh verzerrende Eminence Delta 10B. Auch wenn der nmb420 einen nicht unerheblichen Aufpreis hat, ist er diesen definitiv Wert.

    Der HF146 ist ein gutmütiger, günstiger und recht lauter Neodym Kompressionstreiber, welcher ebenfalls ein überaus gutes Preis / Leistungsniveau besitzt.

    In zahllosen Messreihen wurde u.a der Einfluss verschiedener Phase Plugs / akustische Trenner als auch Horn Öffnungskonstanten und Hals Geometrien erkundet. Ein Nachteil der Coaxialen Bauweise (Hochtontreiber vor Tiefmietteltöner) bleibt die Frequenzspezifische Maskierung eines Tiefmitteltöners, in diesem Fall bei rund 1kHz. Diese Nocke fällt bei dem breiter öffnenden XR1496C etwas deutlicher aus als beim Oberton H1464.


    Das Ergebnis

    Das Horntop hat einen beachtlichen Wirkungsgrad und liefert enorm viel Pegel für die Gehäusegröße. Hochtöner und 10"er lösen sehr fein auf und überzeugen mit hoher Detailtreue. Die Frequenzweiche ist recht simpel aber effizient gestaltet. Ein Eqen des Hochton-Zweigs ist nicht erforderlich. Es wurde Wert auf eine Phasenkorrekte Trennung mit ausreichend Reserven für den Kompressionstreiber gelegt.

    das PS-H210 geht laut, weit , ist leicht aufzubauen und klingt angenehm direkt dank Horngeladener Mitten.


    Dokumentation

    https://aw-audio.de/boxenbaupl…-H210%20standard%20V1.pdf

    https://aw-audio.de/boxenbauplaene/PS-H210%20wide%20V1.pdf

    auf

    https://aw-audio.de/lautsprecherbau/

    Einmal editiert, zuletzt von aw-audio ()

  • Interessantes Projekt, hab mir die Dokumentation gern angeschaut.

    Der Pädagoge in mir kann's aber nicht lassen, auf einen kleinen "Rächtschraibfääler" hinzuweisen: Im pdf-Dokument ganz am Ende steht was von "Gärungen", die präzise geschnitten zu sägen sind - gemeint sind sicher Gehrungen, oder klappt der präzise Schnitt nur mit 'ner Flasche Bier ? :)

  • e-on


    das ist korrekt, ein breiter auslaufendes Horn wäre nicht mehr konform zum Anforderungskonzept (Breite und Handling der Box). Der Öffnungswinkel beträgt ~ 70 Grad.
    Das Gehäuse ist 1:1 das selbe, nur das HT Horn (und geringfügig die Position) & Weiche ist anders

  • ja ja, die sache mit der abstrahlcharakteristik...

    es gibt am markt haufenweise lautsprecher, die mit abstrahlwinkeln angegeben werden, die sich ausschliesslich auf das hochtonhorn beziehen. das ist schon seit jahrzehnten ganz normal, vor allem bei mufu-boxen mit direktstrahlern im grundtonbereich. aber eben auch bei hornsystemen. insofern ist das hier sicherlich keine schandtat.

    überhaupt gibt es fast keine lautsprecher, die über einen weiten frequenzbereich wirklich gleichmässig abstrahlen.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Darf ich die "ketzerische Frage" stellen, wo sich das System gegenüber einem Direktstrahler aus den gleichen Komponenten unterscheiden würde (mal die reine Gehäusegeometrie ausgenommen)?


    HT - vermutlich kein Unterschied?

    Mid / Sub - ab wo greift bei dem Konstrukt der "Horn-Faktor" ein und und bis wo geht er mit bevor das klassische Pappen-Beaming eingreift? Gibt es gegenüber dem Direktstrahler echten "Horn-Pegel-Gewinn"?


    Sind Horntops mit 90° überhaupt relevant? Selbst bei 60° ist ja mit Clustering nicht so viel zu gewinnen?

    (klar, saubere Abstrahlung an sich ist wichtig und hilft bei problematische Räumen)

  • Ab 200Hz ca beginnt die Amplitude durch das Horn deutlich zuzulegen ab knapp 400Hz beginnt die Richtwirkung. Insgesamt ca 5-6db mehr als Direktstrahler. In der 90° Version läuft der HF146 ohne Pegelabsenkung, und ist nicht mal zu laut !. Als Direktstrahler können die 10" Chassis diese Sensitivität nicht leisten. Nachteil Direkstrahler -> Omnidirektionale Abstrahlung. D.h mehr Reflexionen durch seitliche Objekte / Begrenzungen. Auf Distanz ist eine definierte Abstrahlcharakteristik klanglich deutlich sauberer, als breit emitiertes reflektiertes akustik-Material.

    Vorteil Coaxial - du hast einen deutlich kleineren Versatz in der Schallentstehung. Als Direktstrahler simpel auf der selben Schallwand, können die 18cm Laufzeit unterschied schon erhebliche Probleme verursachen.
    Zudem spart man Vertikal Platz. Unter dem HT Horn sind es knapp 36cm bis zum Boden + die 2 seitlichen schmalen Horn Mund streifen. Der Laufzeit Versatz der verschiedenen Schallendstehungspunkten (man steht vor und unter der Box) ist da als sehr klein anzusehen im Vergleich zu klassisch aufgebauten 1m hohen Trümmer.

    Was meinst du mit "Horn-Faktor" und "Pappen Beaming" konkret ?

    90° Horntops machen definitiv Sinn. Kommt halt drauf an welche Jobs man bedient.
    Is es Sinnvoll aus einer 15" Mufu Box-Größe 5-6db mehr Schalldruck im Top-Bereich und einen sehr klaren Sound zu bekommen ? ein klares JA! :)

  • Danke, so in etwa dachte ich mir das auch.


    Pappen-Beaming - ab einer bestimmten Frequenz geht der Abstrahlwinkel je nach LS-Größe ja "automatisch" runter

    Horn-Faktor: eben der Pegelgewinn durch das Horn verglichen mit einem Direktstrahler

  • Horn-Faktor: eben der Pegelgewinn durch das Horn verglichen mit einem Direktstrahler

    Um Hörner mit anderen Lautsprechern zu vergleichen hilft es manchmal ungemein

    beide Kisten nebeneinander zustellen

    und abwechselnd mit dem gleichen Signal zu füttern .

    Das ganze natürlich bei praxisgerechtem Hörabstand .

    Ich glaube wir werden von Wahnsinnigen gelenkt,

    zu einem wahnsinnigen Ende,

    und ich glaube ich werde als Wahnsinniger eingesperrt,

    weil ich das sage.


    John Lennon

  • Paar Fragen hätte ich auch noch:


    > Wieviel an Pegel -sagen wir mal zwischen 500Hz und 1,2kHz- büßst man zugunsten von mehr Tiefgang durch die BR-Löcher im Horn bzw. der nicht geschlossenen Rückkammer ein? Meyer (MSL3) hat das wohl vor 30 Jahren auch so gemacht.

    > Was wäre der Nachteil, den HT zwischen die MT und somit den jeweiligen Rand der MT zu bauen, wie etwa GAE Director? Dort liegen die MT ja trotzdem direkt nebeneinander im selben Horn. Konstruktiv in Holz schwierig zu lösen?

    > Warum keine(n) Plugs?

    > Aufgeführter Kleber besser als Holzleim?

    Never stop a running System

  • Hi Madmax (passender Name für die kommende Zeit :) )

    zu Frage 1)
    Ein Pegelrückgang bei geschlossenen BR konnte ich messtechnisch nicht feststellen. Die Senke bei 1khz war vielleicht 0,5db schwächer (weniger stark ausgeprägt).
    Das MLS3 kenn ich nicht live aus eigener Erfahrung, aber ein "großes" Horn hat natürlich auch einen größeren Wirkungsgrad Gain, salopp gesagt

    zu Frage2)
    HT in der Mitte hatte deutlich stärkere Bandpass und Auslösch Effekte in der Gegend 600Hz. Es war Messtechnisch die deutlich schlechtere Variante. Das ist mit Sicherheit der Tatsache geschuldet, dass die Box bzw das 10"er Horn sehr Kompakt ist, und in Sachen größe und Öffnungsfunktion eben mehr nachteile Bietet bei Coax Mitte gegenüber Coax und HT oben. Von JBL gabs mal ein Whitepaper was genau diesen Effekt beschreibt. bzw die Abhängigkeit bzgl "Maskierter Hornmünder" in Coax Anordnungen.
    Director / TW24n etc haben da ein "günstigeres" Ratio MT Horn Fläche1 zu HT Horn Fläche 2 was eine mittlere Coax anordnung erlaubt.
    Tw24n hat zwar ein ähnlich großes MT "Horn", jedoch kleineres HT Horn, zudem weniger 12" Horn weg. Die Direktschall zählt hier noch mehr (mit entsprechend kleinem bzw. Frequenzmäßig höher angelegten Horn - Gain).
    Das HK L5-LTS bestätigt in der Aufmachung meinen Ansatz.
    Positiver Ansatz wie beim HK ist die Vertikale Doppelanordnung (Auf dem Kopf drauf). Somit umgeht man teilweise die Auslöschung Hochfrequenter Schallemitierung durch zu kleiner Wellenlänge und zu großem Abstand der Emittanten (Hochtöner)

    zu Frage 3)
    Phase Plugs.... kommt immer drauf an wann / wie man diese braucht. Bzw welchen Aufwand man begeht.
    Der obere 10er braucht das nicht, da der HT dicht genug davor sitzt. Zudem muss man auch gucken Welche Funktion der PP in seiner Form hat (also welche Rundung, und ganz wichtig, welche Hals Fläche er wie Maskiert).
    Ich hatte verschiedene ausgeschäumte Cola Flaschen als Ansatz ausprobiert :)
    In der Tat konnte ich Verbesserungen über 1,2khz, am meisten über 1,7khz messen.
    Zu 85% gleich Gut, war jedoch ein "Divider Brett" vor dem unteren 10"er.
    Damit ließ sich nahezu der gleiche positive Effekt verbesserter Bandbreite realisieren.
    Dieses Prinzip ist kostengünstig und leicht zu fertigen.
    Einige Linearrays (Nexo Geo zb. ich glaub TW Vera auch) Nutzen ebenfalls diese Technologie (Ansatz)

    Frage 4)
    Ja für diesen Kleber lege ich meine Hand ins Feuer. Soll aber jeder für sich selbst entscheiden.

  • Es gibt jetzt auch eine "Eco" Version der PS-H210.
    Mit Faital 10pr300 Bestückung.

    Auf Wunsch wurde diese Version Entwickelt. Betriebsmittel wurden gestellt um im Rahmen einer Machbarkeits-analyse den genannten Tiefmitteltöner mit dem Hauseigenen HF146 zu verheiraten.

    Gegenüber den sehr guten 10nmb420 von 18sound fällt vorallem 30° neben der Achse auf, Dass der 10pr300 (ich tippe auf Phasen -/ oder Konus-Form bedingt) sehr schnell einschnürt. Zudem sind die 10pr300 deutlich leiser als der 10nmb420.
    Die Weiche wurde aber (primäres Ziel die Phase) so ausgelegt dass sie etwas an Pegel nehmen muss (1-2db).
    Weiterhin wurde ein Sperrkreis um die ~3kHz spendiert um sich eine DSP Einstellung zu sparen.

    Abgesehen von dem OFF-Achsen verhalten klingt die Kombi sehr gut. Ich persönlich favorisiere jedoch die Eighteensound's und attestiere denen das Prädikat "Aufpreis Gerechtfertigt"

    https://aw-audio.de/boxenbauplaene/PS-H210_Eco.pdf

  • "Ja für diesen Kleber lege ich meine Hand ins Feuer. Soll aber jeder für sich selbst entscheiden."


    Hab mir welchen besorgt und zuerst gleich mal damit rostige Stahlplatten auf Rasengittersteine geklebt.

    Unglaublich, das Zeug.

    Bei feineren Arbeiten muss man mit der Dosierung sachte machen und fest pressen. Der Kleber schäumt auf und drückt.

    Und geht sehr schlecht von den Fingern ab....^^

    Never stop a running System

  • Könnte man den Einbruch bei 1 KHz eigentlich durch tiefere Trennung etwas umgehen? Wäre dazu ggf. ein größerer Hochtontreiber notwendig um dann noch Pegeltechnisch mit den beiden 10ern mithalten zu können? Ich denke da z.B. an sowas wie den ND3N. Oder wäre der (obwohl sehr kompakt) schon mechanisch einfach zu groß oder war das aufgrund des höheren Preises nie eine Überlegung?